Kommt demnächst die "Abnehmpille"?

Medikament bei Diabetes und Übergewicht

Wann kommt die "Abnehmpille"?

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AUTOR/IN
Katharina Ditschke
Portraitbild der Reporterin  Katharina Ditschke.
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Lilly Zerbst

In den letzten Monaten hat ein Diabetes-Medikament Schlagzeilen gemacht, weil es eine willkommene Nebenwirkung hatte: Gewichtsverlust. Der Nachteil: Das Mittel musste in der Regel gespritzt werden. Dieser „Abnehmspritze“ soll nun eine brandneue, noch effektivere „Abnehmpille“ folgen. Aber für wen eignet sich die?

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Typ-2-Diabetes kann tödlich enden

Rund neun Millionen Deutsche leiden an Typ-2-Diabetes. Sie haben ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle sowie dafür, Schäden an den Augen, Nerven und Nieren zu erleiden. Da spielt das Gewicht eine große Rolle. Eine Gewichtsabnahme von etwa zehn Kilogramm kann bereits helfen, so der Diabetologe Michael Nauck von der Ruhruniversität Bochum.

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Gestörte Insulinproduktion bei Diabetikern

In der Medikamentenforschung gegen Diabetes dreht sich seit einigen Jahren vieles um das körpereigene Darmhormon GLP-1. Dieses sorgt normalerweise dafür, dass der Körper Insulin ausschüttet, wenn wir Kohlehydrate essen. Wegen des Mangels an GLP-1 funktioniert dieser Vorgang bei Typ-2-Diabetikern nicht mehr richtig.

Diabetes-Medikament hilft beim Abnehmen

In den letzten fünf Jahren ist mit Semaglutid ein Wirkstoff auf den Markt gekommen, der unter anderem die Blutzuckerkontrolle verbessern kann. Es handelt sich um einen Eiweißkörper, auch Peptid genannt.

Nebenwirkungen sind verminderter Appetit und Hunger. Das führte ganz nebenbei zu beträchtlichen Gewichtsabnahmen der Patienten. Sie verloren nach etwas mehr als einem Jahr fast 15 Prozent ihres Körpergewichts – inklusive einer Anpassung ihres Lebensstils.

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Deshalb wurde Semaglutid auch für Menschen freigegeben, die krankhaft übergewichtig sind. Das sind Personen mit einem Body-Mass-Index von mehr als 30 oder von über 27 mit Begleiterkrankungen.

Neue Diabetiker-Pille kommt besser im Blut an

Semaglutid muss in der Regel gespritzt werden, weil es in Tablettenform kaum im Blut ankommt. Als Tablette müsste es dementsprechend hoch dosiert werden.

Und genau dort setzen Forschende nun an. Sie haben eine Tablette entwickelt, die circa dreißig bis vierzig Mal höher konzentriert im Blut ankommt als Semaglutid in Tablettenform.

Im Gegensatz zu Semaglutid handelt es sich bei Orfoglipron um ein nicht-Peptid. Diese nicht-Peptide sind kleine Moleküle, die auch als Pille besser vom Körper aufgenommen werden. Damit ist die Dosis besser berechenbar und es ist weniger Wirkstoff nötig. Aktuellen Erkenntnissen zufolge wirkt das Mittel noch effektiver und führt zu einem höheren Gewichtsverlust.

Keine Wirkung ohne Nebenwirkung

Aber´ die Abnehmpille zeigt auch Nebenwirkungen, vor allem zu Beginn der Therapie. Diese umfassen – ähnlich wie bei der Abnehmspritze – beispielsweise Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, so Nauck. Sie treten typischerweise bei der ersten Dosis oder einer späteren Erhöhung der Dosis auf. Der Körper kann sich aber im Laufe der Behandlung an das Medikament gewöhnen.

Bis zur Zulassung könnte es noch Jahre dauern

An der optimalen Dosierung des Wirkstoffs Orfoglipron arbeiten die Forschenden noch. Sie haben die zweite Studienphase abgeschlossen. Die Datenlage sei vielversprechend, so Nauck. Die Studien gehen nun in die letzte Phase mit deutlich größeren Patientenzahlen.

Bis zur Zulassung des Medikamentes kann es aber noch dauern. Michael Nauck rechnet dabei mit einer Dauer von etwa drei Jahren. Eine Abnehmhilfe für alle biete aber auch Orfoglipron nicht, so Nauck. Auch wenn das Präparat in Tablettenform vermutlich weniger kosten wird, ein Lifestyle-Medikament wird es nicht. Es ist und wird geregelt, wer das Mittel auf Rezept bekommt: Typ-2-Diabetiker und adipöse Menschen.