Teilnehmer eines Ostermarsches ziehen mit Fahnen und Transparenten durch die Innenstadt Hamburgs (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Medien-Nr. 101248617)

SWR1 Sonntagmorgen

Ostermärsche und Friedensbewegung am Wendepunkt?

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Zülal Acar

Deutschlandweit gehen über die Feiertage zehntausende Menschen bei den Ostermärschen für den Frieden auf die Straßen. Seit den Anfängen der Bewegung hat sich einiges getan. 

Braucht die deutsche Friedensbewegung ein neues Image? Der Limburger Friedensforscher Johannes Ludwig hat den Eindruck, dass sie überaltert ist. Das liege nicht nur daran, dass auf den Demonstrationen und Veranstaltungen der Friedensbewegung oft nur wenige junge Menschen zu finden sind. "Für viele der bis heute Engagierten ist die Initialzündung in ihrem Engagement die Demonstration gegen den NATO-Doppelbeschluss, die beidseitige Aufrüstung im Kalten Krieg gewesen.“ Zu den Anfangszeiten der Bewegung und in den Jahren danach sei das ein wichtiges und richtiges Engagement gewesen. Jedoch gehe es darum anzuerkennen, dass viele Positionen von damals im 21. Jahrhundert und angesichts eines russischen Angriffskrieges neu überdacht werden müssten, so Ludwig.

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Ukrainekrieg und Nahostkonflikt im Mittelpunkt der Ostermärsche

Im Mittelpunkt der Ostermärsche stehen in diesem Jahr der Ukraine-Krieg und der Nahostkonflikt. Gefordert werden unter anderem ein sofortiger Waffenstillstand und Friedensverhandlungen in beiden Regionen. Außerdem wird für eine Abrüstung in Deutschland demonstriert. Die von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) geforderte Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr verurteilen einige Aktivisten scharf. Stattdessen fordern sie, wie beim diesjährigen Ostermarsch in Mannheim, "Abrüstung statt Aufrüstung, friedensfähig statt kriegstüchtig". Die Ostermärsche werden aufgrund solcher Forderungen immer öfter argwöhnisch beäugt. Die Friedensbewegung ist vielen Kritikern vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges zu radikal pazifistisch.  

Demonstranten sind auf dem Weg zur Abschlusskundgebung der diesjährigen Ostermärsche auf dem Römerberg. Am diesjährigen Osterwochenende gehen auch in Hessen wieder Menschen gegen Aufrüstung auf die Straße. Das Netzwerk Friedenskooperative erwartet mehr Teilnehmer als im vergangenen Jahr. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)
Ostermarsch auf dem Römerberg in Frankfurt 2018.

Friedensethische Dilemmata

"Es wirkt weltfremd, teilweise sogar zynisch oder wie eine Realitätsverweigerung, wenn Slogans wie “Frieden schaffen ohne Waffen" angesichts eines Verteidigungskrieges der Ukraine parodiert werden", sagt Ludwig. Seiner Meinung nach sollte die Debatte insgesamt viel differenzierter geführt werden. Denn es gebe kein richtig oder falsch angesichts der ukrainischen Bewaffnung. "Es gibt friedensethische Dilemmata und Extremsituationen, in denen Waffenlieferungen auch dem Schutz der Menschenwürde dienen können." Die Perspektive der Leidtragenden müsse oberste Priorität haben, sagt der Friedensforscher. Diese Stimmen gebe es innerhalb der Friedensbewegung durchaus: "Es gibt nicht diese eine Friedensbewegung. Doch sind immer die schrillen Stimmen, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen."  Er erlebe oft einen hohen Grad der Polarisierung auf friedenspolitischen Veranstaltungen.

Militärbischof Felmberg: "Verteidigungsfähigkeit als Auftrag"

Auch der Evangelische Militärbischof Bernhard Felmberg spricht sich für eine differenziertere Betrachtungsweise aus. Er hält Pazifismus innerhalb und außerhalb der Kirche für wichtig, findet es allerdings falsch, wenn man das für die einzig mögliche Sichtweise hält. "Wenn wir sagen "Soll die Bundeswehr verteidigungsfähig sein?" Dann würde ich sagen ja, denn das ist ihr Auftrag. (…) Der Begriff der Kriegstüchtigkeit ist schillernd, aber mit Blick auf die Fähigkeiten der Bundeswehr sicherlich insofern angemessen, als dass man sagt, ihr müsst in der Lage sein, wirklich zu verteidigen. Und um nichts anderes geht es ja." 

   

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Hier wird an Ostern demonstriert

  

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Ludwig: "Von antisemitischen und rechtsextremen Stimmen abgrenzen"

Friedensforscher Ludwig beobachtet mit Sorge, dass sich in den letzten Jahren unter die Teilnehmer der Ostermärsche vermehrt Corona-Leugner und Rechtsextreme gemischt haben. Es müsse eine stärkere Abgrenzung von Stimmen innerhalb der Bewegung geben, die sich antisemitisch und rechtsextrem äußern oder Verschwörungserzählungen verbreiten, sagt Johannes Ludwig. Andernfalls komme es zu einem Glaubwürdigkeitsverlust der Friedensaktivisten.

Vorbild für Ostermärsche kommt aus London 

Moderator Hans Michael Ehl (Foto: SWR)

Moderator am Ostersonntagmorgen Hans Michael Ehl

Moderator am Ostersonntagmorgen

Moderatorin Silke Arning (Foto: SWR)

Moderatorin am Ostermontagmorgen Silke Arning

Moderatorin am Ostermontagmorgen

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Zülal Acar