Verstößt das "X"-Chatbot-Training gegen EU-Recht?

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Von Autor/in Katja Burck

Der Twitter-Nachfolger "X" trainiert seinen KI-Chatbot "Grok" mit Beiträgen von Nutzerinnen und Nutzern – ohne die vorher zu fragen. Deswegen hat die Datenschutz-Organisation Noyb in acht Ländern der EU Klage eingereicht. Darüber hat SWR-Aktuell-Moderatorin Katja Burck mit dem Netz-Aktivisten und Journalisten Markus Beckedahl gesprochen. Er ist Gründer und ehemaliger Chefredakteur von netzpolitik.org.

SWR Aktuell: Dass der Chatbot Grok eingesetzt wird bei X, ohne die Zustimmung der Mitglieder, das ist einem Nutzer zufällig aufgefallen. Das heißt: Elon Musk hat sich darauf verlassen, dass das schon niemand merken wird, dass die KI mit nicht-autorisierten Nutzerinnendaten arbeitet. Oder wie schätzen Sie das ein?

Markus Beckedahl: Das ist die übliche Vorgehensweise von Elon Musk, der in seinem Geschäftsgebaren recht skrupellos ist, und einfach mal dachte, er muss sich nicht um die europäischen Gesetze scheren und kann mit seiner Plattform, die er für viel Geld gekauft hat, machen, was er will. Dem ist zum Glück nicht so.

SWR Aktuell: Andere Plattformanbieter wie der Meta-Konzern von Zuckerberg mit Facebook, Instagram und WhatsApp haben im Juni auf Druck von irischen Datenschützern ihre Trainingsprogramme für ihre KI erst mal auf Eis gelegt. Das ist jetzt auffällig, denn X geht jetzt so vor wie Meta es eigentlich auch vor hatte. Ist das wahrscheinlich, dass es Absprachen gab, nach dem Motto „Musk“ probiert es als kleinerer Player auf dem europäischen Markt aus - und schafft damit Fakten?

Beckedahl:Nein, das kann man sich so nicht vorstellen. Aber die Daten, die eine Plattform wie X, das frühere Twitter, erhebt, verarbeitet, die wecken natürlich Begehrlichkeiten. Und wenn man das Ziel hat, eine möglichst gute, eine möglichst leistungsstarke künstliche Intelligenz zu trainieren, dann braucht man sehr viele Daten. Und Elon Musk dachte sich wahrscheinlich einfach nur, diese ganzen Daten liegen auf meinen Servern. Ich nehme die jetzt einfach mal. Je mehr Daten ich verwenden kann, umso besser wird dann möglicherweise meine Künstliche Intelligenz. Und er hat, im Gegensatz zu Meta, die Nutzer*innen eben nicht nachgefragt. Und dass es dann zum Glück aufgefallen und hat dann zu diesen Klagen, über die wir jetzt reden, geführt.

SWR Aktuell: Welchen Nutzen hätten Userinnen und User von Plattformen wie X denn mit einer KI im Hintergrund?

Beckedahl: Das kommt ganz darauf an, wie gut die KI wird. Ich kann mir vorstellen, dass Elon Musk im Sinn hat, Chatbots zu entwickeln, mit denen man sich unterhalten kann, denen man Fragen stellen kann, wo man möglicherweise durch die Echtzeitdaten, die Nutzer*innen auf dieser Plattform hinterlassen, auch Geschehnisse eingeordnet bekommen kann. Es kann auch sein, dass dann zukünftig Menschen nicht mehr Radio hören, sondern sich von gegen Chatbot sozusagen erklären lassen, was gerade in der Welt passiert. Das Problem dahinter ist dann aber: Man muss sich dann darauf verlassen, dass diese Chatboards auch korrekt arbeiten. Und das sollte man natürlich nicht, denn diese Chatbots arbeiten in der Regel nur so gut wie die Daten sind. Und bei X haben wir es mit einer Plattform zu tun, die immer weiter nach rechts außen segelt, wo immer mehr Nazis die Überhand bekommen. Das heißt, wir haben hier ein sehr großes Bias in der Sichtweise auf die Welt in den Daten eingebaut. Das wird dann auch eine künstliche Intelligenz so verarbeiten und die Welt aus diesem Blickwinkel sehen.

SWR Aktuell: Sie würden also sagen: Stand jetzt hat das Abschöpfen von Daten eine größere Priorität für das Unternehmen X - und weniger Nutzwert für die Userinnen und User?

Beckedahl:Ja, das kann man so gut zusammenfassen. Elon Musk möchte so viel Geld wie möglich mit den Daten verdienen, die Nutzer*innen auf dieser Plattform hinterlassen. Und dazu braucht er mehr Daten, die er verarbeiten kann. Da steht zum Glück die Europäische Datenschutzgrundverordnung im Weg. Zumindest haben die zuständigen irischen Datenschutzbeauftragten etwas wenig motiviert, zumindest mal mit einer Klage gegen X, jetzt die juristischen Schritte eingeleitet. Weil das nicht ausreichend ist, weil die irischen Datenschützer wegen ihrer Wirtschaftsfreundlichkeit nicht vehement genug sind, ist die österreichische Datenschutz NGO „none of your business” jetzt vor Gerichte in neun europäischen Mitgliedstaaten gegangen, um dort jeweils unsere Rechte gegen X einzuklagen, was wiederum dazu geführt hat, dass X jetzt erst mal zurückrudert und sagt, na ja, wenn das so ist, dann verzichten wir jetzt erst einmal darauf, einfach heimlich im Hintergrund die Daten von europäischen Nutzer*innen zu verarbeiten und schauen mal, wie wir das vielleicht in Zukunft regeln.

SWR Aktuell: Was würden Sie den Nutzerinnen und Nutzern jetzt raten: Einfach X abschalten?

Beckedahl: Es macht immer Sinn, sich über Alternativen Gedanken zu machen. Wenn man weiterhin Microblogging nutzen möchte, vor allen Dingen in sozialen Netzwerks Kommunikation über kurze Textnachrichten, dann ist X zum Glück nicht mehr der einzige Monopolist, wie es früher mal Twitter war, sondern es gibt mit Mastodon, es gibt mit Bluesky weitere Alternativen, wo ähnliche Kommunikations-Öffentlichkeiten geschaffen werden. Und je mehr Menschen diese Alternativen nutzen, umso unabhängiger werden wir von Elon Musk und seinem Geschäftsgebaren.

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Katja Burck