- Die Zahl der Balkonkraftwerke in Rheinland-Pfalz hat sich seit Januar verdoppelt.
- Bürokratische und technische Erleichterungen sind Gründe für den Boom.
- Kommunale Förderprogramme sorgen für regionale Unterschiede.
Doppelt so viele Inbetriebnahmen wie im Jahr zuvor
Seit April ist es für Bürgerinnen und Bürger bürokratisch und technisch einfacher geworden, ein Balkonkraftwerk zu installieren. Mehr als 20.000 Anlagen wurden seitdem in Rheinland-Pfalz in Betrieb genommen. Das sind mehr als doppelt so viele wie im selben Zeitraum 2023. Der Boom fällt bei den Balkonkraftwerken stärker aus als bei anderen Solaranlagen auf Dächern und Freiflächen. Am stärksten stieg die Zahl in allen Jahren in den Sommermonaten.
Balkonkraftwerk: ein Projekt für Hobby-Handwerker
Anfang des Jahres waren in Rheinland-Pfalz rund 18.500 Balkonkraftwerke in Betrieb. Ende September lag die Zahl bei knapp 41.000.
Gabriele Rau ist Geschäftsführerin des Landesverbands Erneuerbare Energie (LEE), ein Interessenverband aus Unternehmen, Kommunen, Vereinen und Privatpersonen. Sie ist sich sicher, dass die Vereinfachungen seit April zu dem rasanten Anstieg beigetragen haben: "Sicherlich spielt die Verschlankung des Prozesses eine wesentliche Rolle. Die Installation kann nun im Do-It-Yourself-Verfahren durchgeführt werden – ein Spaß für jeden Hobby-Handwerker."
Weniger Bürokratie, einfachere Technik
Wer sich ein Balkonkraftwerk zulegt, muss dieses seit April nicht mehr beim Netzbetreiber anmelden. Bei der Bundesnetzagentur müssen die Anlagen weiterhin registriert werden, dafür sind aber nur eine Handvoll Angaben nötig.
Mit dem Solarpaket 1 der Bundesregierung trat im Mai eine Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in Kraft. Diese hat die Inbetriebnahme auch technisch einfacher und attraktiver gemacht. Verbraucher können übergangsweise ihre alten Stromzähler behalten, statt für das Balkonkraftwerk einen neuen, digitalen Stromzähler einzubauen. Die Anlagen dürfen außerdem leistungsfähiger sein als bisher. Und in Zukunft soll die Einspeisung des Stroms über die herkömmliche Steckdose zur Norm werden.
Preisverfall und Energiekrise sorgen für Boom
Neben den technischen und bürokratischen Vereinfachungen gebe es noch weitere Gründe für den Boom von Balkonkraftwerken, meint Dagmar Schneider. Sie ist Pressesprecherin der Energieagentur Rheinland-Pfalz, die Kommunen bei ihren Plänen für Klimaschutz unterstützt. Balkonkraftwerke seien in den letzten Jahren erheblich günstiger und verfügbarer geworden, so Schneider. Inzwischen könne man die Geräte im Baumarkt kaufen, im Frühjahr sogar zu Aktionspreisen.
Durch den Ukraine-Krieg und die hohen Energiepreise sei auch der Anreiz gestiegen, sich eine "kleine, individuelle Energieunabhängigkeit" zu schaffen, so Schneider. Seit 2023 gibt es außerdem eine Fördermaßnahme der Landesregierung: Das Kommunale Investitionsprogramm Klimaschutz und Innovation (KIPKI) ermöglicht kommunale Förderprogramme für Balkonkraftwerke.
In Rheinland-Pfalz gibt es überdurchschnittlich viele Balkonkraftwerke
Im Vergleich zu anderen Bundesländern fällt auf: In Rheinland-Pfalz gibt es mehr Balkonkraftwerke (je Tausend Einwohner) als anderswo. Warum das so ist, kann Gabriele Rau vom LEE nur spekulieren: "Dass so viele Bürger und Bürgerinnen den Gestaltungsspielraum nutzen, zeigt, dass die Energiewende und eine autarke Energieversorgung eine große Rolle in der Gesellschaft spielen", so die Expertin.
Regionale Unterschiede durch kommunale Förderprogramme
Unterschiede gibt es auch zwischen den Landkreisen und kreisfreien Städten. Während im Westerwaldkreis rund 17 Balkonkraftwerke je Tausend Einwohner in Betrieb sind, sind es in Kaiserslautern nur rund 3.
Im Rahmen des KIPKI seien in 56 Verbandsgemeinden, Landkreisen und Städten Förderprogramme für Balkonkraftwerke entstanden, schreibt die Energieagentur Rheinland-Pfalz. "Allein im Westerwaldkreis gibt es unseres Wissens acht Kommunen mit Förderprogrammen", so Dagmar Schneider. Dort zahlt die jeweilige Stadt oder Gemeinde meist 25 Prozent der Anschaffungskosten oder 200 Euro pauschal.
Installation von Balkonkraftwerken wird für Mieter leichter
Außerdem vermutet die Sprecherin der Energieagentur, dass Menschen, die in ihren eigenen Häusern wohnen, eher ein Balkonkraftwerk installieren. In städtischen Regionen, in denen mehr Menschen zur Miete wohnen, gebe es deshalb weniger.
Auch das soll sich in Zukunft ändern. Durch eine kürzlich beschlossene Änderung im Wohneigentumsgesetz und im Mietrecht werden Balkonkraftwerke zur "privilegierten Maßnahme". Vermieter und Eigentümergemeinschaften können die Installation dann nur aus sehr gutem Grund ablehnen.
Balkonkraftwerke als Beitrag zur Energiewende?
Die kleinen Steckersolargeräte machen im Vergleich zu Anlagen auf Gebäuden und Freiflächen nur einen sehr geringen Anteil der Solarleistung in Rheinland-Pfalz aus. Sie helfen also - zumindest aktuell - kaum dabei, die Ausbauziele der Landesregierung zu erreichen.
Laut Energieagentur lohnen sich Balkonkraftwerke trotzdem. "Der Strombedarf privater Haushalte macht weniger als ein Viertel des gesamten Strombedarfs in Deutschland aus. Damit liefern schon kleinere Erzeuger einen durchaus spürbaren Effekt", so Schneider. Außerdem könne ein Balkonkraftwerk 10 bis 20 Prozent des Strombedarfs im Haushalt decken. Jährlich ließen sich damit bis zu 180 Euro sparen.
Gabriele Rau vom LEE fügt hinzu, der finanzielle Aspekt spiele sicherlich eine Rolle, sei aber wahrscheinlich nicht wesentlich. Stattdessen machen sich Bürgerinnen und Bürger Gedanken, wie sie selbst CO2-Emissionen reduzieren und gegen den Klimawandel wirken können. "Balkonkraftwerke sind eine einfache und niedrigschwellige Möglichkeit, die Energiewende mitzugestalten", so Rau.