Können wir den Klimawandel noch aufhalten? (Foto: IMAGO, IMAGO / Eckhard Stengel)

Reaktion auf Weltklimakonferenz COP 27

Brauchen wir Klimakonferenzen? - Mojib Latif fordert "Allianz der Willigen"

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INTERVIEW
Prof. Mojib Latif, Klimaforscher
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Jochen Steiner
Jochen Steiner, SWR2 Moderator (Foto: SWR, Oliver Reuther)
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Elisabeth Theodorpoulos

Fast 200 Staaten haben zwei Wochen lang darüber verhandelt, was getan werden müsste, um die Erderwärmung abzubremsen. Am Ende wurde ein Ausgleichsfonds für die vom Klimawandel betroffenen Länder beschlossen. Zu wenig?

Der Klimaforscher und Meteorologe Mojib Latif vom GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung in Kiel sagt, warum er solche Weltklimakonferenzen für wenig zielführend hält. Er schlägt stattdessen eine "Allianz der Willigen" vor, welche einen größeren, nachhaltigeren Beitrag zum Klimaschutz leisten könnte.

Hat die Klimakonferenz COP 27 etwas gebracht?

Mojib Latif: Nein, also für den Klimaschutz zumindest nicht. Sie hat etwas gebracht für einen Hilfsfonds, den die Industrieländer auffüllen sollen, damit die Entwicklungsländer Schäden begleichen können, unter dem Stichwort „loss and damage“. Aber für den Klimaschutz ist nichts bei rumgekommen. Man hat noch nicht mal geschafft, eine Erklärung abzugeben, dass man von den fossilen Brennstoffen Abschied nehmen will.

Demonstrierende zu der Klimakonferenz COP27 in Ägypten. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance / TT NYHETSBYR?N | Henrik Montgomery/TT)
Große gemeinsame Beschlüsse für den Klimaschutz konnten bei der Klimakonferenz COP27 in Scharm El-Scheich, Ägypten nicht auf den Weg gebracht werden. Für die vom Klimawandel betroffenen Länder wurde aber ein Ausgleichsfond beschlossen.

Sie sagen, Klimakonferenzen braucht man gar nicht mehr. Was schlagen Sie denn stattdessen vor?

Mojib Latif: Ja, ich bin schon seit vielen Jahren der Meinung, dass diese Klimakonferenzen einfach nicht zielführend sind. Denn wir müssen ja sehen, dass der Ausstoß von Treibhausgasen weltweit, und nur der zählt ja, immer noch steigt.

Ich schlage vor, dass es eine kleinere Gruppe geben muss. Man kann sich verschiedene Formate überlegen. Also entweder, dass sich die G20 zusammensetzen, also die 20 größten Industrienationen. Auf die entfallen ja schon 80 Prozent der Treibhausgasemissionen. Da hätte man zumindest einen kleineren Kreis und könnte vielleicht überlegen, wie man auch gemeinsame Geschäftsmodelle finden kann, und vor allen Dingen dafür sorgen, dass die Emissionen sinken.

Oder man kann sich auch überlegen, dass es eine "Allianz der Willigen" gibt. Das heißt also, dass die Länder vorangehen, die wirklich etwas tun sollen, wie Deutschland, und einen eigenen Wirtschaftsraum aufmachen und dann versuchen, dass möglichst viele Länder diesem Club beitreten. Denn dieser Wirtschaftsraum, der wird dann auch dafür sorgen, dass nicht nachhaltig gefertigte Produkte, also zum Beispiel, wenn der Strommix sehr stark von der Kohle abhängt, dann nicht so ohne weiteres auf unseren Markt kommen können.

So eine "Koalition der Willigen" ist auch in den letzten Jahren immer schon ein bisschen angedacht worden. Die EU ist auch mit relativ ambitionierten Zielen neulich vorangeprescht.

Wie groß sind die Chancen, dass so eine "Koalition der Willigen" wirklich entstehen könnte?

Mojib Latif: Ich denke, da sind schon gute Chancen. Der Bundeskanzler hat das auch vorgeschlagen. Er nennt das den "Klimaclub". Und die EU selbst ist eigentlich auch schon ein gutes Beispiel, auch wenn man noch viel mehr hätte machen können. Und wir sehen ja, dass immer mehr Länder auch in die EU wollen, „trotz Klimaschutz“. Und das wäre meine Hoffnung, wenn man jetzt noch die USA dazu bekäme, wenn man auch Kanada zu bekäme, andere Länder, wie Australien und so weiter, dass immer mehr Länder auch dieser "Allianz der Willigen" beitreten wollen.

Was wären sinnvolle Ziele einer solchen "Allianz der Willigen"?

Mojib Latif: Also, auf jeden Fall müssen sie erreichen, dass sie spätestens bis 2050 wirklich klimaneutral sind. Das heißt, wenn sie dann noch Treibhausgase ausstoßen, dass die dann auf andere Art und Weise wieder herausgeholt werden, zum Beispiel durch Baumpflanzung oder auch vielleicht über technische Möglichkeiten. Das muss man dann mal sehen. Wir sprechen von netto null. Das ist sozusagen das Ziel, dass diese "Allianz der Willigen" haben muss. Und es wäre wichtig, dass alle Länder diese Allianz beitreten. Also wenn zum Beispiel ein Land wie China nicht beitreten würde, das ja fast einen Drittel Anteil an den weltweiten Emissionen hat, dann werden wir natürlich die Klimaziele, wie sie auch immer lauten werden, ob sie jetzt 1,5 Grad oder 2 Grad lauten, dann werden wir sie auf jeden Fall überschreiten.

Plakat des globalen Klimastreiks (Foto: IMAGO, IMAGO / Müller-Stauffenberg)
Bis 2050 müssen die Treibhausgasemissionen bei netto null sein, dafür sollten sich alle Länder gemeinsam einsetzen.

Könnte das 1,5-Grad-Ziel überhaupt noch erreicht werden, wenn Länder wie China da nicht mitmachen? Oder ist da der Zug längst abgefahren?

Mojib Latif: Der Zug ist abgefahren. Es gibt ja ein CO2-Budget, das heißt eine bestimmte Menge von CO2, welches die Welt ausstoßen darf, bis sie die 1,5 Grad-Marke reißt. Wenn wir bei den heutigen Emissionen bleiben würden, hätten wir diese Marke schon in ungefähr zehn Jahren oder vielleicht sogar schon in weniger als zehn Jahren gerissen. Und wir können ja nicht davon ausgehen, dass in zehn Jahren die Welt auf einmal klimaneutral ist. Insofern sollten wir uns jetzt darauf konzentrieren, dass wir zumindest die 2 Grad nicht reißen. Das wird schon schwer genug. Im Moment sind wir auf Kurs 2,5 bis 3 Grad.

Was müsste am dringendsten getan werden, damit wir möglichst nur bei zwei Grad landen?

Mojib Latif: Es braucht eine globale Energiewende. Also wir in Deutschland haben ja schon angefangen. Wir haben jetzt immerhin fast 50 Prozent erneuerbare im Strommix. Bei Wärme und Verkehr sieht es aber noch ziemlich schlecht aus. Das heißt insgesamt, wenn wir über Energie sprechen, sind wir gerade mal so bei 20 Prozent. Und andere Länder müssten das eben nachmachen. Und da müssen wir versuchen, Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Teilnehmer einer Demonstration auf dem UN-Klimagipfel COP27 halten Plakate und setzen sich für das 1,5-Grad-Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ein. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa | Christophe Gateau)
Teilnehmer einer Demonstration auf dem UN-Klimagipfel COP27 halten Plakate und setzen sich für das 1,5-Grad-Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ein.

Ich denke zum Beispiel an Saudi-Arabien. Das ist eins der Blockierer-Länder. Saudi Arabien lebt vom Öl, das ist deren Volksvermögen. Und sie haben überhaupt kein Interesse daran, dass sie jetzt ihr Öl nicht mehr verkaufen können. Deswegen blockieren sie eigentlich alles auf den Konferenzen. Und da muss man sehen, dass man auch Verständnis aufbringt und beispielsweise gute Modelle für grünen Wasserstoff entwickelt, weil Saudi-Arabien hat nicht nur Öl, die haben auch erneuerbare Energie im Überfluss. So dass eben beide davon profitieren, sowohl wir in Deutschland als auch die Saudis und dass dabei tatsächlich dann auch die Emissionen deutlich sinken.

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