Ein ausgedruckter Wohngeldantrag, der gerade ausgefüllt wird.  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Robert Michael)

Viel mehr Anträge seit Reform

Wohngeld in Freiburg: Lange Wartezeiten und finanzielle Sorgen

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Samantha Happ
Samantha Happ (Foto: SWR DASDING)

Wer in Freiburg Wohngeld beantragt, wartet aktuell zum Teil monatelang auf eine Antwort. Menschen, die auf das Geld angewiesen sind, bringt das in eine finanzielle Notlage.

Das Wohngeld ist als Entlastung für Menschen mit geringem Einkommen gedacht, für viele Antragstellerinnen und Antragsteller in Südbaden wird es aber zur Zerreißprobe: In Freiburg müssen einige mehrere Monate auf eine Antwort und das Geld vom Amt warten.

Mit dem sogenannten Wohngeld-Plus-Gesetz ist zu Jahresbeginn 2023 die nach Angaben des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) größte Wohngeldreform in der deutschen Geschichte in Kraft getreten. Während davor rund 600.000 Haushalte mit geringem Einkommen Anspruch auf Wohngeld hatten, sind es laut Ministerium jetzt knapp zwei Millionen.

Zehn Monate Wartezeit

Viel mehr Anträge also, um die sich die Behörden kümmern müssen. Aber schon vor der Reform gab es teils lange Bearbeitungszeiten, wie Betroffene berichten. Zehn Monate wartete zum Beispiel Jannis Niethammer aus Freiburg auf einen Bescheid. "Zuletzt bin ich jeden Tag zum Briefkasten gegangen, um zu schauen, ob der Bescheid da ist", erzählt er. Er hatte davor schon einmal Wohngeld bekommen und lediglich einen Folgeantrag stellen müssen, was die lange Wartezeit aus seiner Sicht noch einmal absurder macht.

"Die Wartezeit ist auf Dauer unglaublich frustrierend, weil man diese Unsicherheit hat, weil man nicht weiß, ob man das Geld bekommt, wann man es bekommt und wie viel man bekommt."

Nach ihrem Umzug nach Freiburg beantragte auch Ana-Maria Simatic Wohngeld. Während die Bewilligung an ihrem früheren Wohnort schnell und ohne Probleme erfolgt war, wartet sie seit Februar auf Nachricht vom Amt in Freiburg.

"Ich weiß nicht, wie ich Essen für mein Kind kaufen soll."

Um die Miete bezahlen zu können, muss sie auf das Geld zurückgreifen, das sie für Notfälle zur Seite gelegt hat. Doch da sei langsam nicht mehr viel übrig. "Es ist einfach super stressig, wenn schon am Anfang des Monats nur noch 200 Euro auf dem Konto sind und ich davon einen ganzen Monat lang mit meinem Kind leben soll", klagt Simatic. Sie weiß zwar, dass sie berechtigt ist, Wohngeld zu beziehen. Aber es mache sie wahnsinnig, nicht zu wissen, wann das Geld kommt und wie viel sie bekommen wird.

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Private Schulden aufnehmen, um Miete zu bezahlen

Um seine Miete bezahlen zu können, musste Jannis Niethammer einen privaten Kredit bei Bekannten und seinen Eltern aufnehmen - immer in der Ungewissheit, ob er das Wohngeld irgendwann bekommen wird und seine Schulden dann zurückzahlen kann. Immerhin waren es knapp 4.000 Euro. Unterstützung, auf die nicht jeder zurückgreifen kann. "Andernfalls hätte ich mir einen anderen Job und eine günstigere Wohnung suchen müssen", sagt Niethammer. Wie sehr ihn die Situation über all die Monate belastet hat, sei ihm erst so richtig bewusst geworden, als er den Bescheid dann in den Händen gehalten hat.

"Ich musste vor dem Amt rechtfertigen, wie ich während der Wartezeit meinen Lebensunterhalt bezahlen konnte."

Als besonders absurd empfindet Jannis Niethammer, dass er sich anschließend rechtfertigen musste, wie er denn während der langen Wartezeit seine Kosten decken konnte. Das Amt prüft, ob das geliehene Geld bei der Berechnung der Höhe des Wohngeldes berücksichtigt werden muss. "Ich musste einen Vertrag mit meinen Eltern machen, dass ich ihnen das Geld wieder zurückzahle, das ich mir ja nur wegen der langen Wartezeiten leihen musste."

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Dass nun deutlich mehr Menschen berechtigt sind, Wohngeld zu beantragen, das zeigt sich auch bei den eingegangenen Anträgen im Amt für Liegenschaften und Wohnungswesen in Freiburg. 2022 waren es noch 720 Wohngeldanträge, im Januar 2023 bereits 1.573. Ein Anstieg von 118 Prozent, wie die Stadt Freiburg in einer Erklärung vor dem Gemeinderat am 25. April 2023 offenlegte. Auch im Februar sei die Zahl der Anträge deutlich gestiegen. Das wirkt sich auf die Wartezeiten aus.

Wohngeldreform stellt Stadt vor Herausforderungen

Im Herbst 2022 habe die Stadt Freiburg die ämterübergreifende "Taskforce Wohngeldnovelle 2023" eingerichtet - kurz nachdem sie erfahren habe, dass das Wohngeld neu geregelt wird, erklärt Constantin Denk, Abteilungsleiter beim Amt für Liegenschaften und Wohnungswesen in Freiburg. Um die Bearbeitungszeit zu verkürzen, habe man zwölf weitere Stellen geschaffen. Doch es brauche Zeit, die Leute einzulernen. Knapp ein Jahr dauere es, bis neue Mitarbeitende komplett ausgebildet seien, davor könnten sie aber zumindest schon bei der Bearbeitung unterstützen, erklärt Denk.

Vieles liegt in der Hand der Landes- und Bundesregierung

Für eine deutliche Entlastung soll die Möglichkeit sorgen, Anträge auf Wohngeld online zu stellen. Auf der Webseite der Stadt Freiburg gibt es unter anderem ein Erklärvideo, ausführliche Informationen zu den benötigten Unterlagen und einen Wohngeld-Rechner, mit dem Menschen ausrechnen können, ob sie die Anforderungen für Wohngeld erfüllen und es sich lohnt, einen Antrag einzureichen. Den gibt es allerdings nur in deutscher Sprache. Die Online-Beantragung gilt außerdem nur für Neu- oder Erstanträge. Folgeanträge könne man auf diesem Weg noch nicht stellen, hieß es von der Stadt Freiburg im Gemeinderat. Die Verantwortung für den Ausbau des Online-Angebots liege aber beim Land Baden-Württemberg.

Vorläufige Wohngeld-Zahlungen seit Januar

Um Existenzängste und finanzielle Notlagen zu verhindern, gibt es seit Einführung des neuen Gesetzes die Möglichkeit, den Menschen vorläufige Wohngeld-Zahlungen zu überweisen, wenn das Prüfungsverfahren absehbar länger dauert. Doch auch dazu sei eine sehr detaillierte Prüfung der Anträge nötig. Deswegen setzt die Stadt Freiburg nach eigenen Angaben darauf, die Anträge direkt ausführlich und für den Bewilligungszeitraum von zwei Jahren zu prüfen. Und es gibt da noch ein anderes Problem: "Wir sind technisch noch nicht in der Lage dazu, vorläufige Zahlungen zu veranlassen", sagt Denk. Auch dafür sei die Landesregierung zuständig.

"Wohngeld ist grundsätzlich ein Zuschuss zum Lebensunterhalt, es ist keine existenzsichernde Leistung im klassischen Sinne."

In der Regel gehe man davon aus, dass die Antragstellerinnen und Antragsteller ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, es sei eben keine Grundsicherung. Nichtsdestotrotz müsse man bei einem vollständigen Wohngeldantrag aktuell nicht länger als zehn Wochen auf den Bescheid warten, sagt Denk. Außerdem bekomme man das Wohngeld ja auch rückwirkend für den Zeitraum des Prüfverfahrens ausbezahlt.

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