Musikstück der Woche

Olivier Latry spielt Francis Poulencs Orgelkonzert g-Moll

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Jörg Lengersdorf
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Er war einer der berühmtesten Kirchenmusiker des frühen 20. Jahrhunderts: Maurice Duruflé, Organist an der Kirche Saint Etienne du Monde in Paris. Im Dezember 1938 begab er sich in die riesigen privaten Räumlichkeiten einer echten Prinzessin und spielte aus dem neuesten Werk eines zeitgenössischen Starkomponisten. Ein Orgelkonzert in einer Privatwohnung, das war selbst für Pariser Verhältnisse ziemlich extravagant.

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Ein Förderin mit Glamourfaktor und Privatorgel

Winaretta Singer war eines der jüngeren unter den zwanzig Kindern des Nähmaschinenmagnaten Isaac Merritt Singer. Sie war die steinreiche Erbin des genialen Erfinders, der nach einer ärmlichen Jugend als Tagelöhner sein Vermögen mit der Gründung der Nähmaschinenfabrik I.M. Singer & Company begründet hatte.

Nach dem Tod ihres Vaters und ausgestattet mit einem riesigen Erbanteil, wurde Winaretta zur Prinzessin Polignac. Sie heiratete Prinz Edmond de Polignac, der den Deckmantel einer Ehefrau brauchte, seiner strafbaren Homosexualität wegen. Winaretta ihrerseits war lesbisch, die beiden führten aber eine ausgesprochen harmonische Beziehung und gründeten den einflussreichen Pariser Salon de Polignac zur Förderung der Künste.

Als Musikmäzenin vergab Winaretta Prinzessin Polignac viele Auftragsarbeiten an Komponisten. Maurice Ravel widmete ihr seine „Pavane pour une infante défunte“ (Pavane für eine verstorbene Prinzessin). In ihrem Salon verkehrten Marcel Proust, Jean Cocteau oder Claude Monet.

Außerdem hatte sich Prinzessin Polignac in ihren privaten Salon, in dem sie oft Künstler empfing, ihre eigene Monumentalorgel bauen lassen. Von niemand geringerem als dem wichtigsten Orgelbauer der Zeit: Aristide Cavaillé-Coll.

Ein Auftragswerk auf Umwegen

Prinzessin Winaretta konnte wohl selbst Orgel spielen und beauftragte in den 1930er-Jahren Jean Françaix damit, ihr ein leichtes Stück zu schreiben. Francaix hatte aber offenbar trotz Madames Geldbergen keine Lust dazu und gab den Auftrag weiter an Francis Poulenc, der kurz vorher ein religiöses Wiedererweckungserlebnis gehabt hatte und Orgelwerken sehr aufgeschlossen gegenüberstand.

Poulenc komponierte aber nichts Einfaches, sondern etwas Hochvirtuoses. Die Prinzessin spielte das Riesenwerk dann doch lieber nicht selbst. Dafür war Poulencs Orgelkonzert mit klangmächtiger Beteiligung von Solopauken ein echtes Stück für die Ewigkeit. Uraufgeführt wurde das Stück denn auch nicht an der Privatorgel der Mäzenin, sondern an der Orgel der Salle Gaveau in Paris.

Einspielung eines der stilprägensten Organisten der Welt

Olivier Latry gehört zu den stilprägendsten Organisten der Welt. Er ist Gast führender Orchester unter namhaftesten Dirigenten, hat für große Labels wichtiges Orgelrepertoire eingespielt und viele druckfrische Werke uraufgeführt. Latry wurde 1985, damals 23jährig, zum Titularorganisten von Notre-Dame in Paris ernannt und ist Organist Emeritus des Orchestre National de Montréal.

Das SWR Symphonieorchester hat sein künstlerisches Zuhause in der Liederhalle Stuttgart und im Konzerthaus Freiburg. Im September 2016 aus der Zusammenführung des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR und des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg hervorgegangen, zählen Interpretationsansätze aus der historisch informierten Aufführungspraxis, das klassisch-romantische Kernrepertoire sowie Musik der Gegenwart gleichermaßen zu seinem künstlerischen Profil. 2013 entstand die Aufnahme des Orgelkonzerts von Poulenc unter dem damaligen Chefdirigenten Stéphane Denève in der Stiftskirche Stuttgart

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