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Robert Koch – Ein Mikrobenjäger revolutioniert die Medizin

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Andrea Lueg
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Robert Koch (1843 - 1910) gilt als Begründer der modernen Mikrobiologie und ist Namensgeber des berühmten Instituts in Berlin. Seine Forschung rettete Leben, ist heute aber wieder sehr umstritten.

Am 11. Dezember 1843, vor 180 Jahren, wurde er geboren.

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RKI: Aufklärung und Schutz der Bevölkerung vor Infektionskrankheiten

Frühjahr 2020, Pressekonferenz des Robert-Koch-Instituts in Berlin. In Corona-Zeiten ist Lothar Wieler, der Chef des Instituts, ein gefragter Mann. Wie hoch sind die aktuellen Infektionszahlen? Gibt es neue Erkenntnisse über die Schutzfunktion der Mund-Nasen-Maske? Wie viel Abstand ist geboten? Während der Pandemie ist das Robert-Koch-Institut täglich in den Medien.

Die Aufgaben des Instituts sind klar: Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter forschen an Infektionskrankheiten, um die Bevölkerung bestmöglich aufzuklären und zu schützen. Die Grundlage dafür legte der Namensgeber des Instituts. Doch längst haben die Demonstrationen gegen Rassismus und der Streit um die koloniale Vergangenheit Deutschlands auch ihn erreicht.

Robert Koch (1843 - 1910) links neben seiner Mutter als ungefähr 10-Jähriger. Robert war das dritte von 13 Kindern und wurde in Clausthal geboren. Sein Vater führte die Aufsicht über den Bergbau des Oberharzes. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, akg-image)
Robert Koch (1843 - 1910) links neben seiner Mutter als ungefähr 10-Jähriger. Robert war das dritte von 13 Kindern und wurde in Clausthal geboren. Sein Vater führte die Aufsicht über den Bergbau des Oberharzes.

Robert Kochs Postulate gelten in mikrobiologischen Labors noch heute

Robert Koch entwickelte ab etwa 1875 neue Verfahren zum Nachweis von Bakterien. Koch und seine Mitarbeiter färbten zum Beispiel Bakterien ein, um sie unter dem Mikroskop besser erkennen zu können, sie arbeiteten mit festen Nährböden und entwickelten die Mikro-Fotografie. Die sogenannten "Koch’schen Postulate" werden aufgestellt – vier feste Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit ein Mikroorganismus als Erreger einer bestimmten Krankheit bezeichnet werden darf. Dazu gehören auch Experimente an Tieren. Robert Kochs Postulate gelten in mikrobiologischen Labors noch heute, auch wenn die Methoden weiterentwickelt worden sind.

Robert Koch entdeckt 1882 die Tuberkulose-Bazillen

1880 kommt eine Berufung an das gerade erst gegründete Kaiserliche Gesundheitsamt in Berlin. Robert Koch will den Tuberkulose-Erreger identifizieren und damit groß rauskommen. Das ist schwieriger als gedacht; der Erreger ist kleiner als alle Erreger, die Koch zu der Zeit schon kannte, und unter dem Mikroskop nicht ohne weiteres sichtbar.

Erst mit einer Doppelfärbemethode, die Koch entwickelt, gelingt es ihm laut seinen Notizen "zum ersten Male sehr feine stäbchenartige Gebilde" auszumachen. Nun muss Robert Koch eine Reinkultur gewinnen und nachweisen, dass die Tuberkulosebakterien tatsächlich die Krankheit auslösen. Seine Tests an Meerschweinchen sind erfolgreich. Er hat den Erreger der Tuberkulose gefunden.

Robert Koch in seinem Labor (undatierte Aufnahme). 1905 erziehlt er den Medizinnobelpreis "für seine Untersuchungen und Entdeckungen auf dem Gebiet der Tuberkulose" (Foto: IMAGO, imago images / Leemage)
Robert Koch in seinem Labor (undatierte Aufnahme). 1905 erziehlt er den Medizinnobelpreis "für seine Untersuchungen und Entdeckungen auf dem Gebiet der Tuberkulose"

Robert Koch identifiziert 1884 das Cholera-Bakterium und wird zum Star

Zu einem wirklichen Medienstar wird Koch zwei Jahre später: in Ägypten bricht die Cholera aus, sozusagen vor den Toren Europas. Koch gelingt es während einer Expedition nach Ägypten und später Indien, den Cholera-Erreger zu identifizieren. "Kommabazillus" nennt er ihn wegen seiner Form. Schon während der Reise berichten die Zeitungen regelmäßig, fast jeder Deutsche kennt jetzt Kochs Namen. Man kann Tassen, Uhren und Taschentücher mit seinem Konterfei kaufen.

Mit seinem französischen Gegenspieler Louis Pasteur verstrickt Koch sich jedoch Anfang der 1880er-Jahre immer mehr in einen Disput über den Milzbrand. Frankreich ist damals noch der "Erzfeind" Deutschlands, der deutsch-französische Krieg erst 14 Jahre vorbei. Pasteur präsentiert 1885 ein Immunserum gegen die Tollwut und setzt Koch damit weiter unter Druck. Koch will auch endlich mit einem Heilmittel gegen Tuberkulose brillieren.

1890: Robert Koch präsentiert sein Tuberkulin – und enttäuscht

Im Herbst 1890 ist es endlich so weit: Koch präsentiert sein "Tuberkulin", ein Tuberkulose-Heilmittel, auf dem Zehnten Internationalen Medizinischen Kongress in Berlin. Die Begeisterung ist riesig. Die Rezeptur des Tuberkulins verrät Koch nicht. Das braucht er auch nicht, denn es gibt damals keinen Patentschutz für Medikamente. Die Menschen vertrauen seinem großen Namen. Nur: Das Heilmittel heilt nicht.

Schon um die Jahreswende 1890/91 legt sich die Euphorie um das Tuberkulin. Patienten, die damit geimpft werden, sterben auf dramatische Art und Weise. Es stellt sich heraus: Das angebliche Heilmittel Tuberkulin ist nur ein Extrakt aus Kulturen von Tuberkulosebazillen, in Glyzerin aufgelöst. Eine gefährliche Mischung. Und schlimmer noch: Robert Koch weiß offenbar selbst überhaupt nicht, wie dieses Mittel wirken soll.

Hinzu kommt ein privates Drama. Robert Koch, damals 48 und verheiratet, verliebt sich in die 17-jährige Kunststudentin Hedwig Freiberg. Die Affäre wird 1891 bekannt und beschädigt seinen Ruf weiter. Zwei Jahre später heiratet er Hedwig Freiberg. Und trotz der Turbulenzen wird Robert Koch im Sommer 1891 Direktor das Königlich Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten, das ab 1912 Robert Koch-Institut heißt. Zu seinem Einstand als Direktor bekommt der berühmte Bakteriologe ein paar Auflagen: Er darf keine Privatpraxis führen und verliert alle Patente auf Erfindungen, die er am Institut macht.

Sieg über die Cholera 1892: Robert Koch lässt Hamburg desinfizieren

Ein Jahr später kann Robert Koch noch einmal glänzen: 1892 breitet sich in Hamburg die Cholera aus. Der Sommer des Jahres ist in der Hafenstadt ungewöhnlich heiß. Die Elbe führt wenig Wasser. Entsprechend warm ist das Wasser und damit ideal für Keime. Am schlimmsten aber sind die katastrophalen Wohnbedingungen der armen Menschen in Hamburg. Die Reichen haben die Stadt bei Bekanntwerden der Epidemie schleunigst verlassen.

Desinfektionskolonie währen der Cholera in Hamburg 1892. Robert Koch hatte erkannt, wie wichtig hygienische Maßnahmen waren, um die Seuche einzudämmen. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/akg-images)
Desinfektionskolonie währen der Cholera in Hamburg 1892. Robert Koch hatte erkannt, wie wichtig hygienische Maßnahmen waren, um die Seuche einzudämmen.

Koch hat zwar kein Mittel gegen die Cholera, doch er kennt die hygienischen Maßnahmen, um die Seuche einzudämmen. An erster Stelle: sauberes Trinkwasser. In Hamburg kommt das Wasser bis dahin ungefiltert aus der Elbe. Allerlei Tiere, zum Beispiel Aale, tummeln sich in den Leitungen. Koch setzt sich über den überforderten Senat hinweg und führt Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit ein: An die Hamburger werden Zettel verteilt mit Verhaltensregeln, mit Fasswagen wird abgekochtes Wasser in die Armenviertel gebracht und Garküchen bieten bakterienfreie Mahlzeiten an.

Auf Kochs Befehl werden die Schulen geschlossen. Und es gibt Desinfektionskolonnen, die mit Chemikalien wie Lysol Häuser und Straßen desinfizieren. Die arbeitslosen Hafenarbeiter werden zu Totengräbern und müssen hunderte Tote in Massengräbern begraben. Die Maßnahmen haben Erfolg. Robert Koch gilt als Retter Hamburgs vor der Cholera. – Trotz dieses Erfolges zieht es Robert Koch weg aus Deutschland.

Robert Koch in Südafrika 189697 (Foto: dpa Bildfunk, akg-images)
Robert Koch in Südafrika 1896/97 (stehend rechts)

Menschenexperimente in Deutsch-Ostafrika mit dramatischen Folgen

Mit seiner zweiten Frau verbringt er mehr Zeit im Ausland als an seinem Institut. 1904, mit 60 Jahren, lässt er sich pensionieren. Die Führung des Instituts, das später seinen Namen tragen wird, will er so schnell wie möglich abgeben. Er genießt es, als reisender Forscher unterwegs zu sein. Damit beginnt eine Zeit, die heute auf der Internetseite des Robert Koch Institutes etwas nebulös als "dunkelstes Kapitel seiner Laufbahn" beschrieben wird.

Robert Koch (mit Tropenhelm) in Ostafrika, um 190506 (Foto: dpa Bildfunk, akg-images)
Robert Koch (mit Tropenhelm) in Ostafrika, um 1905/06

1906 wird Robert Koch im Auftrag der Kolonialbehörden in das damalige Deutsch-Ostafrika entsandt. Er soll die Schlafkrankheit eindämmen, die von der Tsetsefliege übertragen wird. Die Behörden befürchten, dass eine weitere Ausbreitung der Krankheit den Wert der Kolonie sehr schnell und dramatisch schrumpfen lassen könnte.

Koch und seine Kollegen testen die Wirkung von Atoxyl in Afrika an tausenden Erkrankten, denen sie das Mittel ungefragt injizieren. Erst sieht es so aus, als träte eine Besserung ein, aber auf Dauer können die Parasiten im Blut der Kranken nicht bekämpft werden. Also erhöht Koch die Dosis. Mit schrecklichen Folgen. Fast jeder Achte der unfreiwilligen Probanden stirbt an der schmerzhaften Therapie. Viele Überlebende erblinden. Ein wirksames Mittel gegen die Krankheit findet Koch auch dieses Mal nicht. Die afrikanischen Opfer sind ihm offenbar egal.

Robert Koch: das Institut derzeit in aller Munde, die Person umstritten

Kochs Name ist wegen dieses Teils seiner Karriere nicht nur im Zusammenhang mit dem Robert-Koch-Institut und der Corona-Pandemie im Gespräch. Im Rahmen der Black-Lives-Matter-Debatte und dem Streit darüber, wie die europäischen Länder mit ihrer kolonialen Vergangenheit umgehen sollen, wird auch diskutiert, ob das Institut überhaupt weiter Robert-Koch-Institut heißen sollte.

SWR 2020 / 2023

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1939 | Um Tuberkulose-Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und so die Ansteckungsgefahr einzudämmen, wurde 1939 die Röntgen-Reihenuntersuchung eingeführt. Der Mediziner Hellmuth Ulrici erläutert Ende 1939 im Rundfunk die Wichtigkeit der neuen Untersuchung.

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Was lernen Schüler*innen über Rassismus und Kolonialismus? Während manche Klassen das Thema zeitgemäß diskutieren, sprechen andere nicht oder nur einseitig über Kolonialgeschichte.

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