Person auf Sofa hebt Beine, damit darunter gesaugt werden kann (Foto: Colourbox)

Erfindungen

Staubsauger-Patent wird 120 Jahre alt

Stand
AUTOR/IN
Heiner Wember
ONLINEFASSUNG
David Beck
Bild von David Beck, Reporter und Redakteur SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Impuls. (Foto: SWR, Ilyas Buss)

Früher war alles besser? Nicht unbedingt. Stellen Sie sich mal ein Leben ohne Staubsauger vor. Das gab es tatsächlich! Bis vor 120 Jahren. Dann stellte Hubert Cecil Booth in England sein Patent für einen Staubsauggerät vor.

Um 1900 war die Welt voller Dreck. In einer Beschreibung dieser Zeit heißt es:

"In den Städten besteht der Staub namentlich aus zerriebenen Hafersegmenten des Pferdemistes."

Dieser Dreck gelangte auch in die überfüllten Eisenbahnen – ein riesiges Reinigungsproblem – und mit dem Staub verteilten sich Krankheitserreger – ein riesiges Gesundheitsproblem.

Die geschäftige Fleet Street in London um 1900 (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture-alliance / IMAGNO/Austrian Archives | Anonym)
Die Fleet Street in London um 1900. Durch die Industrialisierung und die Bevölkerungsexplosionen in den Städten wurde es vor allem dort sehr staubig. Ruß aus Dampfmaschinen und trockener Pferdemist setzten sich überall ab und wurden zu einem gewaltigen Reinigungs- und Gesundheitsproblem.

Hubert Cecil Booth wollte saugen statt blasen

Der junge englische Brückenbauingenieur Hubert Cecil Booth saß im Publikum, als eine britische Eisenbahngesellschaft ihre Lösung präsentierte: Mit einer Art Laubbläser sollte der Staub aus den Waggons geblasen werden. Allerdings wurde der Staub so erst so richtig aufgewirbelt.

Booth drehte die Idee um: saugen statt blasen. Sein Selbstversuch per Mund an einem Kissen soll wenig angenehm gewesen sein. Erst als er ein Taschentuch dazwischen hielt, fiel bei ihm der Groschen: Saugen durch einen Filter.

Durch ein Taschentuch am Teppich saugen – so überzeugte Booth seinen Geschäftspartner

Er führte das Prinzip seinem Geschäftspartner auf einem Teppich vor. Dafür breitete er ein weißes Taschentuch aus, kniete sich davor und saugte für ein paar Sekunden durch das Taschentuch. Auf der Seite, die auf dem Teppich lag, war ein schmutziger Staubabdruck.

Am 30. August 1901 meldete Booth sein Patent an und legte los. Das erste Gerät wurde von einem 5 PS-Motor angetrieben und hieß "Puffing Billy". Allerdings war Billy noch weit von dem entfernt, was wir heute unter einem Staubsauger verstehen: Das Saugermonstrum war so groß wie eine Kutsche und wurde auch von Pferden gezogen. Vier lange Schläuche reichten in die Häuser gut betuchter Londoner und saugten den Dreck dieser Oberschicht ab.

Staubsaugen – zunächst nur was für die Oberschicht

1905 leisteten sich schon 7.000 Londoner Haushalte den "Spring Cleaning Service", den Frühjahresputz-Service, der British Vacuum Cleaner Company. Damit auch Passanten etwas zu sehen bekamen, waren die Röhren zum Teil aus Glas. So konnte der Dreck der oberen Zehntausend belästert werden. Der Staubsauger-Service war aber noch nichts für die unteren Millionen – die klopften weiter Teppiche, wischten und fegten.

House of Lords wird gesaugt, ca. 1909 (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / Mary Evans Picture Library | -)
Zunächst konnten es sich nur die reichsten Londoner leisten einen Staubsaugerservice zu engagieren. Auch der königliche Haushalt oder, wie hier ca. 1909, das House of Lords wurden gesaugt.

Die erste Kleinausgabe des Staubsaugers kam aus den USA, erfunden von dem asthmatischen Hausmeister James Murray Spangler. Sein Trick: Statt eines riesigen Benzinmotors nutzte er einen kompakten Elektromotor als Antrieb. Spangler verkaufte das Patent 1907 an seinen Cousin William Henry Hoover. Hoover begründete damit ein Staubsauger-Imperium so groß, dass sein Name synonym mit Staubsaugern wurde: to hoover heißt im Englischen heute noch staubsaugen.

AEG setzte auf Vertreter

In Deutschland kam in der Weimarer Republik die AEG mit Staubsaugern groß heraus. Dafür setzten sie auch auf Vertreter, die die Geräte zu Hause vorführten. So wuchs die Kaufbereitschaft.

Lebensgroße Loriot-Figur sitzt auf Parkbank in den Wallanlagen am Loriotplatz in Bremen (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / Robert B. Fishman, ecomedia | Robert B. Fishman)
Selbst Loriot widmete sich den Staubsaugervertretern: In der Loriot-Folge "Weihnachten bei den Hoppenstedts" dichteten sich Vertreter Jürgens und eine angetrunkene Lieselotte Hoppenstedt ins gemeinschaftliche Gedächtnis der Bundesrepublik: "Es saugt und bläst der Heinzelmann..." - "...wo Mutti sonst nur blasen kann."

Einen konnte die AEG aber nicht überzeugen: Adolf Hitler. Der Führer wollte, dass deutsche Frauen wieder wischen sollten. Allerdings hatte er dafür wohl ander Beweggründe als reines Misstrauen in das Gerät an sich: Staubsauger-Hersteller mussten im Nationalsozialismus ihre Produktion auf Minenteile und Bomben umstellen.

Die Zukunft des Staubsaugers: beutellose Akkusauger und Roboter

Der Nachkriegs-Staubsaugermarkt entwickelte sich zunächst langsam. Die Sauger wurden zwar leichter und bekamen Mikrofilter, dass weniger Staub aufgewirbelt wird, aber die großen Innovationen kamen erst im neuen Jahrtausend: kabel- und beutellose Akkusauger und Staubsaugroboter finden immer mehr Einzug in Haushalte. Mit dem von Pferden gezogenen Puffing Billy haben sie optisch zwar nicht mehr viel gemein, aber ohne den Einen würde es die Anderen heute nicht geben.

Stand
AUTOR/IN
Heiner Wember
ONLINEFASSUNG
David Beck
Bild von David Beck, Reporter und Redakteur SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Impuls. (Foto: SWR, Ilyas Buss)