Ein Hauch von Buenos Aires weht durch Fellbach. Auf einem Kunstrasenplatz in der Fußballhalle SoccerOlymp ertönen Trommeln, spanische Gesänge und Messi-Sprechchöre. Statt Currywurst mit Pommes gibt es Choripan mit Chimichurri, ein Sandwich mit argentinischer Wurst. Die argentinische Gemeine in Baden-Württemberg ist eine er größten Deutschlands. Und sie feiert den Halbfinaleinzug ihrer Nationalmannschaft gegen Kroatien in diesem Vorort Stuttgarts. Die Familie der Fußballprofis Kevin (1. FC Heidenheim) und Nicolás Sessa (SC Verl) hat sie dorthin gebracht.
Der Traum des Vaters
Ihr Vater Marcelo kam Anfang der 90er nach Deutschland. Auch er wollte hier Fußballprofi werden, doch sein Traum wurde von zwei Kreuzbandrissen gestoppt. Stattdessen entschied er sich zu arbeiten und zum Spaß unterklassig zu spielen, so etwa beim SC Weinstadt. Deswegen hat Sessa auch vor 16 Jahren in der Fußballhalle in Fellbach als Hausmeister angefangen. Und so seinen Söhnen den Traum vom Fußball ermöglicht und die argentinische Gemeinde nach Fellbach geholt.
Die Sessas und Lionel Messi
Kevin, Nicolás und der ältere Bruder Dominic haben in der Halle das Kicken gelernt. "Wir haben da oft trainiert. Zu zweit oder zu dritt", erinnert sich Dominic im Gespräch mit SWR Sport. Vater Marcelo hat seine Söhne auf dem Weg zum Fußballprofi immer unterstützt und seine Fußballleidenschaft an sie weitergetragen. "Wenn die Albiceleste irgendwo in Europa gespielt hat, ist unser Vater mit uns hingeflogen", wird Nicolás Sessa auf der Vereinsseite der TSG Hoffenheim zitiert. So kam es, dass die gesamte Familie Sessa den jungen Lionel Messi 2005 bei seinem ersten Länderspiel traf. Kein Wunder, dass zwei der Sessa-Brüder heute in Deutschland Profi sind und Vater Marcelos Vision doch noch wahr gemacht haben.

Drei Brüder - drei Fußballer
Kevin wurde beim VfB Stuttgart ausgebildet und spielt heute in der zweiten Liga bei Heidenheim. Nicolás kam von der TSG Hoffenheim unter anderem zum VfB Stuttgart II und zum 1.FC Kaiserlautern und ist heute bei Verl in der dritten Liga. Auch Dominic hätte Fußballprofi werden können. Er entschied sich mit 21 aber dagegen, in die Regionalliga zu gehen und alles auf eine Karte zu setzen. Er ging lieber den Weg des Vaters, machte eine Ausbildung zum Außenhandelskaufmann und spielte unter anderem in der Oberliga beim SSV Reutlingen. Aktuell ist er vereinslos, weil er für ein Jahr auf Weltreise war. Auf dieser Reise konnte er die Spiele er Albiceleste aus ganz besonderen Perspektiven sehen. In Buenos Aires, im Flugzeug und für die K.O.-Phase beim Public Viewing in Fellbach.

Wie Argentinien nach Fellbach kam
Das Public Viewing hat Vater Marcelo in der Soccerhalle eingeführt - zur WM 2014. Ausgerechnet das Turnier, bei dem Deutschland gegen Argentinien den Titel holte. Zum Endspiel gab es in Fellbach zwei Fußballplätze mit Leinwand: Einen für die Argentinier und einen für die Deutschen. Hitzig wurde es aber nicht. „Wir feiern friedlich“, verspricht der Deutsch-Argentinier Dominic. Seitdem hat sich das Public Viewing in der argentinischen Gemeinde etabliert. Zum Halbfinale kamen rund 250 Zuschauer. " Ich dachte, sowas gibt es hier nicht", sagt uns ein überraschter Argentinier, der erst kürzlich nach Deutschland gekommen ist: "Es ist wie in Argentinien". Für das Finale bauen die Sessas eine zweite Leinwand auf, sie rechnen am Sonntag mit 300 bis 400 Leuten.
Das Fußball-Museum der Sessas
Geguckt wird auf den Fußballplätzen, auf denen auch Vater Marcelo seit 16 Jahren jeden Montag mit Freunden kickt. Ein Stockwerk darüber versteckt sich neben den Umkleidekabinen und Duschen das „Museum“ der Familie Sessa. Hinter der unscheinbaren grauen Tür würde man eine Besenkammer vermuten, doch sie gibt einen Raum preis, der von oben bis unten voll ist mit Fußballtrikots. Marcelo Sessa hängt auf, was die Brüder über die Jahre beim Trikottausch mitgebracht haben. Außerdem sammelt er hier die Fotos von seinen Kindern und den Treffen mit der Albiceleste. Besonders stolz ist Sessa auf Fotos mit der zweiten Lichtgestalt der Argentinier – Diego Maradona. "Das ist fast mein Leben, was hier steht", beschreibt Marcelo Sessa sein Museum.
Führt Messi die Sessas zum Titel?
Und natürlich auch das Familienfoto beim ersten Länderspiel Messis, dem geistigen Nachfolger Maradonas, hat einen Ehrenplatz. Auf dem Bild sind die Brüder noch Kinder und selbst der inzwischen 35-Jährige "Fußballgott" wirkt jugendlich. Am Sonntag wird die Familie Sessa wieder zusammenkommen – zum vielleicht letzten Spiel von Messi für Argentinien. Nicolás wird extra aus Bielefeld bei Verl anreisen. Die Sessas und 400 Argentinier werden dann hoffen, dass Messi endgültig mit dem großen Maradona gleichzieht und ihnen den WM-Titel holt. Dann werden sie wieder die Arme wie zum Gebet erheben und skandieren: „Messi! Messi! Messi!“.