Unterwegs im Wald

Auf der Suche nach Winterpilzen in Baden-Württemberg

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AUTOR/IN
Simone Polier

Gerade in der Corona-Zeit haben viele Menschen ein großes Bedürfnis nach Natur. Auch im Winter kann man in baden-württembergischen Wäldern Faszinierendes finden, wie eine Suche nach Winterpilzen zeigt.

11 Uhr an einem kalten Sonntagmorgen in einem Wald bei Stuttgart Anfang Januar. Der Boden ist bedeckt mit Frost, alles sieht weiß aus. Eine Gruppe trifft sich an einer Grillhütte. Die 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben zwei Dinge gemeinsam: Sie wollen auch im Winter Zeit in der Natur verbringen und hoffen, dass sie Pilze finden werden. Denn das ist der Anlass: Winterpilze suchen.

Tourguide durch den winterlichen Wald ist die Pilzsachverständige Katharina Krieglsteiner von der Pilzschule Schwäbischer Wald. Eigentlich gibt es das ganze Jahr Pilze, sagt Krieglsteiner. Die meisten wüssten das nur nicht. Die Hauptsaison für Pilze ist allerdings im September und Oktober. Typische essbare Winterpilze sind laut Krieglsteiner Judasohr, Austernseitling oder Samtfußrübling.

Wer im Winter Pilze sammeln will und Beratung brauche, ob diese auch wirklich essbar seien, kann sich an Pilzsachverständige wenden, zu finden auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Mykologie. Die Experten beraten ehrenamtlich oder gegen eine kleine Spende, so Krieglsteiner.

Katharina Krieglsteiner zeigt einen Flaschenstäubling (Lycoperdon perlatum) (Foto: SWR)
Katharina Krieglsteiner zeigt einen Flaschenstäubling (Lycoperdon perlatum)

Im Laufe der Erkundungstour wird klar: Es gibt nicht nur rund 8.000 Pilze in Mitteleuropa - etwa Röhrenpilze, Lamellenpilze oder Schichtpilze. Pilze riechen mal nach Anis (Fenchelporling), mal schmecken sie eher nach nichts (Judasohr). Sie fühlen sich unterschiedlich an: Mal hart wie Kork, mal samtig, oder glitschig. Und sie haben echt lustige Namen: Striegeliger Schichtpilz oder Zwergknäueling.

Viele Pilze siedeln auf totem Holz

Katharina Krieglsteiner lässt die Gruppe immer wieder auf Suche ausschwärmen. Fast wie bei der Ostereiersuche hört man stolzes Rufen wenn wieder jemand etwas gefunden hat. Fündig werden viele auf, oder an alten Baumstämmen. So wachsen die meisten Winter-Pilze auf totem Holz oder Baumstämmen, so Krieglsteiner. Manche entweder ausschließlich auf Nadel- oder auf Laubbäumen. Manche sind noch wählerischer und siedeln nur auf ganz bestimmten Baumarten.

Auf einem dieser Baumstämme wächst ein bräunlich-grünlicher, fächerartiger Pilz. Schmetterlings-Tramete heißt er. Schön bunt sei der, sagt Krieglsteiner. Sie ergänzt, Mykologen hätten eine andere Vorstellung von Farbe und lacht. Ein "Mykologen-Rosa", sehe dann eben für andere braun aus. Die Schmetterlings-Tramete gilt als Vitalpilz und soll immunstimulierend sein.

Winterlicher Wald bei Stuttgart (Foto: SWR)
Winterlicher Wald bei Stuttgart

Ein essbarer Pilz gefunden

Ein Teilnehmer entdeckt etwas, an dem andere achtlos vorbeigelaufen sind: etwas Glibberiges an einem herumliegenden Ast. Es wird der einzige essbare Pilz sein, der heute gefunden wird. Ein Judasohr, ein Gallertpilz. Geteilt durch 15 wird die Gruppe hungrig nach Hause gehen, munkelt eine Teilnehmerin. Das Judasohr ist ein Gallertpilz - auch Mu-Err Pilz genannt - bekannt als glibberige Komponente aus chinesischem Essen. Der Pilz hat in seinen Zellen bestimmte Inhaltsstoffe die dafür sorgen, dass das Gefrieren im Winter nicht zum Platzen der Zellen führt. Ein typischer essbarer Winterpilz also, wie Krieglsteiner erklärt.

Eine Pilzwanderung im Winter (Foto: SWR)
Katharina Krieglsteiner bietet Pilzkurse für Anfänger an.

Die Ausbeute am nachmittäglichen Lagerfeuer ist in Sachen essbare Pilze tatsächlich mager - das angehäufte Wissen immens. So erfährt die Gruppe auch noch, dass man aus Pilzen viel mehr machen kann, als sie nur zu essen: Aus der Buckeltramete kann man Papier herstellen, wenn man sie püriert und den Brei auf einem Gitter trocknet. Mit dem Nadelholzbraunporling kann man Wolle goldgelb einfärben, mit dem Zimtfarbenen Weichporling lila und mit dem Samtfußkrempling grau. Aus Tintlingen kann man Schreibtinte herstellen und den Zunderschwamm, der auch als Vitalpilz gilt, kann man etwa zum Feueranzünden benutzen.

Und dann kommt der Magen in Sachen Pilzen doch noch irgendwie auf seine Kosten: Aus der Schmetterlingstramete wird auf dem Feuer ein Tee zubereitet. Schmeckt nach Pilz und macht vor allen Dingen warm - und das ist beides gut so.

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Simone Polier