Tennisprofi Yannick Hanfmann (Foto: IMAGO, IMAGO / Colorsport)

Tennis | Hintergrund

Schwerhörig: Die "stille Welt" von Tennisprofi Yannick Hanfmann

Stand
AUTOR/IN
Johannes Seemüller
Johannes Seemüller, SWR-Sportjournalist (Foto: SWR)
INTERVIEW
Teo Jägersberg

Yannick Hanfmann hat sich trotz seines frühen Ausscheidens in Wimbledon in der Weltspitze etabliert - und das mit einem Handicap. Der Karlsruher ist seit seiner Geburt schwerhörig.

Das hatte er sich irgendwie anders vorgestellt. Am Freitag (7. Juli) musste Yannick Hanfmann vorzeitig aus London abreisen. Im Einzel und im Doppel war der 31-Jährige jeweils in der ersten Runde des traditionsreichen Turniers von Wimbledon ausgeschieden. Sein Erstrundenmatch gegen den an Nummer neun gesetzten US-Amerikaner Taylor Fritz hatte der Badener mit 4:6, 6:2, 6:4, 5:7 und 3:6 verloren. "Diese Niederlage hat weh getan", gesteht Hanfmann im Interview mit SWR Sport.

Also setzte sich Hanfmann am Freitagvormittag in den Flieger und reiste in seine Heimatstadt. Am Samstag bestritt der Senkrechtstarter im deutschen Männertennis bei den Tennis Open Karlsruhe einen Schaukampf gegen den 19-jährigen Philipp Florig. So konnte der Veranstalter den Fans die aktuelle Nummer 45 der Weltrangliste präsentieren und Hanfmann die Zuneigung der Tennisanhänger aufsaugen. "Ich bin hier zuhause. Ich habe viele positive Emotionen mitgenommen. Da kann ich das frühe Aus in Wimbledon gut verarbeiten", strahlt er.

Hanfmann: "Die Schwerhörigkeit hat mich geprägt"

Der Weg von Yannick Hanfmann in die Weltspitze des internationalen Tennis war ebenso fordernd wie der Umgang mit seinem Handicap. Hanfmann ist von Geburt an schwerhörig. Ursache ist ein verwachsener Knochen in seinem Ohr. Sein Vater, ein Arzt, und seine Schwester, eine Profi-Tänzerin (u.a. auch Ex-Choreographin bei "Deutschland sucht den Superstar"), haben dasselbe Problem.

Geschwisterliebe: Yannick Hanfmann und Schwester Ann-Katrin

"Natürlich hat mich die Schwerhörigkeit geprägt", erzählte Hanfmann in einem Interview mit einem Hörgerätehersteller, "auch wenn sie bei uns zu Hause selbstverständlich war. In der Schule empfand ich es als unangenehm, ich wollte alles mitbekommen. Das war leider nicht möglich."

Tennis statt Fußball

In seiner Jugend spielte er zunächst Fußball beim Karlsruher SC. Doch seine Schwerhörigkeit verhinderte eine erfolgreiche Karriere des talentierten Kickers. "Irgendwann hörte ich die Zurufe meiner Mitspieler und das Kommando der Trainer nicht mehr." Also entschied er sich fürs Tennis. "Beim Tennis ist das ganz anders - hier sehe ich meine Gegner. Das vereinfacht das Ganze."

Hanfmann ließ es mit seiner Karriere als Tennisprofi eher langsam angehen. Der gebürtige Karlsruher wanderte nach dem Abitur in die USA aus, studierte in Los Angeles und machte erst mit Mitte 20 seine ersten größeren Schritte im Profitennis. Aktuell läuft es blendend für ihn. Beim ATP-Turnier auf Mallorca, der Wimbledon-Generalprobe, scheiterte er erst im Halbfinale. In der Weltrangliste ist er derzeit hinter Alexander Zverev (Platz 21) und Jan-Lennard Struff (Platz 22) drittbester Deutscher (Platz 45).

"Das ist etwas Neues für mich", sagt Hanfmann. "Ich versuche, das zu genießen und mit vielen Leuten zu teilen. Ich bin stolz, wie ich das in den vergangenen Wochen und Monaten hinbekommen habe. Es gibt mir Kraft für neue Ziele."

Verletzungsfreiheit und großer Glaube

Der Badener ist überzeugt, dass viele Faktoren für seine aktuelle Leistungssteigerung verantwortlich sind. "Die Erfahrung spielt sicher eine Rolle, ich bin älter geworden. Ich bin auch frei von Verletzungen und Krankheiten gewesen. Dazu kam der Glaube, auch in großen Matches bestehen zu können."

"In unserer lauten Welt wird Stille zu einem wertvollen Gut."

Eine besondere Behandlung auf dem Tennisplatz wegen seiner Schwerhörigkeit will er nicht. "Ich sage es den Schiedsrichtern, wenn sie relativ leise reden." Auf dem Tennisplatz empfinde er die reduzierte Lautstärke sogar als positiv, "weil ich nicht alles höre, was auf den Tribünen geredet und gerufen wird." Deshalb trägt er auf dem Court in der Regel auch kein Hörgerät. Als Vorteil sieht er das allerdings nicht. "Ich bin ja mit dieser Schwerhörigkeit auf die Welt gekommen. Ich weiß gar nicht, wie das anders sein könnte."

Auch bei seinem Auftritt in Karlsruhe verzichtete Hanfmann auf seine Hörgeräte. "Wenn ich sie trage, ist der Input so hoch, dass ich einen Teil meiner Energie verliere. Bei einem Event wie heute wäre es ein Overload, eine Reizüberflutung. Und das möchte ich mir nicht antun."

Hanfmann: Habe die Wahl zwischen "einer lauten und einer stillen Welt"

Abseits des Tennisplatzes hingegen nimmt er eine Hörhilfe in Anspruch. "Somit habe ich die Wahl zwischen einer lauten und einer stillen Welt", sagt er. Sein reduziertes Hörvermögen empfindet Hanfmann nicht nur als Nachteil. "Der Lärm einer Stadt, Autohupen, ständige Musikbeschallung - in unserer lauten Welt wird Stille zu einem wertvollen Gut."

Voller Optimismus blickt Hanfmann auf die kommenden sportlichen Aufgaben in Gstaad, Hamburg und Kitzbühel. "Ich habe in den vergangenen Jahren bewiesen, dass ich bei jedem dieser drei Turniere gut gespielt habe." Seine Ausgangsposition ist nach seinen jüngsten Erfolgen plötzlich eine andere. Bisher musste er sich zunächst über die Qualifikation ins Hauptfeld kämpfen. Jetzt ist er gesetzt. Also legt er die Messlatte hoch. "Gstaad und Kitzbühel liegen mir. Ich sehe mich teilweise als Favorit. Warum sollte ich nicht den Turniertitel anpeilen - auch wenn sich das für mich etwas komisch anhört."

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