Energiesicherheit: CDU-Vize Jung rät zu "Wachsamkeit, nicht Panikmache"

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Autor/in
Arne Wiechern

Könnte es passieren, dass im Winter der eine oder andere Haushalt in Deutschland plötzlich im Dunkeln sitzt? Am Wochenende hat der Chef des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe BBK, Ralph Tiesler, flächendeckende Stromausfälle, so genannte Blackouts, als möglich bezeichnet. Nicht nur wegen der Energieknappheit, sondern auch um die Netze zu schützen, könnte regional und zeitlich begrenzt der Strom abgestellt werden. Die Bundesnetzagentur hat anschließend sofort gesagt: Mit so einer Entwicklung sei nicht zu rechnen. Danach hat auch das BBK klargestellt: Tiesler habe nur „die grundsätzliche Bedeutung von Vorsorgemaßnahmen“ hervorheben wollen. Darüber hat SWR-Aktuell-Moderator Arne Wiechern mit Andreas Jung gesprochen. Er ist stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender und energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

SWR Aktuell: Was sollte Ihrer Einschätzung nach diese Aussage von Ralph Tiesler: Einfach nur ein wenig Panik machen, um die Menschen aufzurütteln?

Andreas Jung: Es geht nicht um Panikmache. Er hat auf ein mögliches Szenario hingewiesen. Er hat danach klargestellt, dass es kein Szenario ist, das sehr wahrscheinlich ist. Aber er hat darauf hingewiesen, dass Vorsorge richtig ist, dass das auch die Kommunen betrifft, dass manche Kommunen da bereits viel tun, andere noch Möglichkeiten haben. Und so ist es wohl einzuordnen.

SWR Aktuell: Also würden Sie sagen, am Ende ist es dann doch eher eine Kommunikationspanne, wie das Ganze zuerst aufgefasst worden ist?

Jung: Es hat jedenfalls dann der Klarstellung der Sprecherin bedurft, um die Aussage des Präsidenten einzuordnen. Was bleibt, ist, dass wir vor einem Winter stehen, bei dem Brownouts jedenfalls von den Behörden nicht ausgeschlossen werden, dass man also wachsam bleiben muss. Ich denke, darum geht es: Keine Panikmache,  andererseits keine Beschwichtigung, sondern Wachsamkeit - und die führt zur Notwendigkeit von Vorsorge der Behörden, der Kommunen, aber auch von uns Bürgern.

SWR Aktuell: Von der Bundesnetzagentur heißt es ja, Deutschland verfüge über eines der weltweit zuverlässigsten Stromversorgungssysteme. Wenn wir auf die vergangenen Jahrzehnte schauen, mag das sicher stimmen. Aber gerade in den letzten Monaten erleben wir ja auch bei uns im Südwesten immer mal wieder Stromausfälle. Ich erinnere mich da nur an einen Fall hier zum Beispiel in Baden-Baden, bei dem im Sommer der Strom für viele Stunden weg war. Das können jetzt alles Einzelfälle sein. Aber müsste die Politik da nicht ran und für einen besseren Ausbau der Stromnetze sorgen - gerade auch im Hinblick auf den hohen Bedarf durch zum Beispiel Elektromobilität oder auch Wärmepumpen, die ja groß im Kommen sind?

Jung: Selbstverständlich ist eine ganz grundsätzliche Frage, dass die Stromnetze und auch die Stromleitungen besser ausgebaut werden müssen. Sie haben auf die Elektromobilität hingewiesen. Durch Wärmepumpen wird der Strombedarf in den Häusern größer. Das heißt, es ist eine grundsätzliche Aufgabe. Jetzt ist die kurzfristige Aufgabe, für diesen Winter für Sicherheit zu sorgen. Baden-Baden liegt wie viele andere deutsche Gemeinden an der Grenze zu Frankreich. In Frankreich warnt die zuständige Netzagentur tatsächlich vor Brownouts in diesem Winter. Dort ist die Lage noch mal zugespitzter dadurch, dass wenig Strom zur Verfügung steht, und dass dort viel mit Strom geheizt wird. Und es zeigt einfach, dass es notwendig ist, in dieser Situation alle Kapazitäten zu nutzen. Das gilt für diesen Winter. Es gilt aber dann auch für den Winter 23/24. Und da erwarten wir, dass die Bundesregierung die notwendige Entscheidungen noch trifft, dass sie insbesondere einen Stresstest wie für diesen Winter durchgeführt wurde, jetzt auch für den nächsten Winter durchgeführt wird - mit den Annahmen, die dann kommen könnten. Und insofern bleibt es eine politische Aufgabe.

SWR Aktuell: Sehen Sie denn, dass die Bundesregierung das aktuell auch wirklich tut, dass dieser Weg dahin geebnet ist?

Jung: Für den nächsten Winter hat die Bundesregierung entschieden, Braun- und Steinkohlekraftwerke hochzufahren. Die deutschen Kernkraftwerke sollen aber im Frühjahr abgestellt werden. Das ist eine Politik, die Kohle lastig ist und die nicht alle Kapazitäten ausschöpft, in einer Situation, bei der wir eben gerade nicht wissen, was im nächsten Winter kommt, wie wir über diesen Winter kommen. Werden die Gasspeicher nach diesem Winter ganz leer sein - oder werden sie noch halbwegs gefüllt sein? Da gibt es viele Unbekannte. Diese Woche wird nun endlich ein deutsch-französisches Solidaritätsabkommen verabschiedet. Da soll drinstehen, dass, um Notlagen abzuwenden, Frankreich Deutschland mit Gas hilft und Deutschland Frankreich Strom liefert. Wenn man so ein Abkommen abschließt, dann sollte man das ja nicht befristen auf das nächste Frühjahr, sondern man sollte es für die ganze Zeit der Krise verabschieden - um gemeinsam sich gegen diese Krise zu stemmen. Dann muss man in den nächsten beiden Wintern alles tun. Und da hat die Bundesregierung noch Nachholbedarf.

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Arne Wiechern