Container sind millionenfach auf der ganzen Welt unterwegs. Was drin ist, kann man ihnen von außen nicht ansehen. Manchmal sind es sperrige Maschinenteile, die nur mit aufwändiger Verladetechnik maschinell in die Blechhülle des Containers gelangen. Manchmal sind es viele einzelne Pakete, die auch heute noch meist von Hand einzeln in den Container gelangen oder wieder heraus geholt werden.
Da diese Sendungen oft schwer sind, ist das ein Knochenjob für die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Logistik. Wissenschaftler*innen der Universität Bremen haben nun getüftelt, wie die manuelle Arbeit des Entladens durch den Einsatz von „Kollege Roboter“ leichter gemacht werden könnte. Am Bremer Institut für Produktion und Logistik wurde jetzt "IRiS", ein interaktives Robotiksystem zur Entleerung von Seecontainern entwickelt.
Wie funktioniert das Robotiksystem IRiS?
Ein bisschen sieht IRiS aus wie eine höhenverstellbare Rampe auf Rädern, an deren Spitze Aggregate mit pneumatischen Saugnäpfen angebracht sind. Mit dieser Vorrichtung werden die aus dem Container zu entladenen Pakete angesaugt, kurz festgehalten und aus dem Container gezogen. Über eine schiefe Ebene rollen sie zur weiteren Verarbeitung.
Gegenüber von IRiS haben die Forschenden einen offenen Container simuliert, gefüllt mit lauter Paketen, die ordentlich übereinander gestapelt sind. Bis zu 1800 Einzelpakete fasst so ein handelsüblicher 40-Fuß-Container.
IRiS soll menschliche Arbeitskraft ersetzen
Ein stolzes Gewicht, das die Entlade-Arbeiter da zu bewältigen haben. Projektleiter Christoph Petzoldt, Industriepartner Bremer Lagerhaus Gesellschaft – kurz BLG, umreißt damit den Zweck von IRiS: Der Roboter soll menschliche Arbeitskraft ersetzen, die heute noch beim Entladen von Seecontainern anfällt. Bisher müssen zwei Arbeiter die teils schweren Pakete aus dem Container herausziehen und weiterleiten.
Beim Einsatz in der Entlade-Logistik böte IRiS entscheidende Vorteile: Entladedienstleister hätten das Probem, dass Arbeitskräfte nur sehr schwer zu finden seien, da es eine ergonomisch extrem anspruchsvolle Tätigkeit sei, erklärt Petzold. Darüber hinaus könne der Roboter kontinuierlich laufen, auch im Schichtdienst, 24 Stunden am Tag.
Der Entlade-Roboter arbeitet zu 95 Prozent autonom
IRiS ist nicht der erste Entlade-Roboter. Es gibt halbautomatisch arbeitende Systeme, die von einem Leitstand aus von Menschenhand gesteuert werden. Es gibt vollautomatisch arbeitende Roboter, die sich aber nicht bewährt haben. Das liegt daran, dass nur in 95 Prozent der Fälle die einkommenden Pakete so schön in Reihen gestapelt sind, sondern nach unruhiger Seereise manchmal wild durcheinander gewürfelt im Container liegen. Hochschullehrer Michael Freitag ist mit IRiS in eine Marktlücke gestoßen.
Freitag zufolge hätten sie etwas dazwischen entwickelt. In 95 Prozent der Fälle arbeite das System autonom und werde an einem Leitstand überwacht. In den fünf Prozent, wo das System nicht mehr mit der Situation klar komme, könne der Leitstand eingreifen. Dafür hätten sie einen so genannten "digitalen Zwilling" entwickelt, erklärt er weiter. Sie bilden sowohl den Roboter als auch den Container mit den Paketen digital ab. Im Leitstand könne diese Situation analysiert und manuell eingegriffen werden, um die letzen fünf Prozent, in denen das System nicht allein arbeiten könne, auch abzudecken.
Ist die oberste Reihe von Paketen entladen, also angesaugt und herausgezogen, senkt sich automatisch die Mechanik und steuert die nächste, darunter liegende Reihe an. IRiS kann ganze Reihen auf einmal entladen, während Arbeiter ein Paket nach dem anderen aus dem Container greifen und tragen müssen.
IRiS ist mit Mecanum-Rädern ausgestattet
Der Entlade-Roboter hat noch einen weiteren Vorteil: Er kann – anders als konkurrierende Systeme – relativ schnell an einen weiteren Einsatzort, wo weitere Container auf die Entladung warten, umgesetzt werden.
Das System sei mit Mecanum-Rädern ausgestattet. Diese Räder ermöglichten Petzold zufolge, dass das System vorwärts und rückwärts fahren könne, aber auch seitwärts, schräg und sonstige Situationen. Das habe zwei Vorteile: Zum einen könnten sie, durch das seitwärts hin- und herfahren im Container, das System sehr genau positionieren. Zum anderen könnten sie auch mehrere Tore bedienen. Sie könnten seitwärts zum nächsten Tor fahren und die entsprechenden Container entladen.
Die Vorgabe des Logistik-Dienstleisters BLG, 800 Pakete pro Stunde zu entladen, hat IRiS schon im Testbetrieb geschafft. Und bei sehr kleinen Paketen erwarteten sie sogar diese 800 Pakete zu toppen, so Hochschulleiter Michael Freitag.
Arbeitsplätze fallen weg
Alle Überlegungen werden übrigens mit dem Betriebsrat der Lagerhaus-Gesellschaft abgestimmt. Denn natürlich ist der Wegfall von Arbeitsplätzen, die Rationalisierung bei Entladevorgängen, immer ein Thema für die Arbeitnehmervertretung.
Das Geld für das Forschungsprojekt – 2,2 Millionen Euro – kommt vom Berliner Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Praxispartner wie die Lagerhausgesellschaft, die nach den Schluss-Tests IRiS übernehmen könnte, müssen 50 Prozent ihrer Kosten selbst aufbringen.