Wie Deutschland spricht - das will das Berliner Leibniz-Zentrum für Sprachwissenschaft (ZAS) herausfinden. Laut Sprachforscherin Stefanie Jannedy vom ZAS sind zwar die Dialekte gut erforscht, mit detaillierten Karten was, wo, wie gesprochen wird oder zumindest wurde.
Mit der App "Plapper" wollen Forschende des ZAS nun auch sogenannte Soziolekte, also den Sprachgebrauch bestimmter sozialer Gruppen näher untersuchen. Gerade in den gesellschaftlichen Gruppen, die bisher schwer für derartige Erhebungen zu erreichen waren. Beispielsweise Menschen mit geringem Einkommen, vom Land und von Menschen mit Migrationshintergrund.
Es gibt einige Datenlücken zu schließen
Bisher fehlt es noch an soziodemografischen Erhebungen, um eine ganze Reihe von Fragen zu beantworten:
Wie sprechen innerhalb eines Dialektgebiets unterschiedliche soziale Gruppen? Wie ist es mit den Leuten, die einen Hochschulabschluss haben versus mit denen, die keinen haben? Wie ist es mit Männern, wie ist es mit Frauen? Wie ist es mit Jung, mit Alt? Mit heteronormativen versus nicht-heteronormativen Menschen? Wir wissen nichts darüber. Die Sprache hat sich grundlegend verändert und wir sind weiterhin in Veränderungsprozessen.
Diese Datenlücke wollen die Sprachforschenden nun füllen, indem sie die Datensammlung anders anlegen, ihr Netz weiter auswerfen und mehr unterschiedliche Menschen ansprechen. Denn bisher nehmen vor allem Studierende an solchen Sprachumfragen teil, das zeigt aber nur einen ganz bestimmten Ausschnitt unserer Gesellschaft.

Es braucht eine niedrigschwellige Möglichkeit
Doch wie klappt es, Menschen anzusprechen, die sonst nie oder nur äußerst selten an solchen sprachwissenschaftlichen Studien teilnehmen? Am besten, indem man eine niedrigschwellige Möglichkeit schafft, bei der jede und jeder privat und am eigenen Mobiltelefon mitmachen kann, erklärt Stefanie Jannedy:
Wir wollten eine App machen, um möglichst viele Menschen in Gegenden zu erreichen, die wir nie erreichen würden. Wir haben uns überlegt, dass es möglich ist, in die Haushalte hineinzugehen, ohne dass wir selber immer vor Ort sein müssen, sondern das kann jeder für sich selbst machen, der Enkel mit dem Opa, die Oma mit der Nichte oder wie auch immer. Da ist ganz viel möglich.
Gerade die Menschen, die sonst nie an Studien teilnehmen und somit komplett unterrepräsentiert sind, interessieren die Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Die oft zu Schüchternen, diejenigen, die Schicht arbeiten oder zu Hause Kinder und alternde Eltern zu versorgen haben und alle, die sonst keine Zeit haben. Deren Sprache ist bisher nicht dokumentiert.
Die App "Plapper" soll möglichst viele Gruppen erreichen
Da soll die Sprachforschungsapp "Plapper" helfen - und im Idealfall von allen Bevölkerungsgruppen und Schichten genutzt werden, um eine möglichst breite Datenbasis zu bekommen. Jannedy betont, gerade bildungsferne Schichten anzusprechen, stelle für Sprachforschende bisher eine echte Herausforderung dar:
Was wir häufig hören: Ich möchte da nicht mitmachen. Ich kann nicht so gut sprechen. Ich kann nicht so gut lesen. Meine Sprache ist nicht so gebildet. Schöner wäre es, wenn jeder sagt: Ich reiße mich rum, ich würde da gerne meine Stimme gehört haben. Also mache ich da mit, auch ich bin wichtig. Und ich glaube, dieses Selbstverständnis, das haben wir noch nicht.

Die Daten in der App werden anonym erhoben
Die Phonetikerin setzt darauf, dass durch die App "Plapper", die kostenlos in allen gängigen Playstores und für alle Mobiltelefone heruntergeladen werden kann, mehr Menschen mitmachen. Die Bedienung ist einfach: Zunächst fragt die App anonym nach Alter, Geschlecht und einigen freiwilligen Angaben zur Soziodemographie.
Dann zeigt die App Sätze, die man vorlesen und durch Druck auf einen Button in der App aufnehmen kann - in der ganz eigenen Sprache und Sprechweise. Studienleiterin Stefanie Jannedy ruft dazu auf, dass jeder, der helfen möchte, die Datenlücken zu schließen, mehr als aufgefordert und eingeladen ist.