Wissenschaftler*innen sehen Solar-Engineering eher kritisch. (Foto: IMAGO, imago images/agrarmotive)

Pläne gegen Erderwärmung

Fachleute warnen vor „Solar Geoengineering“

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AUTOR/IN
Susanne Henn
ONLINEFASSUNG
Ralf Kölbel

Mit technischen Methoden der Erderwärmung entgegenwirken? Klingt verlockend. Doch Wissenschaftler warnen: Das sogenannte Solar-Geoengineering könnte das Wetter auf der Erde komplett verändern.

Unter Geo-Engineering versteht man grob gesagt, technische Verfahren, mit denen man das Klima so verändern kann, dass der Klimawandel gestoppt wird. Und zwar OHNE dass man an der eigentlichen Ursache, also der Verbrennung fossiler Energieträger, Kohle, Gas und Öl, etwas ändert.

Kohlendioxid könnte in geologischen Speichern eingelagert werden

Beim Geoengineering gibt es zwei Richtungen: Die eine zielt darauf ab, das CO2 wieder aus der Atmosphäre zu entnehmen, und dann im Ozean oder in geologischen Speichern, etwa in ausgebeuteten Öl- und Gasfeldern, zu lagern. Das ist eine Idee, die auch Ex-US-Präsident Donald Trump ganz toll findet, die aber den Haken hat, dass es diese Techniken zur CO2-Entfernung einfach noch nicht gibt und dass auch unklar ist, ob sich das CO2 wirklich so problemlos lagern lässt, ohne die Atmosphäre zu belasten.

Ventile eines CO2-Speichertanks des Deutschen Geoforschungszentrums GFZ in Ketzin (Foto: IMAGO, Imago Bernhard Classen)
Einee Möglichkeit zur Reduzierung der Erderwärmung könnte sein, CO2 einzulagern. Doch das ist ein sehr großer Aufwand.

Raketen mit Schwefel sollen Sonnenschirmeffekt erzeugen

Bei der zweiten Methode, dem Solar-Geoengineering geht es darum, künstlich die Intensität der Sonneneinstrahlung und damit die Erderwärmung zu reduzieren – mit so einer Art Sonnenschirm. Die Idee stammt von Paul von Crutzen, Chemie-Nobelpreisträger von 1995. Der hat mal ausgerechnet, dass man jedes Jahr viele Raketen mit Schwefel ins All schießen könnte, den Schwefel dort verbrennen und dass der dadurch entstandene Dreck in der Stratosphäre dann das Sonnenlicht zurück ins Weltall reflektieren würde. Daher käme der Sonnenschirmeffekt.

Raketen sollen Schwefel in die Atmosphäre schießen  (Foto: IMAGO, imago/Xinhua)
Mittels Raketen Schwefel in die Atmosphäre zu schießen - das ist die Idee mancher Wissenschaftler*innen oder auch von selbsternannten Weltenrettern. Doch das könnte gravierende, unabsehbare Auswirkungen auf das globale Kliam haben.

Experten befürchten gravierende Auswirkungen auf das Klima

Dass das im Prinzip funktioniert, weiß man von größeren Vulkanausbrüchen. Und es klingt so, als könne man das Problem des Klimawandels relativ einfach lösen, ohne dass wir unseren Lebensstil groß verändern müssten. Dennoch warnen mehr als 60 Wissenschaftler, darunter der Präsident des Umweltbundesamtes, Messner: Auch wenn die Methode funktionieren könnte, hätte sie doch Folgen, die man noch nicht wirklich abschätzen kann.

Zu viel Schwefeldioxid in der Atmosphäre hat erhebliche Auswirkungen auf das Klima. Man kann etwa nicht mehr zuverlässig vorhersagen, wo es regnet oder nicht. Das kann sich komplett verändern - mit fatalen Folgen. So warnen die Wissenschaftler etwa davor, dass die Monsunregefälle in Westafrika oder auch in Südasien komplett wegfallen könnten und damit die Grundlage für die Landwirtschaft. Und andere Landstriche könnten dann viel zu viel Wasser abkriegen.

Solar-Engineering könnte auch unerwünschte Nebeneffekte wie z.B. Dürre oder andere Wetterextreme hervorrufen. (Foto: IMAGO, imago images/Andreas Gora)
Solar-Engineering könnte auch unerwünschte Nebeneffekte wie z.B. Dürre oder andere Wetterextreme hervorrufen.

Auch Vulkanausbrüche beeinflussen Klima auf der Erde

So etwas Ähnliches gab es schon mal, nämlich im Jahr 1815. Da verdunkelte der sehr heftige Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien die Sonne derart, dass im Jahr drauf so ziemlich die komplette Ernte in Europa und Nordamerika ausfiel, weil es viel zu kalt und nass war. Oder ein jüngeres Beispiel: Partikel des 1991 ausgebrochenen Vulkans Pinatubo auf den Philippinen senkten die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Erde für mehr als ein Jahr. Und solche Effekte, so die Warnungen, ließen sich dann nur schwer steuern.

Dazu kommt: Wenn man ein Mal damit anfängt, müsste man diese Schwefel-Rakten regelmäßig abschießen. Wenn man aufhört – so die Wissenschaftler – würde die Oberflächentemperatur vermutlich sehr schnell ansteigen, der Treibhauseffekt wäre umso heftiger.

Auch bei Vulkanausbrüchen - wie hier auf der Kanareninsel La Palma - werden Asche und Schwefelgase in die Atmosphäre geschleudert. (Foto: IMAGO, imago images/Future Image)
Auch bei Vulkanausbrüchen - wie hier auf der Kanareninsel La Palma - werden Asche und Schwefelgase in die Atmosphäre geschleudert.

Solar Engineering setzt nicht bei den Ursachen der Erderwärmung an

Außerdem würde "Solar Engineering" nichts gegen die anhaltende Anreicherung von Treibhausgasen wie CO2 in der Atmosphäre ausrichten. Und: Solche schnellen technischen Lösungen könnten dazu führen, dass Regierungen, Unternehmen und Gesellschaften künftig davon eher abhalten könnten, wirklich nachhaltig zu wirtschaften und die Dekarbonisierung oder Kohlenstoffneutralität zu erreichen.

Bislang gibt es kein System, das Geoengineering-Programme überwachen könnte. Theoretisch wäre es möglich, dass ein Land oder sogar ein einzelner Milliardär mit Raketentechnologie ein solches Projekt im Alleingang startet. In einem offenen Brief wird deshalb ein internationales Abkommen über den Verzicht auf solche Projekte gefordert. Die Finanzierung solcher Geoengineering-Experimente sollte nach Meinung der Unterzeichnenden verboten werden. Auch sollten keine Patente für solche Technologien erteilt werden.

Wissenschaftler*innen sehen Solar-Engineering eher kritisch. (Foto: IMAGO, imago images/McPHOTO)
Wissenschaftler*innen sehen Solar-Engineering eher kritisch.
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Ralf Kölbel