Schmid (SPD): Für Waffenstillstand in Gaza müsste Biden Druck machen

Stand

Von Autor/in Jonathan Hadem

Mit dem Angriff der Hamas-Terroristen auf Israel hat vor neun Monaten der Gazakrieg begonnen. Noch immer halten die Islamisten etwa 100 Menschen als Geiseln fest. Sie freizubekommen, scheitert aus Sicht vieler Beobachter an Israels Blockadehaltung, was Verhandlungen angeht. Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, schätzt im Interview mit SWR-Aktuell-Moderator Jonathan Hadem ein, warum die Bundesregierung kaum ausreichend Druck auf beide Kriegsparteien aufbauen kann.

SWR Aktuell: Müssen der Kanzler und die Außenministerin Israel noch deutlicher als bisher zu verstehen geben, dass die Waffenruhe im Gazastreifen kommen muss - und zwar auch sofort?

Nils Schmid: Sie haben das ja schon deutlich gesagt. Über die letzten Wochen hin ist die Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung im Gazastreifen, aber auch die Mahnung, einen Waffenstillstand zu schließen, sehr deutlich ausgesprochen worden vom Kanzler, von der Außenministerin, bei ihren Reisen in die Region. Und klar ist auch: Wir haben hier seit Monaten zwei Grundkonstanten, die das erschweren. Die  eine ist, dass die Hamas nach wie vor Zivilisten als Schutzschilde benutzt. Und die andere ist, dass die israelische Regierung nicht bereit ist, über den „Tag danach“, also über die politischen Lösungsmöglichkeiten zu reden. Umso wichtiger wäre es, dass es endlich zum Waffenstillstand und der Freilassung der Geiseln kommt.

SWR Aktuell: Irgendwie muss man da ja auch ein bisschen Druck machen können. Nur zu sagen, dass es dazu kommen muss, das verändert ja an der Haltung der israelischen Regierung nichts. Wäre es, eine Möglichkeit zu sagen, Deutschland erkennt jetzt den Staat Palästina an, so wie das Spanien, Irland und Norwegen jetzt erst kürzlich getan haben?

Schmid: Genau diese Erfahrung zeigt ja, dass es nichts gebracht hat. Es hat die Realität in Palästina, vor allem auch im Gazastreifen, für die Palästinenser Null Komma Null verändert.

SWR Aktuell: Würde das nicht vielleicht auch eine Signalwirkung haben für die israelische Regierung, wenn jetzt sogar Deutschland umschwenkt?

Schmid: Nein, das würde erst mal gar nichts ändern. Was wir brauchen, ist dieser Waffenstillstand. Und da ist es ja nicht nur die israelische Regierung, die sich schwertut, ihn einzugehen. Auch Hamas hat die letzten Monate über immer wieder neue Forderungen erhoben und auch nicht viel Kompromissbereitschaft gezeigt. Und die Wahrheit ist, dass die Einflussmöglichkeiten auf Hamas vom Westen her sehr gering sind und die Möglichkeiten, Druck auf die israelische Regierung auszuüben, auch nicht allzu groß sind. Es sei denn, die Amerikaner setzen den Hebel an bei der Militärhilfe am. Dazu war Biden bislang nicht bereit. Was mir Hoffnung macht, ist aber der stetig wachsende Widerstand gegen das Vorgehen der israelischen Regierung in der eigenen Gesellschaft. Denn in einer Demokratie kann eine Regierung nicht auf Dauer gegen große Widerstände im eigenen Land vorgehen.

Offensichtlich hat sich Biden entschieden, Waffenlieferungen nicht als Hebel einzusetzen

SWR Aktuell: Es ist jetzt bekannt geworden, dass die USA wieder Hunderte Bomben an Israel liefern werden. Deutschland ist nach den USA der wichtigste Waffenlieferant für Israel. Ist das denn noch vertretbar? Oder hätte man damit Möglichkeiten, Druck auszuüben?

Schmid: Anders als die USA liefert Deutschland aktuell keine weiteren Waffen. Wir haben in der Vergangenheit in der Tat, vor allem nach dem 7. Oktober, Waffensysteme geliefert. Aber aktuell stehen dazu keine Entscheidungen an. Aber wir haben eben auch Waffensysteme, die weit von der Schlagkraft derjenigen entfernt sind, die die USA liefern können. Und offensichtlich hat Biden sich entschieden, das nicht als Hebel einzusetzen. Das ist bedauerlich, denn wir müssen der israelischen Regierung klarmachen, dass sie auch militärisch in der Sackgasse ist. Wenn sie jetzt erneut Zivilisten auffordern, bestimmte Gebiete im Gazastreifen zu verlassen, die eigentlich schon als befriedet galten, dann zeigt es ja, dass sich das israelische Militär im Kreis dreht, mit furchtbaren Folgen für die Zivilbevölkerung - und dass offensichtlich Israel nicht daran denkt, politisch über die Zukunft des Gazastreifens und der Palästinensergebiete insgesamt nachzudenken. Aber genau solch eine politische Lösung brauchen wir.