25.2.1932

Brüning stellt sich gegen Hitler

Stand
AUTOR/IN
Maximilian Schönherr

In der 59. Sitzung vom 25. Februar 1932 nimmt der Reichskanzler Heinrich Brüning Stellung zu den Nationalsozialisten. Er stellt sich explizit gegen Hitler, weil jener mit Reden außerhalb des Parlaments Politik mache. Er hält jedoch nichts von Vorstößen, die die Nationalsozialisten zu harsch in ihre Grenzen weisen.

Das, so Brüning, würde ihn an die "Sozialistengesetze" erinnern. Unter den Sozialistengesetzen versteht man das Verbot sozialistischer und kommunistischer Parteien in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

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Heinrich Brüning fühlt sich diffamiert und stellt sich hinter Hindenburg

Brüning spricht davon, sich persönlich dauernd diffamiert zu fühlen. Entgegen gängiger Meinung hinge er nicht an der Macht. Wenn die Nationalsozialisten an die Macht kämen, stünde er nicht zur Verfügung – worauf NSDAP-Abgeordnete rufen: "Sie würden auch von uns nicht akzeptiert!" Brüning stellt sich hinter die Wiederwahl Paul von Hindenburgs zum Reichspräsidenten.

Ernst Thälmann Hoffnungsträger der Kommunisten

Der Kommunist Ernst Torgler weist Brüning auf die Haltung der Zentrumspartei sieben Jahre zuvor hin. 1925 habe das Zentrum in einem Flugblatt Hindenburg als "evangelischen Protestanten, der zwar Soldaten regieren kann, aber nicht ein ganzes Volk" hingestellt. Teile von Torglers Rede fehlen, aber der letzte Satz ist erhalten, wo er die Einheitsfront beschwört, die der einzige Ausweg aus Hunger, Not und Elend sei.

Als Torgler am Ende seiner flammenden Rede Ernst Thälmann als Hoffnungsträger der Kommunisten darstellt, stimmt die KPD-Fraktion die Internationale an. Die Glocken, die man anfangs hört, sind hilflose Versuche des Parlamentspräsidenten, Ruhe zu schaffen. Er muss die Sitzung um eine halbe Stunde (15.38 – 16.12 Uhr) unterbrechen, verweist anschließend Wilhelm Pieck und Hermann Remmele aus dem Saal und gibt Joseph Goebbels das Wort.

Goebbels wirft der Regierung erneut Versagen vor

Goebbels ist an dem Tag heiser. Er rechtfertigt sein viel diskutiertes Statement der vorletzten Sitzung. Er zitiert dabei ausführlich nicht sich selbst, sondern das Stenografie-Protokoll inklusive der Anmerkungen der Stenografen über Beifall und Kommentare. Er zitiert sich auch selbst, indem er auf seine letzte Rede im Sportpalast Bezug nimmt, wo er Hindenburg als Soldat gelobt habe, nimmt sich aber das Recht aus, bei der Reichspräsidentenwahl "in Kampfbereitschaft" gegen Hindenburg zu stehen.

Im Laufe seiner Rede wird Goebbels schärfer und muss mehrfach neu ansetzen, weil die linke Fraktion ihn dauernd unterbricht. Er spricht von der "radikalen Agitation" der Nationalsozialisten, die nur deswegen auf fruchtbaren Nährboden gefallen sei, weil die Regierung so versagt habe. Er führt immer wieder die "15-Millionen-Bewegung" der Parteianhänger an. Auch das Klischee des bösen Juden kommt in der Rede vor, etwa wenn Goebbels von einem "bekannten Berliner Juden" berichtet, der auf einer "Pariser Pazifistenversammlung" dreist erklärt habe: "Hitler, c’est la guerre!"

Laut Goebbels verdiene Hitler die Reichsbürgerschaft, "verlauste Ostjuden" nicht

Hitler begann sieben Jahre später den Zweiten Weltkrieg. Goebbels stellt in seiner Rede die Aussage des "Berliner Juden" als "glatten Landesverrat" hin; implizit spielt er darauf an, dass jemand so etwas frei sagen dürfe, den Hetzblättern der Nationalsozialisten aber die Zensur begegne. So habe der Berliner Polizeipräsident seiner Verwunderung Ausdruck geben dürfen, warum Hitler nicht mit der "Hundepeitsche" aus Deutschland vertrieben würde. Die Zahl der Kommunisten, so Goebbels, habe sich wegen der zwei Jahre langen Notverordnungen verdoppelt. Der Bürgerkrieg könne über Nacht hereinbrechen.

Der NSDAP-Mann zitiert Anhänger von SPD und Zentrum, die sich früher gegen Hindenburg ausgesprochen hätten, diesen aber jetzt wiederwählen wollten. Weil Adolf Hitler auf Bayerischer Seite im Ersten Weltkrieg gekämpft hat, habe er "sich seinen Staatsbürgerschein durch Blut und Einsatz von Leben verdient", ganz im Gegensatz zu "jedem verlausten Ostjuden". Irgendwelche Einwanderer aus Galizien, so Goebbels, könnten sich für 500 Mark die Reichsbürgerschaft erkaufen, "nur um hierher zu kommen und Geschäfte zu machen". Hitler bleibe das verwehrt.

Er droht, der anstehende Wahlkampf werde "kurz, aber hart" werden und spricht von einer "Strukturveränderung im deutschen Volke" beim Wählerverhalten. Es sei kein "Wandern von einer Partei zur anderen" mehr, sondern "Millionen und Millionen Menschen sind dem parlamentarisch-demokratischen Regime an sich verloren gegangen" und kämen nie zurück.

"Reinigung" vor "Einigung" des Volkes

Goebbels erklärt in mehreren Punkten, meist in Negation des "Systems Brüning", wie das System der Nationalsozialistischen Macht funktionieren werde. Das gipfelt in der Aussage, dass "das Volk erst geeinigt werden kann, wenn es innerlich und parteipolitisch gereinigt worden ist. Diese Reinigung soll, so meinen wir, zuerst vorgenommen werden. Ist das Volk durch eine Reinigung und Aushebung der marxistischen Ideologie gereinigt, dann wird es geeinigt, und dann kommt der Augenblick, in dem eine nationale Regierung sich vor die Welt hinstellt. Der Kanzler, der dann mit der Welt verhandelt, ist dann in der Tat der Vertreter des nationalbewussten und tatbereiten jungen Deutschland. Sie mögen lachen und höhnen; die Entwicklung wird uns recht geben."

Im Anschluss spricht Freiherr von Freytagh-Loringhoven von der Deutschnationalen Volkspartei. Die Rede reißt ab.

Die Redner:

Heinrich Brüning (Reichskanzler)
Ernst Torgler (KPD)
Joseph Goebbels (NSDAP)
Axel Freiherr von Freytagh-Loringhoven (DNVP)

Länge: 2,5 Stunden

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Maximilian Schönherr