Neue Studie

Magersucht kann genetische Ursachen haben

Stand
INTERVIEW
Prof. Dr. Anke Hinney
ONLINEFASSUNG
M. Maibücher
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Anorexia nervosa, allgemein bekannt unter dem Begriff Magersucht, ist nach Angabe von US-Forschern die psychiatrische Erkrankung mit der höchsten Sterblichkeitsrate. Eine neue Studie zeigt nun, dass die Ursachen für Magersucht auch in den Genen liegen können.

Hungern bis zum Tod. Das klingt drastisch, ist jedoch keine Seltenheit bei Menschen, die an Magersucht erkrankt sind. Etwa ein Prozent der Weltbevölkerung sind von der Krankheit betroffen. Bislang wurden die Gründe für den Ausbruch der Magersucht ausschließlich in der Psyche der Erkrankten vermutet.

Eine internationale Studie, an der auch die Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen beteiligt war, verändert den wissenschaftlichen Blick auf die Krankheit. Bei der Auswertung der Daten von knapp 17.000 Patienten in 17 Ländern entdeckten die Forscher acht genetische Varianten, die eindeutig mit der Krankheit Magersucht assoziiert werden können.

Eine einzelne Erbse liegt auf einem Teller, daneben Besteck. (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de -)
Hungern bis zum Tod? Magersucht kann viele Ursachen haben, nicht nur psychische.

Komplexe Zusammenhänge

Können Menschen also nur magersüchtig werden, wenn sie die betreffenden genetischen Informationen in sich tragen? „Nein“, sagt Prof. Dr. Anke Hinney vom LVR-Klinikum Essen. Die Biologin verweist dabei auf die Komplexität der Erkrankung. Wir gehen von komplexen genetischen Mechanismen aus. Es müssen viele Gene beteiligt sein, damit die Störung ausbrechen kann.
Mit der Identifizierung der acht genetischen Varianten stehen die Wissenschaftler jetzt wieder am Anfang. Denn das genaue Zusammenspiel von genetischer Vorbelastung, psychischen Faktoren und Einflüssen aus der Umwelt müssen nun weiter erforscht werden. „Wir müssen jetzt die Biologie verstehen, die sich dahinter versteckt“, sagt Hinney.

Demnach sind weder die Gene noch die Psyche alleinige Faktoren für den Ausbrauch der Krankheit Magersucht. Nun gilt es, die Überlappungen der genetischen Ursachen für Anorexie mit anderen Merkmalen zu analysieren. Ein neuer Ansatz könnte hierbei der Blick auf den Stoffwechsel im Menschen sein.

Einflüsse auf den Stoffwechsel?

Eine Überlappung mit körperlicher Aktivität haben wir erwartet, da bekannt ist, dass Magersucht-Patientinnen häufig sehr hyperaktiv sind. Es gibt aber auch Überlappungen mit dem Metabolismus, also mit dem Glukosestoffwechsel oder mit dem Fettstoffwechsel. Das ist neu und das ist etwas, was man so erst mal nicht erwartet hatte, berichtet Hinney.

Um aus den ersten Erkenntnissen der Studie gleich Rückschlüsse auf mögliche Therapien zu ziehen, sei es noch zu früh, sagt Hinney. Und die Professorin fügt an: Es kann sein, dass dieser metabolische Effekt auch noch durch ganz andere Zusammenhänge erzeugt wird, die wir jetzt noch nicht so richtig verstanden haben.
Dafür ist weitere Forschung nötig. Aber eine Erkenntnis hat die Studie bereits geliefert: Magersucht kann deutlich mehr Ursachen haben als eine psychische Störung.

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Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)