„Bella Italia“ in der Kunsthalle Messmer

Mythos Vespa: Was den Kult-Roller aus Italien zum It-Piece macht

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Autor/in
Luisa Sophie Klink
Onlinefassung
Dominic Konrad

Die Vespa ist nicht nur ein Roller – sie verkörpert echtes italienisches Lebensgefühl. Von den Abgasen mal abgesehen, sind mit ihr untrennbar verbunden: Freiheit, Liebe und ein bisschen Nostalgie. Nun hat die Kunsthalle Messmer der Vespa eine Ausstellung gewidmet.

Auf einer Vespa durch kleine Gässchen zu düsen, gehört zu Italien wie Sonne, Pasta und Pizza. Ein Dolce Vita ohne bunte kleine Roller? Kaum vorstellbar! Bis heute quetschen sie sich zahlreich durch die Gassen. Genau diese verschlungenen und meist holprigen Gässchen Italiens sollen auch der Grund für die Erfindung des wendigen Flitzers gewesen sein.

Warum die Vespa erfunden wurde

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatte der ehemalige Kriegsflugzeug-Produzent Enrico Piaggio überlegt, was die Menschen nun am meisten brauchten. Die Ressourcen waren knapp, die Straßen beschädigt. Da lag die Erfindung eines preiswerten Transportmittels, dem die holprigen Straßen nichts anhaben konnten, nahe. Piaggio beauftragte den Luftfahrt-Konstrukteur Corradino D'Ascanio, der 1946 den legendären Motorroller entwickelte.

Aber auch hier war es nicht der erste Wurf, der zum Erfolg führte. Der Prototyp mit dem Namen MP5 gefiel Piaggio noch nicht wirklich, er nannte ihn „Paperino“, nach dem italienischen Namen der Comic-Ente Donald Duck. Die Form sollte geschmeidiger sein.

D'Ascanio überarbeitete seinen Entwurf und die Vespa war geboren: breites Hinterteil, schmale Taille. Deshalb auch der Name, der auf Deutsch so viel wie Wespe bedeutet. Ein Fortbewegungsmittel mit genügend Beinfreiheit, Platz für Einkäufe, einem abgedeckten Motor und einem breiten „Schmutzschutz“ vorne, damit auch der feine Zwirn unter der Fahrt nicht leidet.

Vespa in Kunst und Kultur  

Eine der Vespas, die D'Ascanio entwarf, schaffte es sogar ins New Yorker Museum of Modern Art. Was auch der Grund dafür war, dass der Europäische Gerichtshof im November 2023 nach einem jahrelangen Markenrechtsstreit entschied, dass die Vespa eine „erkennbare Marke“ sei. Dass das Zweirad im MoMa, in zahlreichen Clubs und Hollywood-Filmen auftaucht, sei ein Indiz für seinen ikonischen Charakter und die weltweite Wiedererkennbarkeit.

Ein italienischer Vespa-Fahrer trägt bei den Vespa World Days 2017 in Celle (Niedersachsen) eine mit zahlreichen Vespa-Aufnähern besticke Weste.
Die Wespe als Namensgeber: Der Legende nach soll Piaggio „Die MP 6 schaut aus wie eine Wespe“ gerufen haben, als er D`Ascanios zweiten Entwurf zum ersten Mal sah.

Den legendären Roller als Kunstobjekt haben auch die deutschen Künstler Eberhard Bosslet und Stefan Rohrer entdeckt. Der gebürtige Speyrer Bosslet inszenierte Anfang der 1980er-Jahre sein eigenes Zweirad, mit dem er auf der kanarischen Insel Teneriffa unterwegs war, vor bunten Hausfassaden oder mitten in der Landschaft.

In seinen vier Fotoserien mit dem Titel „Mobilien und Immobilien“ bekam der Roller immer wieder einen neuen Anstrich (passend zur jeweiligen Hausfassade) oder Bosslet bemalte Teile der Landschaft, beispielsweise Kakteen, und erweiterte so das Kunstobjekt Roller zu einem großen Ganzen.

Vespa-Skulpturen von Stuttgarter Künstler

Der Stuttgarter Künstler Stefan Rohrer beschäftigt sich in seinen Werken vielfach mit Verfremdung. Auch die Vespas sind bei ihm zwar noch zu erkennen, nehmen aber durch die extreme Verformung des Blechs eine vollkommen andere Form ein – mal elegant geschwungen, mal in wilden Wirbeln.

Stefan Roher: Roller Coaster. 2009, Motorroller, Stahl, Lack, 720 x 140 x 80 cm
Eine wilde Achterbahnfahrt: Ein roter Roller schlägt Loopings. Stefan Roher: Vespennest 14. 2021, Modellroller, Stahl, Lack, ca. 40 x 100 x 25cm, Wandobjekt

Aber warum Vespas? Was löst die Faszination an ihnen aus? Rohrer findet Vespas speziell: „(Ich) nehme gerne Fahrzeuge, die Geschichten erzählen, aus meiner Jugend, aus den Ferien, die formal sehr schön sind“. Die Verzerrung passe zur Vespa.

Verzerrungen kommen von der Zeit her, da bietet sich so ein Roller an. Er erzählt eine Geschichte - Ferien in Italien beispielsweise. Da ist ein bisschen ein Kontrollverlust dabei, die Teile fliegen rum, fallen auseinander, übermütig, wie eine Comic-Zeichnung, tragisch, komisch.

Größere Vespa-Skulpturen von Rohrer befinden sich in einem Kreisverkehr in Eschborn bei Frankfurt oder im Innenhof der TU in Darmstadt. Kein Zufall, dass der Künstler sich hier für Vespas entschieden hat. „Die Vespa verkörpert Jugend und Frische, die Skulptur passt zu Studenten, dachte ich.“

Auch Vespa-Clubs widmeten ihm schon einige Fotostrecken, einen echten Auftrag von einem ehemaligen Vespa-Besitzer gab es jedoch noch nicht.

Stefan Roher: Roller Coaster 2. 2017, Motorroller, Stahl, Lack, Laterne, ca. 450 × 400 × 250 cm, Technische Universität Darmstadt
Eine Skulptur aus zwei Rollern steht im Innenhof der TU Darmstadt. Für Rohrer genau der passende Ort: Denn gerade Studenten dient er häufig als Transportmittel in die Freiheit. Stefan Roher: Roller Coaster 2. 2017, Motorroller, Stahl, Lack, Laterne, ca. 450 × 400 × 250 cm, Technische Universität Darmstadt

„Die reinrassigen Vespa-Liebhaber sind leicht schockiert, wenn man die erstmal auseinander flext.“ Auch Roher selbst plagt manchmal das schlechte Gewissen: „Ich kauf ja echt so schrottige, weil es mir auch leid tut, die, die gut in Schuss sind, zu zersägen.“

Der Roller in Film und Fernsehen

Die Vespa aus dem Filmklassiker „Ein Herz und eine Krone“ im Filmmuseum Frankfurt.
Der Original-Roller aus dem Film „Ein Herz und eine Krone“ war 2001 im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt in der Ausstellung „Audrey Hepburn - A Woman, a Style“ zu sehen.

Immer wenn es darum geht, das italienische Lebensgefühl einzufangen und einen Hauch von Unabhängigkeit, Freiheit und Leichtigkeit zum Ausdruck zu bringen, setzen Filmregisseure auf die Vespa.

In zahlreichen hochkarätig besetzten Filmen, wie ein „Herz und eine Krone“ mit Audrey Hepburn, in „Alfie“ mit Jude Law, „Transformers 5: The Last Knight“ mit Anthony Hopkins, „Zoolander 2“ mit Penélope Cruz, „Der talentierte Mr. Ripley“ mit Matt Damon oder dem Pixar-Animationsfilm „Luca“ kommt der Roller vor.

„Ein Herz und eine Krone“ (1954)
Klassische Italien-Romantik: Gregory Peck lernt in „Ein Herz und eine Krone“ die Kronprinzessin eines nicht genannten Landes, gespielt von Audrey Hepburn, kennen und lieben. Bild in Detailansicht öffnen
„Serenade einer großen Liebe“ (1958)
Ein amerikanischer Tenor (Mario Lanza) soll in „Serenade einer großen Liebe“ von 1958 auf Capri einen Skandal aussitzen. Dort verliebt er sich in eine junge Frau (Johanna von Koczian), die im Krieg ihr Gehör verloren hat. Bild in Detailansicht öffnen
„Happy End im September“ (1961)
Bobby Darin, Sandra Dee, Rock Hudson und Gina Lollobrigida rollen in „Happy End im September“ (1961) durch Italien. Bild in Detailansicht öffnen
„Der talentierte Mr. Ripley“ (1999)
Auch Matt Damon als Tom Ripley tourt im Identitätsraub-Thriller nach Patricia Highsmith natürlich auf einer Vespa durch Italien. Bild in Detailansicht öffnen
„Alfie“ (2004)
Auch für Lebemann Alfie im gleichnamigen Film mit Jude Law gehört eine Vespa zu seinem Lebensgefühl. Bild in Detailansicht öffnen
„Luca“ (2021)
Die Pixar-Wasserwesen Luca und Alberto interessieren sich für die Welt an Land. Das erste Objekt der Begierde: die Vespa. Bild in Detailansicht öffnen
„Spring Breakers“  (2012)
Vanessa Hudgens, Selena Gomez, Ashley Benson und Rachel Korine rollen in „Spring Breakers“ in Bikinis auf Vespas durch das sommerliche Florida. Auch in „La Dolce Vita (1960), „La Belle Américaine“ (1961), „American Graffiti“ (1973) und „Austin Powers“ (1997) sind die Darsteller auf Vespas unterwegs. Bild in Detailansicht öffnen

In letzterem dreht sich schon fast die ganze Geschichte um den bunten Flitzer. Die Hauptfiguren leben in einem italienischen Küstenstädtchen, träumen von dem Roller und verbinden mit ihm unendliche Freiheit. Bei einem Wettbewerb versuchen sie das Geld für ihn zusammenzubekommen.

Selbst die rasende Reporterin Karla Kolumna der Kinder-Hörspielreihe „Benjamin Blümchen“ ist auf einer waschechten Vespa unterwegs und verleiht ihm den Stempel, immer und überall rasant hinzukommen.

Mit dem Roller nach Italien: Vespa-Fan Stefan bei SWR Heimat

Unangefochtene Nummer Eins

Bis heute gehört die Vespa zu den beliebtesten Motorrollern weltweit. Laut Hersteller wurden bereits über 18 Millionen verkauft. Vom Produktionsstandort Pontedera bei Pisa schwirrten sie auf sechs Kontinente aus, jährlich sollen es mehr werden. Den Status des „höchsten Marktanteils“ geben sich die Österreicher. Sie behaupten, sie seien Vespa-Weltmeister.

Papst Franziskus winkt nach einem Treffen mit Vertretern eines Vespa-Clubs aus Italien, bei dem ihm eine Vespa als Geschenk übergeben wurde.
Selbst Papst Franziskus ist stolzer Besitzer einer Vespa. Zumindest bekam er eine solche 2018 von Mitgliedern des Vespa-Club Italien geschenkt.

Auch die Produktionszahlen steigen laut Hersteller rasant: Waren es 2004 noch 58.000 Vespas, kletterte die Produktion 2018 bereits auf 210.000 Exemplare. Am Design hat sich bis heute kaum was verändert. Der Grundtyp ist nahezu gleich geblieben, was auch Kritik hervorruft.

In Sachen Umwelt nicht auf dem neuesten Stand

Die technische Ausstattung sei nicht auf dem neuesten Stand und der Umweltverträglichkeit werde nicht Genüge getan, heißt es. Dass die Vespa durch ihr zeitloses Design nie aus der Mode gekommen ist und Selbst-Reparaturen möglich sind, verleiht der Vespa zugleich aber auch den Stempel der Nachhaltigkeit. 

Englische Vespa-Roller am 22.06.2017 in Celle (Niedersachsen) beim Vespa-Treff.
In Deutschland trafen sich zuletzt 2017 Tausende Vespa-Liebhaber im niedersächsischen Celle.

Die zahlreichen Vespa-Fans bleiben ihrem Roller treu. Rund um den Globus haben sich 63 Clubs gebildet, die sich regelmäßig zu Tausenden treffen. Der Deutsche Vespa Club (VCVD) wurde 1952 in Düsseldorf gegründet, hat rund 4.300 Mitglieder und 200 Ortsclubs. Zuletzt durfte der VCVD den Vespa World Day 2017 in Celle ausrichten. Die flotte Vespa ist und bleibt ein Mythos, der bis heute Faszination auslöst und für Freiheit und Jugendlichkeit steht.

SWR2 lesenswert Kritik Gianfranco Calligarich: Der letzte Sommer in der Stadt

Die römischen Nächte vergehen wie im Rausch. Alles, was dagegen nach Alltag und Arbeit aussieht, ist dem jungen Leo Gazzarra ein Graus. Doch unmerklich bekommt das süße Leben einen schalen Geschmack. Mit "Der letzte Sommer in der Stadt" schrieb Gianfranco Calligarich 1973 einen Roman, der den Mythos des römischen Dolce Vita faszinierend in Erinnerung ruft.

Aus dem Italienischen von Karin Krieger
Zsolnay Verlag, 208 Seiten, 22 Euro
ISBN 978-3-552-07275-6

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