Innenministerium weist Kritik zurück

Björn Steiger Stiftung: "BW-Rettungsdienstgesetz senkt Überlebenschancen von Patienten"

Stand

Rettungswagen sollen in zwölf Minuten vor Ort sein, bei Notfällen soll stärker differenziert werden. Die Björn Steiger Stiftung hält diese neuen Vorgaben in BW für untragbar.

Die Björn Steiger Stiftung aus Winnenden (Rems-Murr-Kreis) will gerichtlich gegen das neue baden-württembergische Rettungsdienstgesetz vorgehen. Derzeit bereite man eine Verfassungsbeschwerde am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor, erklärt die Stiftung in einer Pressemitteilung. Fehlerhafte Vorgaben und veraltete Organisationsstrukturen würden die Überlebenschancen von Notfall-Patienten und -Patientinnen in Baden-Württemberg senken. Das im Juli verabschiedete Gesetz zementiere eine jahrelange Entwicklung.

Stiftung: Rettungsdienst entspricht nicht internationalen Standards

Das Land komme seiner Pflicht zur Wahrung der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger nur ungenügend nach, weil die Zuständigkeiten und Strukturen bei Notfällen nicht umfassend geklärt seien, so die Stiftung. Die Strukturen entsprächen auch weiterhin nicht internationalen Standards. Die Stiftung argumentiert mit dem Grundgesetz und dem darin verankerten Schutz der Menschenwürde und dem Recht auf Leben und körperlicher Unversehrheit. Dadurch hätten die Bürgerinnen und Bürger ein Recht auf ein funktionierendes Rettungssystem. Dass es dieses System in Baden-Württemberg gibt, stellt die Stiftung in Frage. Alles Wesentliche werde in dem Gesetz offen gelassen oder sei unzureichend geregelt.

Das baden-württembergische Innenministerium weist die Kritik zurück. Ein Sprecher erklärte, das Rettungswesen in Baden-Württemberg sei sehr gut aufgestellt. In einer Erklärung, die dem SWR vorliegt, heißt es, "das neue Rettungsdienstgesetz stellt deshalb die Weichen für einen zukunftsfähigen und noch schnelleren, am Wohle der Patienten orientierten Rettungsdienst. Die neuen Planungsfristen zielen darauf ab, die rettungsdienstliche Versorgung im Interesse der Patientinnen und Patienten deutlich zu verbessern." Eine detaillierte Regelung der operativen Fragestellungen durch eine Behörde sei jedoch nicht das Ziel.

Da noch keine Begründung für die Verfassungsbeschwerde vorliegt, könne das Innenministerium inhaltlich "noch wenig Konkretes" dazu sagen, heißt es weiter.

Die Stiftung kritisiert fehlerhafte Vorgaben

Das neue Gesetz sieht vor, dass Rettungskräfte künftig in 95 Prozent der Fälle innerhalb von zwölf Minuten am Einsatzort sein sollen. Zuvor galt eine Zeitspanne von 10 bis 15 Minuten für Rettungswagen (RTW) - aber selbst die 15-Minuten-Vorgabe wurde in den meisten Landkreisen gerissen. Wie diese Zwölf-Minuten-Frist künftig eingehalten werden soll, sei völlig unklar, so die Stiftung. Dem Innenministerium und den Hilfsorganisationen werde ohne gesetzliche Vorgaben frei überlassen, wie die Menschen innerhalb der erforderlichen Frist in Notfällen gerettet werden sollen.

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Der Präsident der Björn Steiger Stiftung, Pierre-Enric Steiger, kritisiert die baden-württembergische Landesregierung scharf. Er wirft der grün-schwarzen Landesregierung vor, mit dem Gesetz 20 Prozent der Herzinfarktpatienten faktisch als 'nicht rettbar' zu erklären. So sei im Gesetz zwar festgelegt, dass es bei bestimmten Notfällen nur eine Stunde dauern darf, bis Betroffene im Krankenhaus sind. Diese Frist müsse aber nur in 80 Prozent der Fälle eingehalten werden. Dies stehe mit der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates auf keinen Fall im Einklang.

Bei einem solchen Gesetz sterben jeden Tag Menschen alleine wegen der gesetzlichen Planungsvorgaben.

"Gesetz alles andere als innovativ und zeitgemäß"

Das deutsche und damit auch das baden-württembergische Rettungssystem bezeichnet Pierre-Enric Steiger als völlig veraltet. Die bestehenden Strukturen entsprächen denjenigen aus den 1970er Jahren und lägen im internationalen Vergleich inzwischen auf dem Niveau von Entwicklungsländern. Leidtragende und Opfer dieses Gesetzes seien neben den Notfallpatienten auch die Mitarbeitenden im Rettungsdienst: "Diesen gibt das Gesetz keinen rechtssicheren Rahmen für ihre Berufsausübung und keine auf die Zukunft gerichtete Struktur und Entwicklungsmöglichkeit.“

Die Stiftung kritisiert auch die Planungen der Einsatzfahrzeuge in Baden-Württemberg als völlig unzureichend. Das führe insbesondere im ländlichen Raum dazu, dass mit dem Wegfall eines kurzfristig verfügbaren Notarztes gerechnet werden müsse, so die Stiftung.

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Kommentare (2)

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  1. Kommentar von
    Isabel
    Verfasst am

    Da muss sich eindeutig was ändern! Meine Großmutter ist Anfang des Jahres nachts gestürzt und war bewusstlos und hat aus dem Mund geschäumt und geröchelt...sie wiegt etwas mehr und wir hatten Probleme sie selbst aufzurichten. Glauben Sie der Notruf ist gekommen um sie in die Notaufnahme zu bringen???NEIN!! Da kamen nur unnötige Fragen als Antwort sowas ob sie ansprechbar sei etc...wir hatten deutlich gesagt sie ist bewusstlos und die haben sich geweigert ein Rettungsdienst zu schicken weil es anscheinend kein Notfall sei! Es hat sich herausgestellt dass meine Großmutter 5 gebrochene Wirbel hatte und eine dringende OP benötigt. Jetzt ist sie kaum noch selbstständig...ich habe das Vertrauen verloren und bin mir bewusst, dass wenn ich in so eine Lage komme, wahrscheinlich auch keine Hilfe kommen wird. Zum Glück waren jemand von uns bei ihr als das passiert ist!

  2. Kommentar von
    Jue.So Jürgen Sojka
    Verfasst am

    Was ist jenen wichtig, die, als Entscheidungsträger für unsere Gesellschaft, die Folgenabschätzung [Fn_1] zu bedenken haben?!? _ Wichtig ist wiedergewählt zu werden, also auf den Wahlzetteln zu oberst eingesetzt sein!!! _ Eben auch in oberste Positionen der Verwaltung auf Gemeindeebene (GemO BW uns RLP § 1), Landesebene, Bundesebene und entsandt auf EU-Ebene – von in PARTEIEN organisierten wird die Auswahl getroffen; zum eigenen Nutzen, nicht zum Nutzen der Gesellschaft, also _uns allen_ GG Art. 20 Abs. 2, Satz 1 „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ __ [Fußnote_1] Konrad Adenauer auf dem 7. Bundesparteitag der CDU in Hamburg am 12.05.1957 „Das Unterlassen ist die negative Seite des Handelns (Beifall). Durch ein Unterlassen kann man genau so schuldig werden wie durch ein Handeln (Starker Beifall). … Sagen möchte ich nun, daß mir diese Gewissenskonflikte wahrhaftig nicht fremd sind.“

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