Roland Hamm (li.) vom Städtepartnerschaftsverein Aalen neben OB Lütfü Savaş, bei der Reise einer Aalener Delegation im Januar nach Hatay.

Kommunalwahl in der Türkei

Interview mit Roland Hamm: Wahlmanipulation in Aalens Partnerregion Hatay?

Stand
INTERVIEW
Rainer Schlenz

In Aalens Partnerprovinz Hatay wurde der Oberbürgermeister von der oppositionellen CHP abgewählt. Roland Hamm vom Partnerschaftsverein berichtet im Interview, dass der OB Wahlmanipulation vermutet.

Bei den Kommunalwahlen in der Türkei hat die Partei von Präsident Erdogan eine Niederlage hinnehmen müssen. Stärkste Kraft wurde die oppositionelle CHP. In Aalens Partnerregion Hatay hingegen lief es umgekehrt: Dort unterlag Oberbürgermeister Lütfü Savaş von der CHP. Gewinner war mit 44,47 Prozent der Herausforderer der AKP, also der Erdogan-Partei. Das berichtet die "Schwäbische Post".

Savaş hat das Wahlergebnis am Dienstag angefochten. SWR aktuell hat mit Roland Hamm vom "Städtepartnerschaftsverein Aalen" über die Ereignisse in Hatay gesprochen.

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SWR aktuell: Herr Hamm, bis kurz vor Ende der Auszählung der Stimmen lag Amtsinhaber Lütfü Savaş (CHP) vorn. Am Morgen nach der Wahl aber stand Herausforderer Mehmet Ontürk von der islamisch-konservativen Partei AKP als Wahlsieger fest. Wie beurteilen Sie das Wahlergebnis?

Roland Hamm: Lütfü Savaş hat noch in der Nacht erklärt, dass es mehrere Hinweise darauf gibt, dass Urnen aus ländlichen Gegenden ohne Schutzbegleitung in das Zentrale Wahlbüro nach Antakya gebracht worden sind. Und dass man vermutet, dass es auf dieser Strecke Manipulationen oder Veränderungen gab, beziehungsweise Stimmen verschwunden sind. Savaş hat weiter erklärt, dass er am Dienstag in Begleitung von mehreren Parlamentsabgeordneten Einspruch bei der Wahlkommission erhoben hat und die Überprüfung der Ergebnisse einfordert.

SWR aktuell: Wie konkret sind denn die Hinweise oder Beweise, dass es da auf diesem Transport nach Antakya Manipulationen gab?

Hamm: Ich kann das von Aalen aus natürlich nicht beurteilen. Was ich allerdings als langjähriger Beobachter der politischen Szene in der Türkei und in Antakya durchaus weiß, ist, dass es eigentlich regelmäßig bei Wahlen zu Unregelmäßigkeiten in der Vergangenheit gekommen ist. Egal, ob es Parlamentswahlen oder auch Kommunalwahlen waren. Die Vorwürfe halten sich über viele, viele Jahre immer wieder. Teilweise haben sich die Vorwürfe bestätigt, teilweise nicht. Aber das hängt dann halt immer auch von den Mehrheitsverhältnissen der Untersuchenden ab, ob man sich da durchsetzt oder nicht. Aber ich will ein anderes Beispiel zeigen: In dem Bezirk Van hat der CHP-Kandidat die Wahl eindeutig gewonnen. Und die AKP-Regierung hat einfach kurzerhand den AKP-Kandidaten zum Bürgermeister erklärt.

SWR aktuell: Mit welcher Begründung?

Hamm: Mit gar keiner Begründung. Sie haben ihn jetzt eingesetzt, und er sei der eigentliche Sieger. Und damit ist es für die erstmal erledigt. Dagegen regt sich jetzt landesweit in der Türkei Protest. Kann man auch auf Facebook und Instagram verfolgen, diese Ungeheuerlichkeit. Ich nenne das Beispiel deshalb, um ein Stück weit zu unterstreichen, dass man mit allem möglichen rechnen muss. Nur ob man es am Ende beweisen kann, da mache ich mal ein Fragezeichen.

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SWR aktuell: Das heißt, Sie halten auf jeden Fall den Vorwurf, den Herr Savaş erhebt, für glaubhaft?

Hamm: Ja, den halte ich durchaus für realistisch und auch für glaubhaft. Herrn Savaş kenne ich jetzt seit mehr als zwei Jahrzehnten über unterschiedliche Funktionen der Zusammenarbeit und habe ihn als einen sehr integeren Menschen kennengelernt. Er hat auch während des Erdbebens sein Menschenmöglichstes versucht, aber vergeblich auf Hilfe der Regierungsorganisationen gewartet. Und deswegen ist auch das Ausmaß des Bebens nach wie vor in Antakya schrecklich.

SWR aktuell: Wegen des Erdbebens soll ja mit Hilfe aus Aalen eine Rehaklinik in Hatay errichtet werden. Da geht es um einen Betrag von 500.000 Euro, der aus Aalen kommen soll. Wie geht es denn weiter mit der Städtepartnerschaft?

Hamm: Sollte Mehmet Ontürk tatsächlich der neue Oberbürgermeister werden, ist das ganz schwierig zu beurteilen. Ich kenne ihn persönlich nicht. Er stammt wohl aus Antakya, ist aber öffentlich nicht in Erscheinung getreten vor dem Wahlkampf. Von daher ist es schwer einzuschätzen. Unser letztes großes Projekt, den Bau einer Schule für syrische Flüchtlingskinder auf dem Territorium von Hatay, hatten wir auch schon unter der Ägide von Lütfü Savaş gemacht und haben da ausgesprochen positive Erfahrungen gemacht. Das war zuverlässig. Wir hatten in jeder Phase das Gefühl, dass unser Geld zielgerichtet eingesetzt wird und konnten das auch überprüfen. Aber nun? Keine Ahnung, wie es weitergeht. Fakt ist, dass wir noch keinen Euro überwiesen haben. Es gilt die alte positive Erfahrung: Geld gibt es immer nur dann, wenn es entsprechende Baufortschritte gibt, die wir überprüfen konnten. Und dann überweisen wir die jeweilige Rate, die gerade fällig ist.

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