Kultur

#StandWithUkraine – Solidarität und Entsetzen der Kultur-Szene

Stand

Russlands Krieg gegen die Ukraine erschüttert die westliche Welt. Auch die internationale Kulturszene reagiert. Viele Künstler*innen und Institutionen bekunden ihre Solidarität mit der Ukraine, fordern aber auch, den Kontakt zur russischen Kulturszene aufrecht zu erhalten.

Europakonzert der Berliner Philharmoniker von Odessa nach Lettland verlegt

Die Berliner Philharmoniker haben ihr für den 1. Mai im ukrainischen Odessa geplantes „Europakonzert“ wegen des russischen Angriffs nach Liepaja (Libau) in Lettland verlegt. Das Konzert unter der Leitung von Dirigent Kirill Petrenko stehe „im Zeichen der Solidarität mit Odessa und der Ukraine und für ein friedliches Miteinander in Europa“, teilte das Orchester am Montag, 4. April, in Berlin mit. Es wird live ab 11 Uhr im ARD-Fernsehen und in zahlreichen Radioprogrammen wie SWR2 übertragen. Seit 1991 feiern die Berliner Philharmoniker ihren Geburtstag am 1. Mai mit dem „Europakonzert“ an einem besonderen historischen Ort.

Sandsäcke blockieren eine Straße vor dem Gebäude des Nationalen Akademischen Theater für Oper und Ballett in Odessa. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Petros Giannakouris)
Hier sollte am 1. Mai das diesjährige Europakonzert stattfinden: die „Odesa National Academic Opera“. Derzeit blockieren Sandsäcke die Straße zum Opernhaus.

Dokumentarfilmer Mantas Kvedaravicius in Mariupol getötet

Beim Versuch, die von russischen Truppen belagerte ukrainische Stadt Mariupol zu verlassen, ist der litauische Dokumentarfilmer Mantas Kvedaravicius (45) getötet worden. Dies teilte der Pressedienst des ukrainischen Verteidigungsministeriums am Sonntag, 3. April mit. Zuvor hatte bereits der russische Filmemacher Vitali Manski über den Tod von Kvedaravicius berichtet. Dieser sei „mit der Kamera in der Hand" getötet worden, schrieb Manski bei Facebook.
Kvedaravicius hielt sich in der umkämpften Hafenstadt Mariupol auf, um dort das Kriegsgeschehen zu dokumentieren. Er war bekannt für seine Arbeiten über militärische Konflikte in Tschetschenien und der Ukraine.

Regisseur Mantas Kvedaravicius 2011 (Foto: IMAGO,  Seeliger)
Kvedaravicius dokumentierte mit seinem Film „Mariupolis“ bereits die Belagerung Mariupols im Jahr 2014 durch russische Truppen. Der Film lief 2016 auf der Berlinale.

Russischer Ballettdirektor Zelensky verlässt Münchner Staatsballett

Igor Zelensky, seit 2016 Ballettdirektor des Bayerischen Staatsballetts, tritt zurück. Das teilte das Staatsballett am Sonntag, 3. April, mit und verwies auf private und familiäre Angelegenheiten als Grund für den Rücktritt des Russen. Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks hatten das zuständige Kunstministerium und die Staatsoper auf einer Stellungsnahme Zelenskys zu seinem Verhältnis zur russischen Staatsführung bestanden, für die er als Berater für die Schaffung von Kulturzentren tätig war.
Zelensky (52) hatte dazu bisher geschwiegen. Nun äußerte er sich schriftlich zu seinem Rücktritt: „Eine Ballettkompagnie zu führen, erfordert absolute Konzentration und Kapazität. Aktuell verlangen jedoch private Familienangelegenheiten meine volle Aufmerksamkeit und Zeit.“

Valery Gergiev (L) and a member of the supervisory board of the National Cultural Heritage foundation, Igor Zelensky  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Foto: Vitaly Nevar/TASS/dpa)
Zwei, die sich aus Russland und München kennen: Valery Gergiev (l.), Ex-Chefdirigent der Münchner Philharmoniker und Igor Zelensky 2019 in Kaliningrad während eines Treffens über die Schaffung von kulturellen Zentren in den russischen Städten Wladiwostok, Kaliningrad, Kemerowo und Sewastopol auf der Krim

Online-Versteigerungen von Kunstwerken für Ukraine-Hilfsprojekte

Das Berliner Auktionshaus Grisebach versteigert ab heute, 1. April, bis zum 10. April Kunstwerke von 34 Künstler*innen zugunsten Hilfsprojekten für Geflüchtete aus der Ukraine. Die gespendeten Arbeiten der zeitgenössischen Künstler*innen - mit Schätzwerten von 300 bis 60.000 Euro - sollen online unter den Hammer kommen. Die Werke der Auktion stammen unter anderem von Anne Imhof, Ólafur Eliasson, Marc Brandenburg und Hannah Sophie Dunkelberg.

Schauspieler Depardieu verurteilt Putins Krieg und „verrückte Exzesse“

Der französische Schauspielstar und russische Staatsbürger Gérard Depardieu (73) hat dem russischen Staatschef Wladimir Putin angesichts dessen Ukraine-Kriegs „verrückte und inakzeptable Exzesse“ bescheinigt. Er sei dem „russischen Volk schon immer auf einzigartige Weise zugeneigt“ gewesen, erklärte Depardieu in einer Mitteilung an die Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag, 31. März. Die russische Bevölkerung sei für das Verhalten des Kreml-Chefs aber „nicht verantwortlich“, so Depardieu. Der gesamte Erlös seiner drei für Anfang April geplanten Auftritte im Pariser Théâtre des Champs-Elysées will er „den ukrainischen Opfern zugute kommen“.

Depardieu wurde 2013 von dem mit ihm befreundeten russischen Präsidenten Wladimir Putin die russische Staatsbürgerschaft verliehen. Zuvor war Depardieu in Frankreich mit dem Vorwurf der Steuervermeidung und -flucht konfrontiert worden. Sein offizieller Wohnsitz ist seither die russische Stadt Saransk.

Der russische Präsident Wladimir Putin (r) begrüßt den französischen Schauspieler Gerard Depardieu am 05.01.2013 in Sotschi (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Fotograf: Mikhail Klimentyev / Pool)
Putin und sein Staatsbürger Depardieu, der in der Vergangenheit Russland als „große Demokratie“ bezeichnete und Putin unter anderem mit dem früheren Papst Johannes Paul II. verglich.

Anna Netrebko an der Oper in Nowosibirsk unerwünscht

Nach ihrer späten Kritik an Russlands Militäreinsatz in der Ukraine ist die russische Sopranistin Anna Netrebko nun vom Opernhaus im sibirischen Nowosibirsk ausgeladen worden. Das Haus warf der in Österreich lebenden Sängerin indirekt vor, ihr Heimatland verraten zu haben. Ein für den 2. Juni geplantes Konzert der 50-Jährigen könne nicht stattfinden, erklärte die Oper am Donnerstag, 31. März.

„In Europa zu leben und die Gelegenheit zu haben, in europäischen Konzertsälen aufzutreten, hat sich als wichtiger erwiesen als das Schicksal des Vaterlandes. (...) Wir dürfen keine Angst vor Kulturschaffenden haben, die ihrem Land den Rücken zukehren. Unser Land ist reich an Talenten und die Idole von gestern werden durch andere ersetzt, die eine klare staatsbürgerliche Haltung haben."

Netrebko stand seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Westen in der Kritik, weil sie als Unterstützerin von Kreml-Chef Wladimir Putin galt. Am Mittwoch, 30. März, distanzierte sie sich schließlich ausdrücklich von Putin und seinem Militäreinsatz in der Ukraine. „Ich erkenne und bedauere, dass meine Handlungen oder Aussagen in der Vergangenheit zum Teil falsch interpretiert werden konnten", erklärte sie dazu.

Hamburger Elbphilharmonie nimmt ukrainische Geflüchtete auf

Rund 40 Geflüchtete aus der Ukraine sind in der Elbphilharmonie in Hamburg untergekommen. Das bestätigte das Konzerhaus nach einer Anfrage des „Hamburger Abendblatts". Seit Mitte März sind demnach die 26 Erwachsene und elf Kinder im Westin Hotel untergebracht, das zum Gebäude der Elbphilharmonie gehört.

Das Konzerthaus wollte daraus keine PR-Aktion machen und hat sich erst nach der Anfrage des „Hamburger Abendblatts" ausfürhlicher dazu geäußert. Die Hälfte der Geflüchteten sind demnach pflegebedürftig oder Menschen mit Behinderung, die von einen Pflegedienst betreut werden. Die andere Hälfte sind Mütter mit Kindern, um die sich ein Team aus Mitarbeiter*innen der Elbphilharmonie kümmert. Die Geflüchteten sollen zunächst bis zum 4. April bleiben. Bis dahin werden für die Familien geeignete Unterkünfte gesucht.

Fenster in der Fassade der Elbphilharmonie sind  in den Farben der Ukraine beleuchtet (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Fotograf: Christian Charisius)
Die Fassade der Elbphilharmonie wurde aus Solidarität mit der Ukraine bereits im Februar in den ukrainischen Farben beleuchtet.

Opernsängerin Anna Netrebko verurteilt nun auch den Ukraine-Konflikt

Netrebko ließ gestern über ihren deutschen Anwalt eine Erklärung verbreiten, in der sie den „Krieg gegen die Ukraine“ ausdrücklich verurteilt — dabei aber weder Präsident Putin noch die russische Regierung explizit kritisiert. Zuletzt hatten mehrere Konzerthäuser die Zusammenarbeit mit Netrebko beendet, weil sie sich nicht von Putin distanziert hatte. Die New Yorker Met bleibt jedoch — trotz dieses späten Statements von Netrebko — bei ihrer Entscheidung, die Zusammenarbeit vorerst nicht fortzusetzen.

Amsterdamer Ablegermuseum der Eremitage St. Petersburg ändert seinen Namen

Das Amsterdamer Kunstmuseum Hermitage hat seinen Namen geändert. Es heißt ab sofort Dutch Heritage Amsterdam (Holländisches Erbe Amsterdam) und wird nach dem Bruch mit seinem russischen Muttermuseum Eremitage künftig holländische Meisterwerke statt russische zeigen. Dies teilte das Museum am Dienstag, 29. März, mit. Das Hermitage hatte kurz nach der russischen Invasion in die Ukraine die Beziehung zu seinem Muttermuseum in Sankt Petersburg abgebrochen. Das Amsterdamer Museum zeigte seit 2009 Kunstschätze aus der berühmten Eremitage in Russland.

Außenansicht auf das Amsterdamer Kunstmuseum Hermitage. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, ANP | Remko De Waal)
Die erst im Februar eröffnete Ausstellung im Amsterdamer Hermitage zur russischen Avantgarde wurde Anfang März geschlossen.

Parzinger: Stiftung Preußischer Kulturbesitz hilft Ukraine bei Sicherung von Kulturgütern

Für den Schutz des Kunst- und Kulturbetriebs in der Ukraine vor russischen Angriffen versucht die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit mehreren Initiativen zu helfen. Zum einen wolle die Stiftung Künstler*innen und Wissenschaftler*innen bei der notwendigen Flucht aus der Ukraine helfen und sie vorübergehend bei deutschen Einrichtungen integrieren, wie Stiftungspräsident Hermann Parzinger der „Augsburger Allgemeinen“ erklärte. Zum anderen unterstütze die Stiftung die „Ukraine vor Ort bei der Sicherung ihrer Kulturgüter, vor allem bei Museums-, Bibliotheks- und Archivbeständen.“ Dabei gehe es „um ganz einfache Dinge: Verpackungsmaterial und stabile Kisten.“ Für eine Evakuierung und den Abtransport von Kulturgütern sei es leider schon zu spät.

Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Fotografin: Monika Skolimowska)
Will auch mit digitalem Speicherplatz für ukrainische Forschungsdaten aushelfen: Hermann Parzinger, Archäologe und seit 2008 Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
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