Tendenz zur „mentalen Verdörflichung“

Philosoph Björn Vedder: Landleben macht reaktionär

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INTERVIEW
Doris Maull

Der Philosoph Björn Vedder ist aufs Dorf gezogen. Seine Erfahrung hat er in einem Essay aufgearbeitet: „Das Befinden auf dem Lande, Verortung einer Lebensart“. Seine These lautet: das Landleben macht reaktionär.

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Das Leben auf dem Land mit Kühen, Schweinen und Pferden: ein Idyll? Romane wie „Unterleuten“ von Juli Zeh, „Der große Garten“ von Lola Randl oder auch „Daheim“ von Judith Hermann haben in den vergangenen Jahren einen Trend – wenn nicht ausgelöst, so doch artikuliert und verstärkt: die Sehnsucht nach dem vermeintlich einfacheren und besseren Leben auf dem Lande.

Integration im Dorf: Ausgrenzung bei Regelbruch

Auch Vedders Weg aufs Land ist ganz klassisch gewesen: „So wie es viele machen, wenn beim zweiten Kind die Stadt irgendwie zu klein und zu eng wird. Die Kinder brauchen einen Garten, man muss an die frische Luft, das gesunde ländliche Klima.“

Das soziale Umfeld erlebte er dann aber geprägt „von starker sozialer Kontrolle“. Integration, so Vedder, bedeute demnach, einen festen Kanon von tradierten Werten und Verhaltensweisen zu übernehmen. Andernfalls drohten Ausgrenzung, Nichtbeachtung und Verachtung.

Tendenz zur „mentalen Verdörflichung“ und Selbstprovinzialisierung

Gefragt, weshalb er selbst trotzdem noch immer auf dem Land lebt, gesteht der Philosoph: „Es ist ja auch schön. Die Sonne scheint auf die Terrasse, es gibt frische Luft.“ Er wolle das Landleben per se auch nicht schlecht machen, beteuert Vedder. Er habe mit seinem Essay lediglich darauf hinweisen wollen, dass es in unserer Gesellschaft eine Tendenz zur „mentalen Verdörflichung“ gebe, eine Selbstprovinzialisierung, deren genauere Betrachtung lohne.

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