Glücksforscher Tobias Esch

"Glücklichsein hat einen Einfluss auf die Gesundheit"

Stand
Moderator/in
Claudia Deeg
Claudia Deeg
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SWR1

Jeden Morgen mit einem Lächeln aus dem Bett zu springen und sich über den neuen Tag zu freuen, schaffen wohl die wenigsten von uns. Aber wie geht Glücklichsein in schweren Zeiten?

Glücksforscher Prof. Tobias Esch weiß, wie das mit dem Glücklichsein funktioniert. Im SWR1 Interview erklärt er uns, warum Glücksgefühle so wichtig sind und wie Sie auch in schweren Zeiten Ihre Lebenszufriedenheit bewahren können.

SWR1: Herr Esch, wenn früh der Wecker klingelt, müssen wir dann unbedingt strahlen und uns wahnsinnig freuen auf den Tag oder dürfen wir auch ein bisschen grantig sein?

Tobias Esch: Absolut dürfen wir grantig sein. Ich bin der Letzte, der den Menschen irgendwelche Empfehlungen macht, von wegen: setzt dir eine rosa-rote Brille auf und lach doch mal. Das Leben ist, wie es ist. Es geht auch gar nicht darum, sich irgendetwas einzureden, sondern überhaupt eine Antwort auf die Frage zu haben: Wofür stehe ich auf? Was gibt mir Sinn, was ist der tiefere Grund? Wenn ich darauf überhaupt keine Antwort weiß, kann ich einfach liegen bleiben und noch mal drüber nachdenken.

Wir sehen aus unserer Forschung, dass gerade Menschen, die älter sind und schon vieles erlebt haben, aber grundsätzlich einen optimistischeren Lebensstil haben, tatsächlich länger leben.

SWR1: Wenn ich da zu keiner Lösung komme, was macht das dann mit mir?

Esch: Es ist überhaupt nicht notwendig, den ganzen Tag zu grübeln und die Sinnfrage zirkeln zu lassen. Wir wissen aber aus der Forschung, dass, wenn die Krise kommt, das Leben schwer wird und Stress und Konflikte Überhand nehmen, dann trennt sich die Spreu vom Weizen.

Die Menschen, die für sich einen inneres Gefühl haben, welcher tiefere Sinn möglicherweise damit verbunden ist, tun sich leichter in solchen Situationen. Also nicht das krampfhafte Suchen nach dem Sinn ist das Entscheidende, sondern so ein Gefühl dafür zu entwickeln, wofür das hier alles gut ist.

SWR1: Sie schreiben ja auch, dass es für unsere Gesundheit grundsätzlich entscheidend ist. Also gehen wir quasi ohne ausreichend Glücksgefühle ein, wie eine Pflanze ohne Wasser?

Esch: Ja. Die Worte "Glücksgefühle" und "Glücksforscher" sind Dinge, die ich zwar als Forscher benutze, aber die das Gefühl vermitteln, hier geht es um etwas Oberflächliches. Das stimmt aber überhaupt nicht. Die Dinge, mit denen wir uns beschäftigen, sind wirklich ganz existenzielle Themen des Lebens.

Die Frage zum Beispiel, ob ich in einer schwierigen Zeit einen Ausweg weiß, ob ich grundsätzlich in der Lage bin, auf den Wogen des Lebens zu surfen, in dem Glauben und dem Wissen, dass es irgendwie besser wird. Und wir sehen aus unserer Forschung, dass gerade Menschen, die älter sind und schon vieles erlebt haben, aber grundsätzlich einen optimistischeren Lebensstil haben, tatsächlich länger leben. Und, dass sie deutlich weniger Erkrankungen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben.(...)

Es hat einen Einfluss auf unsere Gesundheit, ob wir uns grundsätzlich Gesundheit und Glück zutrauen.

SWR1: Sie sagen, Glück ist lernbar. Wie kann das aber funktionieren, ohne das Leben komplett auf dem Kopf zu stellen?

Esch: Indem wir zum Beispiel mit der Frage beginnen, wofür wir morgens aufstehen und was es ist, was mich das Leben angehen lässt.

SWR1: Aber wenn meine Antwort ist: Ich stehe heute morgen auf, weil ich zur Arbeit muss, weil ich Geld verdienen muss, dann macht mich das ja nicht unbedingt glücklich.

Esch: Dann ist zumindest ja schon mal ein Motiv da. Wir reden über Motive, wir machen es in unseren Forschungen bei vielen Menschen so und fragen genau nach diesen Motiven. Zum Beispiel die Existenzsicherung und ein Einkommen haben, ist eines der drei wichtigsten Motive, die wir in unserer Forschung sehen. Die beiden anderen sind zum Beispiel: das Gefühl nach Wachstum, also sich innerlich weiterentwickeln zu wollen.

Und das Dritte ist Beziehung oder Bezogenheit, das ist das Gefühl, in irgendeiner Weise mit Menschen, vielleicht auch mit der Natur oder auch mit einem Glauben verbunden zu sein. Das heißt, es geht sehr wohl auch um die Existenz. Es ist auch völlig in Ordnung, das als Motiv zu haben, und wir sehen aus unseren Forschungen, dass es noch mehr Motive gibt, die die Menschen sozusagen anspornen.

(...) Man kann sich die Fragen auch aufschreiben: Was sind die Dinge, für die sich etwas lohnt, was inspiriert mich? Oder in Bezug auf Beziehungen: Wer oder was ist in meinem sozialen Netz?

Der Mensch hat die Fähigkeit, auch an einer Tragödie zu wachsen.

SWR1: Welche Rolle spielen da äußere Einflüsse und schlechte Nachrichten? Wir hatten die Corona-Zeit, dann kam der Krieg gegen die Ukraine, jetzt erleben wir Schreckliches im Nahen Osten. Wenn man mit den Nachrichten aufsteht, kann man schon mal schlechte Laune kriegen.

Esch: Absolut. Es ist auch ganz wichtig, dass die Menschen das nicht ignorieren. Was wir sehen ist, dass Menschen, die schwere Zeiten durchlaufen, weil sie vielleicht eine lebensbedrohliche Erkrankung haben, Menschen die viel geschultert haben, trotz allem häufig eine hohe Lebenszufriedenheit haben. Trotz der äußeren Umstände, die schwierig sind, kann man lernen, für sich ein aufrechtes Leben und einen Sinn zu finden.(...) Der Mensch hat die Fähigkeit, auch an einer Tragödie zu wachsen.

Es geht nicht darum das Leid zu ignorieren, sondern sich ein Stück weit davon zu emanzipieren. Es geht darum zu bemerken, dass das Glück etwas Inneres ist und nicht von den äußeren Umständen abhängt.

Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.

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