Wenn bei OPs Frauen beteiligt sind, verringert das mögliche Komplikationen bei Operationen an Frauen. (Foto: IMAGO,  imago images/Westend61)

Gendermedizin

Männliche Ärzte operieren Frauen: Mehr Komplikationen

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Lisa Schmierer

Werden Frauen von einem reinen Männer-Team operiert, sind Komplikationen nach der OP bis zu 15 Prozent wahrscheinlicher. Das ändert sich, wenn mindestens eine Frau am OP-Tisch steht, zeigt eine kanadische Studie.

Die Studie aus Kanada ist nicht die erste, die zum Schluss kommt: Behandelt ein Arzt eine Frau, sind die gesundheitlichen Risiken für die Patientin teilweise messbar höher als bei einer Behandlung durch eine Ärztin.

Das kanadische Forscherteam analysierte für seine Studie ärztliche Behandlungen in einem Zeitraum von zwölf Jahren und kam dabei zu dem Schluss: Die Wahrscheinlichkeit für postoperative Komplikationen ist für Frauen bis zu 15 Prozent höher, wenn sie von einem Mann behandelt werden. Das Risiko, zu sterben, ist den Ergebnissen zufolge sieben Prozent höher.

Kein Negativeffekt bei Männern

Das Gegenteil ist laut Studie nicht der Fall: Wird ein Mann von einer Ärztin behandelt, hat dies keinen negativen Effekt auf seine Gesundheit im Vergleich zu einer Behandlung durch einen Arzt.

Arzt berät Patienten, der an Long Covid leidet (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Christophe Gateau)
Im Gegensatz zu Frauen, spielt bei Männern das Geschlecht des behandelnden Arztes laut Studie keine Rolle.

An der Qualifikation liegen diese Unterschiede laut Prof. Natascha Nüssler, Chirurgin und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie, allerdings nicht. Männer seien keineswegs schlechtere Chirurgen. Vielmehr würden weiche Faktoren eine Rolle spielen. Nüssler vermutet beispielsweise, dass Patientinnen sich gegenüber einem Arzt oft nicht trauen würden, zuzugeben, dass sie immer noch Schmerzen oder Beschwerden haben.

Unterschiede in der Schmerzbehandlung

Zudem hat eine weitere Studie festgestellt, dass von Frauen geäußerte Schmerzen womöglich weniger ernst genommen werden als die von männlichen Patienten. Klagen Patientinnen über Schmerzen, bekommen sie demnach häufiger Beruhigungs- anstatt Schmerzmittel im Vergleich zu männlichen Patienten.

Eine weiterer möglicher Faktor sei, dass männliche Ärzte die Beschwerden von Patientinnen falsch bewerten. So haben Frauen bei einem Herzinfarkt beispielsweise häufig keine Schmerzen in der Brust wie Männer, sondern Schmerzen im Bauch.

Frau liegt mit Bauchschmerzen im Hotelbett (Foto: Getty Images, Thinkstock -)
Im Gegensatz zu Männern, äußert sich ein Herzinfarkt bei Frauen seltener durch Schmerzen in der Brust, sondern durch Bauchschmerzen und Übelkeit

Ähnliche Ursachen vermutet Natascha Nüssler auch bei der kanadischen Studie.
Zwar geht Nüssler davon aus, dass die Unterschiede in Deutschland geringer ausfallen, da Patienten im Vergleich zu Kanada oder den USA hierzulande seltener von nur einem Arzt betreut werden, dennoch müsse man auch hier die Ergebnisse sehr ernst nehmen.

Mehr weibliche Vorbilder

Nüssler fordert deshalb mehr geschlechtlich gemischte Ärzteteams. Denn davon gebe es auch in Deutschland noch viel zu wenige. Nicht einmal jeder vierte Chirurg*in hierzulande ist weiblich.  Ein Grund für Nüssler sind fehlende Vorbilder.

„Vorbilder sind in meinen Augen etwas ganz Wichtiges. Man muss jemanden sehen, der eine Karriere gemacht hat, die man vielleicht auch anstrebt, um zu erkennen, okay, das könnte auch für mich etwas sein.“

Das Ziel müsse deshalb sein, die Chirurgie für angehende Ärztinnen attraktiver zu gestalten. Dazu gehöre auch, die Chirurginnen, die es bereits gibt, sichtbarer zu machen. Denn obwohl zum Beispiel der Frauenanteil in der Viszeralchirurgie (Operationen im Bauchbereich) bei knapp einem Drittel liegt, sind gerade einmal zehn Prozent der Führungskräfte in dieser Fachrichtung weiblich.  

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Lisa Schmierer