Illustration eines verstopften Blutgefäßes

Tag des Schlaganfalls am 28.10.23

Katheter hilft erfolgreich gegen Schlaganfälle

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Stefan Troendle
Stefan Troendle, Reporter und Redakteur bei SWR Wissen aktuell und SWR2 Impuls.
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Leila Boucheligua

Das Vorbild ist die Arbeit eines Klempners bei blockierten Abflussrohren: Wenn ein Blutgefäß verstopft ist, den Gefäßverschluss einfach rausziehen oder absaugen – das geht seit ein paar Jahren minimalinvasiv per Katheter. Eine neue Studie, an der die Uniklinik Heidelberg beteiligt war, zeigt: Die Erfolge dieser Behandlung von Schlaganfall-Patienten sind enorm.

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20% weniger Tote oder Pflegefälle – dafür sorgen Thrombektomien, also das Entfernen von Blutgerinnseln. Das Katheterverfahren bei der Behandlung von Schlaganfällen ist noch nicht sehr verbreitet, auch weil dafür hochspezialisierte Fachkräfte nötig sind. Doch laut Professor Martin Bendszus, Neuroradiologe am Uniklinikum in Heidelberg, ist es eine der größten Errungenschaften der Medizin in den letzten Jahren:

Patienten mit einem schweren Schlaganfall können extrem davon profitieren. Sie kommen schwer betroffen mit einer Lähmung der Gegenseite oder mit Sprachstörungen in die Klinik und sind nach der Behandlung unter Umständen wie vorher.

Auch in dünnen Gefäßen können Blockaden heute entfernt werden

Noch vor acht Jahren hätten viele solcher Patienten nicht überlebt oder wären ihr restliches Leben lang schwerst behindert gewesen, sagt Bendszus. Das ist heute anders: Zunächst wird mittels Kontrastmitteln klargestellt, dass es sich tatsächlich um einen Gefässverschluss handelt.

Dann wird unter Kontrolle von Röntgenstrahlen ein langer und sehr dünner Katheter von der Leiste aus bis zur Gefäßblockade in das Gehirn geschoben, um diese Verschlüsse zu lösen, indem sie entweder herausgezogen oder mechanisch herausgesaugt werden, erklärt der Mediziner.

Das ging anfangs nur bei großen Gefäßen, inzwischen funktioniert die Methode aber sogar schon bei Verschlüssen in Arterien, die nur noch einen Durchmesser von 2 bis 3 Millimeter haben – und zwar enorm erfolgreich, sagt Martin Bendszus:  

Wie viele Patienten muss ich behandeln, um einem Patienten zu helfen? Das sind bei uns zwei bis drei. In der Medizin eine unschlagbare Größe. Bei der Behandlung von Herzinfarkten ist es ein Bereich von 15 bis 17 Patienten, von denen einem geholfen werden kann. Das heißt, wir haben ein unglaublich effektives Verfahren. 

Lösung des Verschlusses durch Medikamente wirkt nicht immer

Das Katherverfahren ist eine Alternative zur sogenannten Lyse, der ursprünglichen Standardtherapie: Bei der wird versucht, den Thrombus durch die Gabe bestimmter Medikamente aufzulösen. Allerdings ist diese Methode bei großen Verschlüssen oft wirkungslos.

Krankenwagen mit der Aufschrift "Schlaganfall Notfall 112"
Bei einem Schlaganfall muss schnell gehandelt werden, besonders bei einer medikamentösen Behandlung des Gefäßverschlusses. Die Kathetermethode kann noch bis zu 24 Stunden später erfolgreich durchgeführt werden.

Martin Bendszus ist auch der klinische Leiter der Internationalen Tension-Studie, die von der EU gefördert und an 40 Schlaganfallzentren in neun Ländern durchgeführt wurde. Bisher wurden hierbei 235 Fälle dokumentiert:  

Ich kann konkret sagen, dass zum Beispiel die Rate der Todesfälle um mehr als zehn Prozent geringer war – und das Wichtigste ist: Wir produzieren jetzt keine Schwerstbehinderten. Unser Messzeitpunkt ist immer nach drei Monaten. Da sehen wir, dass 20 bis 30 Prozent mehr der Betroffenen, ein unabhängiges Leben oder ein Leben mit Unterstützung führen können. 

Bisher gibt es das Verfahren nur in Spezialkliniken

Bei einem Schlaganfall spielt die Zeit eine Rolle, so muss beispielsweise die Gabe von Medikamenten sehr schnell erfolgen. Die Katheterbehandlung aber kann noch bis zu 24 Stunden später erfolgen  – auch wenn das in Deutschland fast nie der Fall ist. Das ist der einzige Nachteil des Verfahrens: Es ist noch recht neu und daher noch nicht flächendeckend verbreitet.

Das Katheterverfahren ist nur in spezialisierten Kliniken möglich, aber es gibt viele Versuche, wie wir das verbessern können. Zum Beispiel in Heidelberg, da haben wir ein großes Netzwerk, um mit den Ärzten, die das können in benachbarte Kliniken zu fahren und dort den Eingriff durchzuführen, um Zeit zu sparen.  

So sind in bestimmten Fällen die Spezialteams aus Heidelberg von Pforzheim bis Frankfurt unterwegs.  

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