Bundesliga-Schiedsrichter Christian Dingert spricht über Gewalt gegen Schiedsrichter.

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Gewalt gegen Schiedsrichter: Ein Job zwischen Faszination und Gefahr

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Julia Metzner
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Michi Glang

Die Gewalt gegen Schiedsrichter und generell auf Fußballplätzen nimmt weiter zu. Das zeigt die Zahl an Spielabbrüchen, die in der vergangenen Saison massiv gestiegen ist. SWR Sport spricht mit Bundesliga-Schiedsrichter Christian Dingert und Thaya Vester vom DFB über das Problem.

Die Gewalt breitet sich immer mehr aus auf deutschen Fußballplätzen - oft sind die Schiedsrichter das Ziel. Das beobachtet auch Thaya Vester von der Uni Tübingen. Sie ist Mitglied der DFB-Expertinnengruppe "Fair Play - gegen Gewalt und Diskriminierung" und ärgert sich, dass "viele Dinge im Fußballsport als normal angesehen werden". Schiedsrichter bekämen häufig Sätze wie "Das muss man halt abkönnen" oder "Ihr wisst doch, worauf ihr euch einlasst" zu hören. Vester aber macht klar: "Nein, das ist nicht normal!"

Oftmals bleibt es nicht bei verbaler Gewalt, sondern es kommt zu tätlichen Angriffen auf Unparteiische. Ist die Grenze bei Beleidigungen und Bedrohungen bereits überschritten, sieht Vester hier vollendete Straftatbestände. "Wenn ich jemanden niederschlage, dann ist das ein strafbares Verhalten, das man so nicht dulden kann", sagt die Kriminologin.

Auch viele Zuschauer benehmen sich daneben

Neben dem Fehlverhalten auf dem Platz kommt es auch von außen vermehrt zu Angriffen und verbalen Attacken. "Wir haben ein Problem, was die Sanktionierung von Zuschauerverhalten angeht. Das hat mehrere Ursachen. Zum einen kapitulieren die Schiris vor der schieren Masse an Fällen. Sie sagen: 'Ich muss mich auf das Spiel konzentrieren. Ich kann und will auch gar nicht wahrnehmen, was da Leute von draußen reinbrüllen'", so Vester.

Schwierig: Schiris können oft nicht zuordnen, von wem was kommt. Und auch das Sportgericht kann dann nur schwer dagegen vorgehen. Oft sind die Fälle "aussichtslos. Sportgerichte können nur Menschen bestrafen, die selber Mitglied im Sportverband sind". Ansonsten seien die Heimvereine gefordert, das Hausrecht durchzusetzen und "dafür zu sorgen, dass es gesittet abläuft", erklärt Vester.

Vester: Zu wenig Schiedsrichterinnen

Ein weiteres Problem sieht sie in fehlendem weiblichem Nachwuchs. Eine neue Studie vom DFB besagt zwar, dass es wieder mehr Schiedsrichter gibt. Aber: immer noch gibt es viel zu wenige Frauen unter den Referees, nur rund vier Prozent.

"Männer sind halt so"

"Da, wo es um Macht geht, da stehen die Frauen noch ein bisschen hinten an", sagt Vester. Auch den Frauen wird es nicht immer leicht gemacht auf dem Platz. "Schiedsrichterinnen sind weniger betroffen von körperlicher Gewalt, müssen sich dafür verbal sehr, sehr viel anhören. Was auch besonders fatal ist: Sie sagen, sie glauben, dass sie das abkönnen müssen, wenn sie mitspielen wollen. Dann heißt es: Männer sind halt so."

Vester unterstreicht, dass gerade die verbale Aggressivität im Amateur- und Jugendfußball durch das Verhalten von Fußballprofis gesteuert wird. "Wir sehen das in der Bundesliga und auch international, dass die Umgangsformen nicht die allerbesten sind und das setzt sich natürlich nach unten hin durch. Kinder kopieren den Torjubel, den sie sehen und natürlich verinnerlichen sie und nehmen das auch auf, wenn Trainer auf den Schiedsrichter zurennen und den aus zehn Zentimeter Entfernung anbrüllen", führt Vester aus. "Dann wird das als normal angesehen und gefeiert, weil das sind ja auch noch wahre Emotionen. Es setzt sich fort und prägt dieses Bild: Fußball ist halt so."

Vester wirbt bei allen Verantwortlichen und den Kickern für ein Bewusstsein der Probleme. "Wir werden es nicht gänzlich lösen können, aber ich hoffe wirklich, dass die Beteiligten spätestens jetzt aufgerüttelt und wach werden, dass wir mal wieder einen positiven Fokus setzen können", sagt Vester. Sie setzt dabei auch auf die EM im kommenden Jahr, das ersehnte Sommermärchen 2.0. "Ich hoffe, dass die EM wieder eine Fußballbegeisterung neu entfacht und nicht mehr die ganzen negativen Themen im Fokus stehen müssen, sondern man sich einfach nur über Fußball freuen kann."

Bundesliga-Schiri Dingert wirbt für die Schiedsrichterei

Bundesliga-Schiedsrichter Christian Dingert verurteilt die Gewalt auf den Sportplätzen ebenfalls, macht aber deutlich, dass er kein sportartspezifisches Problem sieht. "Im Endeffekt haben wir hier kein Fußball-Problem. Wir haben hier ein gesellschaftliches Problem, in dem sich die Verrohung widerspiegelt", sagt der 42-Jährige.

"Die Fälle muss man natürlich ernst nehmen, sie müssen auch sanktioniert werden. Und vor allem muss den Betroffenen zugehört werden. Da ist die Herangehensweise in den einzelnen Landesverbänden ganz unterschiedlich". so Dingert weiter.

Trotz aller Probleme wirbt der FIFA-Schiri von der TSG Burglichtenberg weiter für den Job an der Pfeife, der in seiner Ausprägung an sich faszinierend ist. "Man hat mit 22 unterschiedlichen Charakteren zu tun. Man muss entscheiden, man kann sich als Schiri nicht irgendwie rausreden. Was ganz wichtig ist: Man lernt fürs Leben dazu, wenn man hier die Verantwortung übernimmt. Und das Wichtigste: Es muss natürlich Spaß machen."

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