Medizin

Neue Therapie bei Mukoviszidose

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INTERVIEW
Dr. Carsten Schwarz, Fachmann für Mukoviszidose an der Charité in Berlin
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Ralf Kölbel

Mukoviszidose ist nicht heilbar, die Erbkrankheit verläuft in den meisten Fällen tödlich. Jetzt hat ein internationales Forscherteam eine neue, hochwirksame Therapie vorgestellt.

Ein Team von Forschern der Uni Sydney hat einen neuen Dreifach-Wirkstoff zur Behandlung von Mukoviszidose entwickelt. Im Test hat das Medikament 90 Prozent der Probanden spürbar geholfen. Sie hatten eine bessere Lungenfunktion und deutlich mehr Lebensqualität. Weltweit sind ungefähr 70.000 Menschen an Mukoviszidose erkrankt. Damit ist Mukoviszidose die häufigste angeborene Stoffwechselkrankheit

Ein Gendefekt führt dazu, dass der Schleim in den Bronchien, in der Bauchspeicheldrüse, den Schweißdrüsen und anderen Organen zähflüssig wird und nicht mehr richtig abfließen kann. Die Folgen sind Dauerhusten, häufig auch chronische Lungenentzündungen oder chronischer Durchfall. Mukoviszidose gilt bislang als eine unheilbare, lebensbedrohliche Krankheit. Der neue Wirkstoff ist in den USA schon zugelassen, in Deutschland noch nicht. Doktor Carsten Schwarz ist Fachmann für Mukoviszidose an der Charité in Berlin. Er hat an einer Studie mitgearbeitet, die die Wirksamkeit des Medikaments untersucht hat.

Mukoviszidose führt häufig zu einer starken Verschleimung innerer Organe wie z.B. der Lunge. (Foto: IMAGO, imago/Panthermedia)
Mukoviszidose führt häufig zu einer starken Verschleimung innerer Organe wie z.B. der Lunge.

Teilen Sie die Euphorie um den neuen Wirkstoff?

Absolut, es ist aus unserer Sicht wirklich ein Durchbruch in der Therapie der Mukoviszidose.

Wie wird Mukoviszidose heute behandelt?

Heutzutage wird die Mukoviszidose in der Regel erst mal nur symptomatisch behandelt, vor allem da, wo dieses zähe Secret entsteht. Umgangssprachlich spricht man bei der Krankheit auch von zystischer Fibrose (kurz ZF, oder englisch cystic fibrosis, kurz CF). Dabei steht die Lunge im Vordergrund.

Die Behandlung setzt an mehreren Stellen an

  • Das sind zum einen medikamentöse Therapien wie zum Beispiel die Inhalationstherapie, oral verabreichte Medikamente, Enzyme für die Bauchspeicheldrüse oder auch Vitamine.
  • Die zweite Säule ist die Physiotherapie, wo Patienten jeden Tag eigenständig physiotherapeutische Übungen machen beziehungsweise zu einem Physiotherapeuten gehen.
  • Die dritte Säule ist die Ernährungstherapie. Hier wird für die Patienten ein persönlicher Ernährungsplan aufgestellt, der vor allem hochkalorisch ist, weil die Patienten nach wie vor mehr Kalorien brauchen als ein normaler Mensch, der nicht an Mukoviszidose erkrankt ist.
Mukoviszidose ist eine schwerwiegende Stoffwechselerkrankung, die bislang als unheilbar gilt. (Foto: IMAGO, imago images / Panthermedia)
Mukoviszidose ist eine schwerwiegende Stoffwechselerkrankung, die bislang als unheilbar gilt.

Wie funktioniert der neue Ansatz zur Behandlung von Mukoviszidose?

Er geht ganz anders an die Krankheit heran. Er setzt nicht auf Symptomkontrolle oder Symptomminderung, sondern behandelt die Krankheitsursachen. Diese neue Kombinationstherapie wirkt direkt dort, wo die Mukoviszidose entsteht.

Kann man die Krankheit dadurch heilen?

Nein, die Krankheit kann man damit nicht heilen. Vor allem erwachsene Patienten haben bereits chronische Veränderungen, die nicht rückgängig zu machen sind. Eine Art Heilung kann man sich vielleicht bei jüngeren Patienten vorstellen, vielleicht direkt nach der Geburt. Dort kommen die Medikamente aktuell aber noch nicht zum Einsatz.

Was nutzt der neue Bluttest auf Mukoviszidose bei Schwangeren?

Wir hoffen wirklich, dass durch den Bluttest bei Schwangeren die Krankheit ganz früh erkannt wird. Denn wir setzen darauf, dass sich bei Neugeborenen und Babys, die ganz früh behandelt werden können, die Lungenerkrankung gar nicht erst entwickelt. Dann kann möglicherweise auch die sogenannte Bauchspeicheldrüsen-Insuffizienz verhindert oder gebessert werden. Das ist definitiv unsere Hoffnung. Dann könnte man schon fast von einer Heilung sprechen. Aber der Basisdefekt bleibt natürlich vorhanden, sodass wir eigentlich erst bei einer erfolgreichen Gentherapie grundsätzlich von einer Heilung sprechen.

Die bisherige Therapie von Mukoviszidose zielt auf eine Linderung der Symptome. (Foto: IMAGO,  imago/Horst Rudel)
Die bisherige Therapie von Mukoviszidose zielt auf eine Linderung der Symptome.

Wie wirkt sich das neue Medikament auf den Alltag der Patienten aus?

Die Patienten sagen, sie spüren ihre Mukoviszidose nicht mehr. Sie fühlen sich gesund. Das ist sehr eindrucksvoll. Man kann das nachvollziehen, denn auch ihre Lungenfunktion hat sich signifikant verbessert. Die Patienten haben so gut wie keinen Husten und kein Sputum mehr.

Verändert das neue Medikament auch die Lebenserwartung?

Wir sind überzeugt, dass sich in naher Zukunft mit diesen Medikamenten auch die Lebenserwartung der Mukoviszidose-Patienten verbessert. Um wie viele Jahre genau, das können wir noch nicht sagen. Einige sehr zuversichtliche Modellrechnungen gehen davon aus, dass man mit diesem Medikament eigentlich 70, 80, oder 90 Jahre alt werden kann.

Wann kommt der Wirkstoff auf den deutschen Markt?

In den USA ist er schon auf dem Markt. Durch eine Schnellzulassung ist er dort seit einigen Wochen verfügbar. In Europa ist das Medikament bereits zur Zulassung angemeldet. Wir hoffen, dass wir in den nächsten sechs Monaten mit einer Zulassung rechnen können.

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Dr. Carsten Schwarz, Fachmann für Mukoviszidose an der Charité in Berlin
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