Mercedes-Benz Werktor in Untertürkheim (Foto: SWR)

Junger Dokumentarfilm 2022

Kratzer im Lack - Über die Spaltung der Belegschaft

Stand

Ein Film von Anna Stradinger

Stuttgart ist vor allem durch eines bekannt: die Automobilindustrie. Sie sichert seit Jahrzehnten Tausenden von Arbeiter:innen und ihren Familien Einkommen, Wohlstand, Lebensgrundlage. Doch diese vermeintlich sicheren Fundamente bröckeln: Der Diesel-Abgas-Skandal, „Fridays for Future“, Fahrverbote, Entscheidungen zur Abschaffung von Verbrennungsmotoren und nicht zuletzt die Corona-Pandemie läuten einen Wandel ein, der möglicherweise Arbeitsplätze kosten wird. Das schafft Unmut unter den Beschäftigten und befeuert die Angst, die eigene Existenzgrundlage zu verlieren. „Kratzer im Lack - Über die Spaltung der Belegschaft“ nimmt die Zuschauer:innen mit in die Realität dieser Arbeiter:innen, die selten im Fokus der Öffentlichkeit sind. Dabei haben diese Menschen eine unglaubliche Kraft. Jede Stimme zählt, wer die Mehrheiten hinter sich vereint, hat Einfluss und Macht.

Opposition zur etablierten Gewerkschaft

Immer noch sind es Gewerkschaften, die für die Rechte der Arbeitenden kämpfen. Die größte und damit einflussreichste weltweit ist die IG Metall. So auch in Stuttgart. Von ihr werden die meisten Arbeiter:innen, unter anderem bei Daimler in Stuttgart, vertreten. Bisher. Doch die IG Metall steht unter Druck, eine neue „Gewerkschaft“, das Zentrum, will diese als Platzhirsch ablösen und erhebt schwere Vorwürfe gegenüber der IG Metall. Das Zentrum sieht sich selbst als Opposition zu Gewerkschaft und im Betriebsrat und wirft der IG Metall vor, nur „der verlängerte Arm des Managements“ zu sein. Zudem produziert das Zentrum professionelle Videos, um bekannter zu werden und Mitglieder zu gewinnen, denn das Ziel ist zu wachsen und die Mehrheitsverhältnisse zu kippen. Medial tritt das Zentrum moderner auf als der traditionelle und teilweise schwerfällige Apparat der IG Metall.

Spaltung schwächt

Die IG Metall wehrt sich gegen die Vorwürfe des Co-Managements und sucht Wege, mit dem neuen Konkurrenten umzugehen. Aber auch innerhalb der eigenen Reihen ist man sich nicht immer einig: Soll das Thema Zentrum klein gehalten werden, um der rechten Konkurrenz keine Plattform zu bieten, oder soll man sich aktiv dagegen positionieren?

Mit den Erfolgen der IG Metall bei jahrelangen Tarifverhandlungen – vom bezahlten Urlaub bis hin zur 5-Tage-Woche und Sonderzahlungen – kann das Zentrum bislang bei Weitem nicht mithalten. Eines ist jedoch klar: Eine Spaltung der Belegschaft durch konkurrierende Arbeitnehmervereine schwächt letztendlich den Arbeitskampf.

Ein differenziertes Bild

Der Film begleitet Betriebsräte sowohl von der IG Metall als auch vom Zentrum bei ihrer Arbeit, gibt Arbeiter:innen eine Stimme und versucht zu verstehen, wer hier wessen Interessen vertritt. Woher kommt die Unzufriedenheit mancher Arbeiter:innen mit der IG Metall? Konnte das Zentrum tatsächliche Verbesserungen für die Belegschaft durchsetzen, oder sind bisher alles nur große Töne? Obwohl Konzern-Tore für das Drehteam verschlossen blieben und das Zentrum öffentlich-rechtlichen Medien grundsätzlich sehr skeptisch gegenübersteht, ist es der Filmemacherin Anna Stradinger gelungen, den Zuschauer:innen einen tiefen Blick hinter die Kulissen zu gewähren. „Kratzer im Lack - Über die Spaltung der Belegschaft“ steht exemplarisch für viele Konflikte in der Arbeitswelt.

Logo der IG Metall am Tor (Foto: SWR)
Logo der IG Metall am Tor. © SWR Bild in Detailansicht öffnen
Klimaschutz und Gewerkschaften (Foto: SWR)
Klimaschutz und Gewerkschaften. © SWR Bild in Detailansicht öffnen
IG Metall Autocorso während der Corona-Pandemie (Foto: SWR)
IG Metall Autocorso während der Corona-Pandemie. © SWR Bild in Detailansicht öffnen
Mercedes-Benz in Mettingen (Foto: SWR)
Mercedes-Benz in Mettingen. © SWR Bild in Detailansicht öffnen
Mercedes-Benz Werktor in Untertürkheim (Foto: SWR)
Mercedes-Benz Werktor in Untertürkheim. © SWR Bild in Detailansicht öffnen
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