Saarland

Das Rätsel vom Dollberg

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Die Verbindung zwischen eisernen Eiern und einem keltischen Ringwall

Der Dollberg bei Otzenhausen ist vor etwa 2.100 Jahren Schauplatz einer Großbaustelle: Im weiten Umkreis wird der Wald gerodet und die Baumstämme zu einem 2,5 Kilometer langen Ringgerüst um den ganzen Bergrücken verbaut. Wagenladungen mit Bruchsteinen werden den Berg hinaufbefördert und in das Holzgerüst eingepasst. Ein 25 Meter hoher und breiter Ringwall entsteht. Er soll das Oppidum oder Siedlung der keltischen Treverer, die auf dem Dollberg seit mehreren Generationen leben, schützen. Um die Konstruktion aus Holz und Steinen, einen sogenannten Murus gallicus, zu stabilisieren, werden tausende ellenlange Eisennägel in die Stämme geschlagen. Doch woher stammte das ganze Eisen?

Wall aus Steinen (Foto: SWR, SWR -)
Immer noch beeindruckend: der mehr als 2.100 Jahre alte Keltenwall von Otzenhausen

Vor 250 bis 280 Millionen Jahren erstreckt sich von Bad Kreuznach bis Lebach der sogenannte Rümmelbach-Humberg-See, der etwa dreimal so groß ist wie der Bodensee. Und in dem das Leben blüht. Unzählige Fische, Amphibien, Reptilien und Pflanzen erzeugen – durch Ausscheidungen und Absterben – große Mengen organischen Materials, das auf den Seegrund sinkt und unter Luftabschluss zu faulen beginnt. Bestimmte Fäulnisbakterien, die die Pflanzen- und Tierteile zersetzen, scheiden Schwefelwasserstoff aus. In Verbindung mit dem Seewasser wird daraus Schwefelsäure (H₂SO₄). Das Wasser des Sees beinhaltet unter anderem sehr viel Eisenhydrogencarbonat (Fe(HCO₃)₂), das durch kohlensäurehaltiges Wasser aus eisenhaltigem Gestein gelöst und von zahlreichen Zuflüssen in den See gespült wird. Rund um die faulenden Pflanzen- und Tierteile am Seegrund reagiert die Schwefelsäure mit dem Eisenhydrogenkarbonat, sodass sich eine feste Eisencarbonat-Kruste ablagert, die ständig weiter wächst, bis sich daraus Kugeln bilden.

So entsteht auf dem Seegrund eine 150 Meter mächtige Schicht aus den Kugeln und anderen See-Sedimenten. Im Laufe von Millionen von Jahren verwandeln Druck und Hitze sie zu einer 30 Meter mächtigen grauen Schieferschicht. Dabei werden die Eisenkarbonat-Kugeln zu diskusförmigen Eiern zusammengepresst – den Lebacher Eiern.

Auf der Suche nach rostigen Eiern

Die Schmiede der Treverer wissen genau, woran sie gutes Eisenerz erkennen können. Denn die rotbraunen Verfärbungen auf eisenhaltigen Gesteinen – sogenannter Goethit – sind nichts anderes als Rost und damit ein nützlicher Hinweis auf die Existenz lohnenswerter Erzlagerstätten. Das gilt auch für die rotbraune Rinde der Lebacher Eier, die die Treverer an zahlreichen Stellen im Umkreis weniger Kilometer finden. Das Innere der Eier besteht aus kristallinem Eisenspat – auch Sphärosiderit genannt – mit bis zu 50 Prozent Eisenanteil. Die oberflächennahen Schichten werden im Tagebau ohne aufwendige Bergbautechnik gefördert.

Aus Fels, Frost und Feuer

Vermutlich stapeln die Treverer die Eier ab dem Herbst im Freien, damit der Frost das Gestein sprengt. Im Frühjahr wird der Eisenspat zerkleinert und in flachen Gruben geröstet. Das so gewonnene Eisenoxid kann weiter gemahlen und schließlich in einem Rennofen bei 1.100 – 1.350 Grad Celsius zu schmiedbarem Eisen verhüttet werden. Das Klingen der Schmiedehammer zahlreicher kleiner Nagelschmieden muss wohl im ganzen Umkreis zu hören gewesen sein. Der Ringwall von Otzenhausen wird zu einer mächtigen Befestigungsanlage, die allen Angriffen trotzt. Die Lebacher Eier werden noch bis ins 19. Jahrhundert abgebaut. Die Namen der Ortschaften um den Dollberg – Mariahütten, Neuhütten und Eisen – verdeutlichen noch heute, wie grundlegend die Eisengewinnung für die Region war.

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SWR