Verbotene Leihmutterschaft und andere Hürden

Warum Familienplanung für schwule Paare immer noch schwierig ist

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Hanns Lohmann
Hanns Lohmann (Foto: SWR)
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Vater zu werden ist für schwule Männer oft immer noch schwierig. Dr. Sarah Ponti vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) spricht darüber, was sich inzwischen verändert hat.

Vater, Vater, Kind: Immer mehr homosexuelle Paare werden Eltern. Einige entscheiden sich für ein leibliches Kind durch eine Leihmutterschaft. Weil das in Deutschland verboten ist, suchen manche Paare über Agenturen eine Frau im Ausland, die ihr Kind austrägt.

Laut dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland kommen die meisten Kinder von schwulen Vätern aus früheren Hetero-Beziehungen, also die Väter waren mal mit einer Frau zusammen und hatten ein spätes Coming-out, sagt Dr. Sarah Ponti, Grundsatzreferentin beim LSVD.

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SWR1: Frau Ponti, immer mehr homosexuelle Männer bekommen Kinder. Wie sehr hat sich das in den letzten Jahren verändert?

Sarah Ponti: Familiengründung ist für schwule Männer immer mehr Teil ihrer Lebensplanung und zunehmend auch normaler Alltag. Es ist einfacher geworden, zum Beispiel durch die Einführung der Ehe für alle 2017, denn dadurch besteht die Möglichkeit zur Volladoption. Wir sehen auch, dass die Bereitschaft der Behörden, schwule Väter als Pflegeeltern einzusetzen, gestiegen ist. Und wir sehen auch einen Anstieg an Co-Parenting-Modellen mit alleinstehenden Frauen und lesbischen Paaren.

Homosexuelle Paare nutzen alternative Familienmodelle

SWR1: Co-Parenting müssen wir erstmal erklären. Es ist eine Co-Elternschaft mit Mann und Frau, die zueinander aber keine romantische Beziehung haben.

Ponti: Co-Parenting-Modelle sind ein verbreitetes Familienmodell in queeren Konstellationen. Sie sind super für die Kinder, da die Möglichkeit besteht, dass die Kinder sowohl mit ihren sozialen Eltern als auch mit ihren leiblichen Eltern in Kontakt stehen können. Da gibt es wirklich sehr tolle Modelle, von denen die Familien sehr profitieren.

SWR1: Wir haben von einem schwulen Paar gesprochen, das mit Hilfe einer Leihmutter in den USA ein Kind bekommen hat. Das ist bei uns verboten. Wird sich das in absehbarer Zeit möglicherweise ändern?

Ponti: In der aktuellen Legislaturperiode wurde eine Kommission zum Thema "reproduktive Selbstbestimmung" eingesetzt, die sich mit der Frage beschäftigt, ob und wie man eine Leihmutterschaft auch in Deutschland einführen könnte. Wir halten es allerdings nicht für realistisch, dass das in dieser Legislaturperiode noch geregelt wird.

Wir erfahren immer wieder von Einzelfällen, in denen Menschen diskriminierende Erfahrungen gemacht haben – bei den Adoptionsvermittlungsstellen oder in den Jugendämtern.

Vor dem Recht gleich, in Realität kann es anders aussehen

SWR1: Sehen Sie, dass homosexuelle Paare im Vergleich zu heterosexuellen Paaren benachteiligt werden, Adoptiv- und Pflegekinder annehmen zu können?

Ponti: Grundsätzlich bestehen nach dem Recht gleiche Chancen. Allerdings kann man davon ausgehen, dass nicht alle Menschen, die darüber entscheiden, ohne Vorbehalte entscheiden. Es gibt keine Zahlen dazu. Wir erfahren aber immer wieder von Einzelfällen, in denen Menschen diskriminierende Erfahrungen gemacht haben – bei den Adoptionsvermittlungsstellen oder in den Jugendämtern. Wir würden uns wünschen, dass der Gesetzgeber eine gesetzliche Klarstellung einfügt, dass die Vermittlung von Kindern diskriminierungsfrei passieren sollte.

Zwei Männer mit einem Baby (Foto: Getty Images, Thinkstock -)
Homosexuelle Paare haben mit verschiedenen Hürden zu kämpfen, wenn sie Eltern werden wollen.

SWR1: Was müsste sich Ihrer Meinung nach tun, damit mehr homosexuelle Paare Eltern werden können?

Ponti: Was aus unserer Sicht sehr wichtig wäre, gerade für Co-Parenting Modelle – also Modelle, in denen schwule Väter zusammen mit lesbischen Frauen oder alleinstehenden Frauen Eltern werden möchten – ist, dass wir verbindliche Elternschafts-Vereinbarungen einführen. Das heißt, es wäre aus unserer Sicht ganz zentral, dass Eltern sich schon vor der Zeugung des Kindes Gedanken machen können und rechtsverbindlich regeln können, wie sie später die Elternschaft gestalten wollen. So können sie etwa vereinbaren, wie Sorge-, Unterhalts- und Umgangsrecht verteilt werden sollen. Das hätte das Potenzial, Konflikte in der Zukunft zu vermeiden und würde für die Paare sehr viel Rechtssicherheit schaffen.

Das Interview führte SWR1 Moderator Hanns Lohmann.

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