Die Fragebögen zur Grundsteuerreform sind in Rheinland-Pfalz nicht ordnungsgemäß verschickt worden. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa | Oliver Berg)

Frist für Grundsteuerreform könnte verlängert werden

Finanzministerium BW stellt Aufschub bei Grundsteuer in Aussicht

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Eigentlich müssen Hausbesitzer ihre Grundsteuererklärung bis Ende Oktober abgeben. Vielleicht könnten sie in Baden-Württemberg dafür aber mehr Zeit bekommen.

Eigentümerinnen und Eigentümer von privaten Grundstücken bekommen in Baden-Württemberg voraussichtlich doch etwas mehr Zeit für die Abgabe ihrer Grundsteuererklärung. Eigentlich muss die sogenannte Feststellungserklärung bis Ende Oktober abgegeben werden. Doch Finanzstaatssekretärin Gisela Splett (Grüne) sagte am Dienstag in Stuttgart: "Es wird Erinnerungen geben, wenn man nicht fristgerecht abgibt - wahrscheinlich erst Anfang nächsten Jahres."

Finanzministerium: Frist könnte verlängert werden

Die Grünen-Politikerin zeigte sich auch offen für eine offizielle Verlängerung der Abgabefrist: "Wir sind da auch nicht grundsätzlich verschlossen dieser Debatte gegenüber, aber im Moment sehen wir da noch keinen Handlungsbedarf." Es gibt Unmut über IT-Probleme und aus Sicht der Eigentümer zu komplizierte Vorgaben der Finanzbehörden. Die Opposition spricht von "Chaos", der Bund der Steuerzahler von "Verzweiflung" bei vielen Grundstücksbesitzern.

Seit Anfang Juli hätten 17 Prozent der über vier Millionen Eigentümerinnen und Eigentümer in Baden-Württemberg ihre Erklärung abgegeben, erklärte Splett. Man erwarte aber, dass die Zahlen noch deutlich steigen. So sei gerade noch Ferienzeit. Zudem gebe es die Erfahrung, dass viele Erklärungen häufig erst kurz vor Fristende eingingen. Die Staatssekretärin sagte weiter, es sei nichts Ungewöhnliches, "dass wir bei Ablauf der Frist nicht bei 100 Prozent sind".

Kritik aus mehreren Richtungen am Elster-Portal

Ottmar Warnecke vom Grundbesitzerverein Haus und Grund kritisiert vor allem das komplizierte Verfahren. Gerade das Elster-Portal, über das die meisten Erklärungen abgegeben werden, sieht er als wenig nutzerfreundlich: "Es dient der Finanzverwaltung, aber nicht den Bürgern. Und ich bin der Auffassung: Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler."

Finanzstaatssekretärin Splett erklärte, dass man mit der Benutzerfreundlichkeit des Elster-Portals auch nicht zufrieden sei. "Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass Elster künftig besser wird. Das System muss von den Bürgern und Bürgerinnen her gedacht werden und nicht von der Verwaltung", sagte Splett. Die Steuerverwaltung und das Ministerium hätten aber mittlerweile über ihre digitalen Kanäle Ausfüllhilfen zur Verfügung gestellt.

Ab 2025 soll eine neue Grundsteuer-Berechnung gelten. Das geschieht auf Grundlage von Angaben, die Eigentümer nun einreichen müssen. Mitte Juli kam es dabei bei der Steuer-Plattform Elster zu technischen Schwierigkeiten. Sie war vorübergehend nicht erreichbar. Die Bundessteuerberaterkammer und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag forderten daraufhin eine Verlängerung der Abgabefrist.

BW will weniger Informationen als andere Bundesländer

Die Feststellungserklärung muss nach dem Willen des Fiskus elektronisch abgegeben werden. Formulare sollen nur noch in Ausnahmefällen zulässig sein. Nach Angaben des Finanzministeriums in Stuttgart werden - anders als in anderen Bundesländern - lediglich das Aktenzeichen, die Grundstücksfläche, der Bodenrichtwert und unter Umständen die überwiegende Nutzung zu Wohnzwecken abgefragt. Der Bodenrichtwert wird vom Gutachterausschuss der jeweiligen Kommune ermittelt. Er gibt den durchschnittlichen Lagewert des Bodens in Euro pro Quadratmeter innerhalb eines bestimmten Gebiets wieder. Angaben über Art der Immobilie, die Wohn- und Nutzfläche oder das Baujahr werden nicht benötigt.

Splett warb um Verständnis dafür, dass man auf elektronische Erklärungen setze, diese seien erfahrungsgemäß von höherer Qualität. Sie verwies aber auch darauf, dass sich ältere Menschen von Angehörigen unterstützen lassen könnten. So könnten Kinder über ihren Zugang zum Elster-Portal die Erklärung für ihre Eltern abgeben. Dass die Erklärung ausgedruckt doch sieben Seiten lang sei, liege daran, dass es so viele unterschiedliche Konstellationen gebe. "Das ist der Realität geschuldet."

Bund der Steuerzahler BW fordert Fristverlängerung

Eike Möller, Landeschef des Bundes der Steuerzahler, verlangte eine Verlängerung der Abgabefrist: "Warum die Bürger lediglich vier Sommer-Monate für die Erklärungsabgabe zur Verfügung haben, erschließt sich nicht." Er monierte zudem, dass anders als in Bayern in Baden-Württemberg die Formulare in Papierform beim Finanzamt extra angefordert werden müssen. Möller verwies auch darauf, das Erfassungssystem beim Bundesmodell führe die Nutzerinnen und Nutzer gut verständlich bis zum finalen Versand. Das in Baden-Württemberg notwendige Elster-Programm habe in den vergangenen Wochen "viele Bürger zur Verzweiflung gebracht".

Scharfe Kritik von der Opposition

Die SPD-Fraktion erklärte, der "Alleingang" des Landes bei der Grundsteuer sei "ein schwerer Fehler" gewesen. Fraktionsvize Nicolas Fink sagte: "In Baden-Württemberg gibt es keine vereinfachten Verfahren wie in anderen Ländern, und es hakt gewaltig mit den eilig erhobenen Bodenrichtwerten. Zudem sollen die Steuerpflichtigen im Land auch noch weitgehende Korrekturen vornehmen. Da ist das Chaos programmiert."

Frank Bonath von der FDP-Fraktion sagte, die bisherige Abgabequote von 17 Prozent zeige, "dass der Zeitplan der Regierung von Anfang an zum Scheitern verurteilt war". So sieht das auch die AfD: "Es ist gänzlich unverständlich, wie das Finanzministerium sich sehenden Auges in den Abgrund stürzen konnte", sagte Fraktionschef Bernd Gögel.

Grundsteuer eine maßgebliche Einnahmequelle für das Land

Die Grundsteuer zahlt jeder Hauseigentümer. In der Regel reicht er sie über die Nebenkostenabrechnung an seine Mieter weiter. Bisher haben die Finanzämter die Steuer für eine Immobilie auf Grundlage veralteter Daten berechnet. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Regelung gekippt. Der Bund beschloss Ende 2019 ein neues Grundsteuergesetz. In dieses Modell fließen neben Grundstücksfläche und Bodenrichtwert auch noch Immobilienart, Nettokaltmiete, Gebäudefläche und Gebäudealter ein. Die Bundesländer können davon abweichen, wenn sie eigene Gesetze verabschieden. Die Kommunen im Land nehmen aus der Steuer jährlich 1,8 Milliarden Euro ein. Die Grundsteuer ist also neben der Gewerbesteuer eine der maßgeblichen Einnahmequellen der Gemeinden.

Rekordwert bei Einkommenssteuer 2021

Das Finanzministerium in Stuttgart stellte am Dienstag außerdem die Bilanz der Steuerverwaltung für 2021 vor. Die baden-württembergischen Finanzämter haben demnach im vergangenen Jahr mehr als 4,3 Millionen Einkommensteuererklärungen bearbeitet - so viele wie noch nie. Die steigende Zahl von Steuererklärungen hat auch zu höheren Einnahmen geführt: 84,6 Milliarden Euro sind nach Angaben von Splett ein neuer Rekordwert. Der größte Anteil entfällt mit 36,5 Milliarden Euro auf die Lohnsteuer. Wegen des Immobilienbooms sind auch die Grunderwerbsteuer-Einnahmen um neun Prozent auf 2,5 Milliarden Euro gestiegen.

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