ARCHIV - ILLUSTRATION - Ein Mauszeiger ist am 01.12.2016 auf einem Computermonitor auf einem Button zu sehen, mit dem man eine gefälschte Nachricht melden kann.

Wahr oder erfunden? | Tag der Pressefreiheit

News und Fakenews

Stand
AUTOR/IN
Felix Schledde
ONLINEFASSUNG
Ulrike Barwanietz
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen.

Welche Kriterien benutzen wir, um zu entscheiden, ob eine Nachricht wahr oder erfunden ist? Seitdem Meldungen nicht mehr nur Schwarz auf Weiß gedruckt werden, sondern zu tausenden durch die sozialen Medien kursieren, ist diese Frage immer schwieriger zu beantworten.

Wenn man sich bis vor ein paar Jahren über die Ereignisse in der Welt informieren wollte, dann hat man das in der Regel über die Nachrichten gemacht. Recht überschaubar gegliedert in Zeitung, Fernsehen und Internet. Heute konsumieren wir nicht mehr bewusst Nachrichten, sondern werden mit ihnen auf Plattformen wie Facebook und Twitter förmlich zugeschmissen. Aus dem Informationsfluss ist ein allgegenwärtiges Informationsrauschen geworden.

Selbst urteilen lernen, was wahr ist

Der Kommunikationswissenschaftler Martin Emmer sagt, wir müssten in Zukunft wahrscheinlich alle sehr viel stärker selbst entscheiden lernen, wie wir mit bestimmten Informationen umgehen. Und die Frage nach der Glaubwürdigkeit, nach der Qualität von Informationen, uns selbst beantworten.

Das gilt vor allem für die jüngeren Altersgruppen bis Mitte Dreißig, die sich praktisch ständig im Internet bewegen. Denn vor allem für jüngere Leute sind Onlinequellen generell und mittlerweile auch soziale Medien zu einer der wichtigsten Informationsquellen überhaupt geworden sind.

Jugendliche sitzen mit ihrem Handy auf einer Bank
Vor allem jüngere Menschen beziehen ihre Infos aus dem Internet. Doch wenn viele eine Information teilen oder "liken", heißt das noch nicht, dass sie wahr ist.

Manipulation für alle

Die Glaubwürdigkeit einer Nachricht zu bewerten, das klingt erst einmal nach einer einfachen Selbstverständlichkeit. Doch es gibt Faktoren, die uns in unserer Einschätzung von vorne herein beeinflussen: Bei Themen mit sozialer Sprengkraft, wie zum Beispiel Flüchtlingspolitik und Terrorismus, haben wir in der Regel von vorne herein viel gefestigtere Meinungen darüber, was wahr oder unwahr ist, als bei unverfänglicheren Themen.

Auch die eigene politische Überzeugung beeinflusst die Wahrnehmung – Konservative entscheiden im Zweifelsfall anders als Linke oder Liberale. Und dann ist da auch noch die Frage der Zeit, die man sich für jede einzelne Nachricht nimmt.

Der Informationslinguist David Elsweiler hat an der Universität Regensburg mit Studierenden der Informationswissenschaften erforscht, wie leicht die Wahrnehmung von Mitteilungen in den sozialen Medien beeinflussbar ist. Zu diesem Zweck wurden 126 Testpersonen erfundene Tweets zum Thema Flüchtlinge gezeigt.

Auf der Internetseite der «First Draft Coalition» sind am 06.01.2017 in Berlin die Logos der Medien und Internetfirmen aufgelistet, die Partner des Netzwerks gegen Fake News sind.
Die Quelle der Information kann schon ein Kriterium dafür sein, wie zuverlässig eine Information ist.

Zustimmung als falscher Messwert

Die eine Hälfte der Tweets war positiv, die andere negativ. Und sie wurden von Elsweilers Studenten in verschiedenen Kategorien manipuliert: Mal wurde der Nachricht ein weiterführender Link oder Emojis hinzugefügt, mal eine bestimmte Anzahl an Likes oder auch eine bestimmte Anzahl an Retweets.

Der Trend war so, dass die manipulierten Tweets als glaubwürdiger wahrgenommen werden. Doch nur zwei von den Manipulationen waren signifikant. Und das waren Popularität und Link. Kaum verfügte ein Tweet also über einen Link oder eine bestimmte Anzahl an Likes durch andere Personen, hielten ihn die Testpersonen für glaubwürdiger. Die Zustimmung anderer Menschen wurde also zum Messwert für Wahrheit.

Das hat natürlich Konsequenzen, weil nicht alle Posts werden von Menschen generiert. Viele werden vor allem bei Twitter auch durch Social Bots erstellt. Kleine Programme, die als vermeintlich menschliche User Beiträge posten, teilen und liken. Und so die Glaubwürdigkeit mancher Nachrichten stark beeinflussen könnten.

Digitale Kritik kann man lernen

In ihnen sieht Elsweiler eine der großen Herausforderungen, wenn es in Zukunft darum geht zu beurteilen, ob eine Nachricht stimmt oder nicht. Martin Emmer teilt diese Einschätzung, betont aber auch, dass die Idee hinter den Bots keine neue ist. Denn auch schon in den 60er/70er Jahren wurden zum Schein irgendwelche NGOs gegründet, die irgendwelche Themen vertreten haben, hinter denen am Ende nur irgendeine politische Partei stand, die versucht hat, Stimmung für ihren Wahlkampf zu machen.

Die Idee ist also bekannt und so sind es auch die Lösungsansätze. Bot-Hysterie und Überwachung sind da der falsche Ansatz, sagt Martin Emmer. Auch David Elsweiler glaubt, dass man dem Problem der trügerischen Glaubwürdigkeit am besten auf den Grund gehen kann, wenn man sich auch beim allgegenwärtigen Informationsrauschen die Zeit nimmt, Quellen zu hinterfragen.

Die Jugendlichen bräuchten dazu in seinen Augen eine bessere schulische Vorbereitung: Sie müssen lernen, digitale Informationen zu interpretieren und einzuordnen. Darüber kann sich Elsweiler für alle Nutzer Programme vorstellen, die verschiedene Informationen zu einem Thema parallel anbieten. So könnten Meldungen von vorne herein nebeneinander gestellt und verglichen werden.

In der heutigen Informationsflut die Glaubwürdigkeit einzelner Nachrichten einzuschätzen wird tatsächlich immer schwieriger. Wir alle sind selbst mit kritischer Haltung relativ leicht zu manipulieren. Das ist aber kein Grund den Kopf zu verlieren und mit Hysterie in das Rauschen der Informationen einzustimmen.

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Felix Schledde
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Ulrike Barwanietz
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen.