Logistik

So können Roboter Container ausladen

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AUTOR/IN
Günter Beyer
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Julia Otto

Aktuell stauen sich Frachter vor Südchina. Ein interaktives Robotiksystem zur Entleerung von Seecontainern (IRiS) kann in Zukunft zu einer effektiveren Entladung beitragen und somit Containerschiff-Stauungen verhindern.

Container sind millionenfach auf der ganzen Welt unterwegs. Was drin ist, kann man ihnen von außen nicht ansehen. Manchmal sind es sperrige Maschinenteile, die nur mit aufwändiger Verladetechnik maschinell in die Blechhülle des Containers gelangen. Manchmal sind es viele einzelne Pakete, die auch heute noch meist von Hand einzeln in den Container gelangen oder wieder heraus geholt werden.

Ein Containerschiff mit rund 400 Metern Länge erreicht den Hamburger Hafen. Ein solches Schiff zu entladen, ist eine logistische Herausforderung. (Foto: IMAGO, imago images/Chris Emil Janßen)
Ein Containerschiff mit rund 400 Metern Länge erreicht den Hamburger Hafen. Ein solches Schiff zu entladen, ist eine logistische Herausforderung.

Da diese Sendungen oft schwer sind, ist das ein Knochenjob für die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Logistik. Wissenschaftler*innen der Universität Bremen haben nun getüftelt, wie die manuelle Arbeit des Entladens durch den Einsatz von „Kollege Roboter“ leichter gemacht werden könnte. Am Bremer Institut für Produktion und Logistik wurde jetzt "IRiS", ein interaktives Robotiksystem zur Entleerung von Seecontainern entwickelt.

Wie funktioniert das Robotiksystem IRiS?

Ein bisschen sieht IRiS aus wie eine höhenverstellbare Rampe auf Rädern, an deren Spitze Aggregate mit pneumatischen Saugnäpfen angebracht sind. Mit dieser Vorrichtung werden die aus dem Container zu entladenen Pakete angesaugt, kurz festgehalten und aus dem Container gezogen. Über eine schiefe Ebene rollen sie zur weiteren Verarbeitung.

IRiS Saugnäpfe für die Pakete (Foto: Pressestelle, SWR, BIBA - Bremer Institut für Produktion und Logistik GmbH)
Mit pneumatischen Saugnäpfen saugt IRiS die zu entladenen Pakete aus dem Container an, hält sie kurz fest und zieht die Pakete aus dem Container.

Gegenüber von IRiS haben die Forschenden einen offenen Container simuliert, gefüllt mit lauter Paketen, die ordentlich übereinander gestapelt sind. Bis zu 1800 Einzelpakete fasst so ein handelsüblicher 40-Fuß-Container.

"Die Pakete sind bis zu 35 Kilo schwer. Wenn man das über diese 800 Pakete pro Stunde hochrechnet, kommen wir auf 54 Pkws pro Tag."

IRiS Entlade-Roboter (Foto: Pressestelle, SWR, BIBA - Bremer Institut für Produktion und Logistik GmbH)
In 95 Prozent der Fälle sind die einkommenden Pakete schön in Reihen gestapelt. Deshalb arbeitet IRiS zu 95 Prozent autonom, in den anderen 5 Prozent greift der Leitstand ein.

IRiS soll menschliche Arbeitskraft ersetzen

Ein stolzes Gewicht, das die Entlade-Arbeiter da zu bewältigen haben. Projektleiter Christoph Petzoldt, Industriepartner Bremer Lagerhaus Gesellschaft – kurz BLG, umreißt damit den Zweck von IRiS: Der Roboter soll menschliche Arbeitskraft ersetzen, die heute noch beim Entladen von Seecontainern anfällt. Bisher müssen zwei Arbeiter die teils schweren Pakete aus dem Container herausziehen und weiterleiten.

Beim Einsatz in der Entlade-Logistik böte IRiS entscheidende Vorteile: Entladedienstleister hätten das Probem, dass Arbeitskräfte nur sehr schwer zu finden seien, da es eine ergonomisch extrem anspruchsvolle Tätigkeit sei, erklärt Petzold. Darüber hinaus könne der Roboter kontinuierlich laufen, auch im Schichtdienst, 24 Stunden am Tag.

Der Entlade-Roboter arbeitet zu 95 Prozent autonom

IRiS ist nicht der erste Entlade-Roboter. Es gibt halbautomatisch arbeitende Systeme, die von einem Leitstand aus von Menschenhand gesteuert werden. Es gibt vollautomatisch arbeitende Roboter, die sich aber nicht bewährt haben. Das liegt daran, dass nur in 95 Prozent der Fälle die einkommenden Pakete so schön in Reihen gestapelt sind, sondern nach unruhiger Seereise manchmal wild durcheinander gewürfelt im Container liegen. Hochschullehrer Michael Freitag ist mit IRiS in eine Marktlücke gestoßen.

Freitag zufolge hätten sie etwas dazwischen entwickelt. In 95 Prozent der Fälle arbeite das System autonom und werde an einem Leitstand überwacht. In den fünf Prozent, wo das System nicht mehr mit der Situation klar komme, könne der Leitstand eingreifen. Dafür hätten sie einen so genannten "digitalen Zwilling" entwickelt, erklärt er weiter. Sie bilden sowohl den Roboter als auch den Container mit den Paketen digital ab. Im Leitstand könne diese Situation analysiert und manuell eingegriffen werden, um die letzen fünf Prozent, in denen das System nicht allein arbeiten könne, auch abzudecken.

Ist die oberste Reihe von Paketen entladen, also angesaugt und herausgezogen, senkt sich automatisch die Mechanik und steuert die nächste, darunter liegende Reihe an. IRiS kann ganze Reihen auf einmal entladen, während Arbeiter ein Paket nach dem anderen aus dem Container greifen und tragen müssen.

"Dadurch haben wir eine deutlich höhere Möglichkeit zur höheren Effizienz der Entladeleistung."

Entlade-Roboter (Foto: Pressestelle, SWR, BIBA - Bremer Institut für Produktion und Logistik GmbH)
IRiS kann ganze Reihen auf einmal entladen, während Arbeiter ein Paket nach dem anderen aus dem Container greifen – somit fallen Arbeitsplätze weg.

IRiS ist mit Mecanum-Rädern ausgestattet

Der Entlade-Roboter hat noch einen weiteren Vorteil: Er kann – anders als konkurrierende Systeme – relativ schnell an einen weiteren Einsatzort, wo weitere Container auf die Entladung warten, umgesetzt werden.

Das System sei mit Mecanum-Rädern ausgestattet. Diese Räder ermöglichten Petzold zufolge, dass das System vorwärts und rückwärts fahren könne, aber auch seitwärts, schräg und sonstige Situationen. Das habe zwei Vorteile: Zum einen könnten sie, durch das seitwärts hin- und herfahren im Container, das System sehr genau positionieren. Zum anderen könnten sie auch mehrere Tore bedienen. Sie könnten seitwärts zum nächsten Tor fahren und die entsprechenden Container entladen.

Die Vorgabe des Logistik-Dienstleisters BLG, 800 Pakete pro Stunde zu entladen, hat IRiS schon im Testbetrieb geschafft. Und bei sehr kleinen Paketen erwarteten sie sogar diese 800 Pakete zu toppen, so Hochschulleiter Michael Freitag.

Arbeitsplätze fallen weg

Alle Überlegungen werden übrigens mit dem Betriebsrat der Lagerhaus-Gesellschaft abgestimmt. Denn natürlich ist der Wegfall von Arbeitsplätzen, die Rationalisierung bei Entladevorgängen, immer ein Thema für die Arbeitnehmervertretung.

Das Geld für das Forschungsprojekt – 2,2 Millionen Euro – kommt vom Berliner Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Praxispartner wie die Lagerhausgesellschaft, die nach den Schluss-Tests IRiS übernehmen könnte, müssen 50 Prozent ihrer Kosten selbst aufbringen.

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