Viele Schüler mit Behinderung gehen auf Förderschulen. Auf Regelschulen hingegen gehen Kinder mit Förderbedarf hier zu Lande noch zu wenig. Doch gemischte Klassen an Regelschulen, bestehend aus Schülern mit und ohne Behinderung wären ganz im Sinne der Inklusion. Denn das schafft nicht nur mehr gesellschaftliche Akzeptanz, sondern bietet Kindern mit Förderbedarf auch im späteren Berufsleben bessere Chancen.
Rabea Imhof ist überzeugt, dass ihre Tochter Rosalie in einer Regelgrundschule am besten gefördert würde. Die Fünfjährige ist Pflegegrad 5 und hat eine schwere geistige und körperliche Behinderung. Im September 2024 soll sie eingeschult werden. Die Mutter aus Bad Krozingen sagt: „In meiner Utopie würde sie gemeinsam mit gesunden Kindern zur Schule gehen und hierbei aber die bestmögliche Förderung erfahren. Gleichzeitig würde diese Schule aber auch Entlastungsmöglichkeiten für uns als Familie bieten.“ Aber das alles ist nur Wunschdenken, in der Praxis fehlt es an passenden Angeboten. Familie Imhof hat sich deshalb nun doch für eine Förderschule entschieden, denn nur dort werden sie mit einer Betreuung entlastet.
UN-Behindertenrechtskonvention wird nicht umgesetzt
Dabei hat Deutschland am 24. Februar 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben. Für Menschen mit Behinderung sollen so Chancengleichheit, Inklusion und Selbstbestimmung sichergestellt werden. Mit der Konvention wollen sich die Vereinten Nationen für die Menschenrechte von Personen mit Behinderung einsetzen.
Inklusive Schulen in Baden-Württemberg die Ausnahme
Bildungsforscher und Professor Dr. phil. Rolf Werning stellt der Inklusion an den bundesdeutschen Schulen ein schlechtes Zeugnis aus: „Die Quoten, die wir zurzeit sehen, zeigen, dass die Entwicklung nicht gerade positiv verläuft.“ Die Zahl an Schülern in der Förderschule ist in Baden-Württemberg im Zeitraum von 2012 bis 2021 gestiegen. Noch gehen hier also zu wenig Kinder mit Förderbedarf auf Regelschulen. „Obwohl ja die Idee der UN-Behindertenrechtskonvention ist, gemeinsames Lernen zu fördern. Das heißt also Ausgrenzung zu minimieren - das hat nicht funktioniert“, kritisiert Werning.
Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hinken hinterher
Der Stadtstaat Bremen schneide jedoch im bundesweiten Vergleich gut ab, lobt der Bildungsforscher. „Bremen hat sehr konsequent die Idee von Inklusion umgesetzt. Die Förderung von Schülerinnen und Schülern in Förderschulen wirklich minimiert, sodass man hier von einer Trendwende sprechen kann.“ In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz geschehe das bislang nicht, so Werning.
Schulen werden nicht viel inklusiver als die Gesellschaft drumherum
Die Umsetzung des inklusiven, gemeinsamen, Lernens sei nicht nur eine Frage des Geldes, sondern der Einstellung, „nicht nur von der Politik, sondern von der Gesellschaft“, hebt er hervor. „Schulen werden nicht viel inklusiver als die Gesellschaft drumherum“. Das deutsche Schulsystem sei sehr selektiv und trenne die Kinder bereits früh. „Und das funktioniert eigentlich schlecht, (…) denn wir sehen, dass es eine soziale Benachteiligung gibt.“ Es sei wichtig, Schulen zu entwickeln, die alle Schüler berücksichtigen und fördern können.

UN-Behindertenrechtskonvention ist ein stumpfes Schwert
Was passiert, wenn Eltern mittels UN-Konvention durchsetzen wollen, dass ihr förderbedürftiges Kind auf eine Regelschule kommt? „Das Problem liegt schon in der UN-Behindertenrechtskonvention, weil es ja ein stumpfes Schwert ist.“, sagt Prof. Dr. Rolf Werning. Dass Deutschland in weiten Teilen gegen diese Konvention verstoße, sei nach einer Prüfung der UN bestätigt worden, erklärt er. „Wie bei vielen Menschenrechten: wenn man gegen diese verstößt, passiert wenig“.
Schulen nicht in der Lage, Inklusion umzusetzen
Auch Rabea Imhof sieht Nachholbedarf an Schulen: „Ich denke, es ist einfach noch sehr viel zu tun in der Inklusion und aktuell ist sie nicht auf dem Stand, dass sie wirklich die Möglichkeiten bietet, die die Förderschule bietet.“ Sie wird Tochter Rosalie nach langem Abwägen trotzdem auf eine Förderschule schicken. Denn die Schule bietet ein Internat als Entlastung für die Familie an. Eine Rundum-Betreuung ist für die Eltern nur sehr schwer zu stemmen.

Aber was passiert, wenn Eltern mittels UN-Konvention durchsetzen wollen, dass ihr förderbedürftiges Kind auf eine Regelschule kommt? „Das Problem liegt schon in der UN-Behindertenrechtskonvention, weil es ja ein stumpfes Schwert ist.“, sagt Werning. Dass Deutschland in weiten Teilen gegen diese Konvention verstoße, sei nach einer Prüfung der UN bestätigt worden, erklärt er.
Auch Mutter Rabea Imhof sieht Nachholbedarf an Schulen: „Ich denke, es ist einfach noch sehr viel zu tun in der Inklusion und aktuell ist sie nicht auf dem Stand, dass sie wirklich die Möglichkeiten bietet, die die Förderschule bietet", sagt sie.