Bei der Fußball Europameisterschaft mischen auch professionelle Wettanbieter richtig groß mit. Sie hoffen, dass möglichst viele Menschen viel Geld für Spielwetten ausgeben. Ein Problem für diejenigen, die zur Spielsucht neigen oder von ihr loskommen wollen.
Wer in den Strudel der Spiel- und Wettsucht gerate, kämpfe gleich mit mehreren Problemen, sagt Suchttherapeut Martin Epperlein in SWR Aktuell: "Die Betroffenen verlieren Geld und nehmen Kredite auf, um erneut spielen zu können oder um Schulden zu begleichen. Beziehungen gehen in die Brüche. Häufig erleben wir in der Beratung, dass der Arbeitsplatz gefährdet oder verloren gegangen ist. Es gibt psychische Belastungen und psychosomatischen Beschwerden - also eine ganze Reihe von Belastungen", so Epperlein. Mit dem Therapeuten vom Beratungs- und Behandlungszentrum für Suchterkrankungen bei der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart e.v. hat SWR Aktuell-Moderator Arne Wiechern gesprochen.
SWR: Machen Sie denn die Erfahrung, dass diese intensive Werbung, die wir gerade rund um die Fußball-Europameisterschaft erleben, das Problem noch einmal verschärft?
Martin Epperlein: Ja, gestern, in der Spieler-Therapiegruppe habe ich erlebt, dass die bereits abhängigen Spieler dadurch sehr getriggert werden. Einerseits auch empört sind über das Ausmaß der Werbung, andererseits auch erinnert werden an das, was sie nicht hingekriegt haben, nämlich davon wegzukommen. Einige haben bereits Gedanken entwickelt, wie "…vielleicht kann ich doch mal wieder einen Zehner setzen". Also das halte ich für hochbrisant.
SWR: Ab und zu mal eine Wette abzuschließen, ist sicherlich nicht das ganz große Problem. Ab wann sollte ich denn selbst hellhörig werden?
Epperlein: Wenn ich, das Geld, das ich verloren habe, wieder zurückgewinnen will. Wenn ich erneut spiele, obwohl ich verloren habe - oder, wenn ich etwas wie eine Geheimhaltung entwickle, dass niemand wissen darf, dass ich spielen gehe oder an mein Handy gehe.
SWR: Ist es in Zeiten des Internets und des Smartphones auch viel einfacher oder viel leichter geworden, in so eine Spiel- oder Wettsucht hineinzugeraten?
Epperlein: Ja, das ist richtig. Die Grenzen sind fast verloren gegangen. Ich kann ununterbrochen - sozusagen 24/7 - Wetten platzieren. Ich brauche nur ausreichend Geld. Ich kann die Anonymität verstärken. Es kriegt niemand mit - eine soziale Kontrolle findet faktisch gar nicht mehr statt.
SWR: Wenn ich mir eingestanden habe, dass ich eine Abhängigkeit entwickelt habe. Welche Methoden gibt es, um dagegen vorzugehen?
Epperlein: Ich würde als Betroffener das Gespräch mit einer vertrauten Person suchen, bei der ich weiß, dass sie es für sich behält - mit jemandem reden, dem gegenüber ich kein schlechtes Gewissen haben muss. Vielleicht mit einem Freund reden - und nicht gerade mit der Partnerin.