Sinnsucherin in der Musik

Simone Kermes - Mio Caro Händel

Stand
AUTOR/IN
Christine Lemke-Matwey
Christine Lemke-Matwey (Foto: Pressestelle, Martin Schoberer)
KÜNSTLER/IN
Simone Kermes
Amici Veneziani
Boris Begelmann

CD-Tipp vom 27.1.2019

Bunter Vogel

Sie braucht keine eigene Plattenfirma, denn sie ist seit Jahren bei Sony zuhause: die Sopranistin Simone Kermes. Eine schrille Person im kommerziellen Einerlei des Klassikbetriebs, ein bunter Vogel, und das meine ich ganz entschieden als Kompliment. Die gebürtige Leipzigerin ist nie den geraden Weg gegangen, leicht hat sie es sich nie gemacht. Das hört man. Und dann knirscht und kracht es eben auch einmal im Gebälk, wie in der Arie der Armida „Furie terribili!“ aus dem ersten Akt von Händels Oper „Rinaldo“, Windmaschine und Theaterdonner inklusive.

Eine Lebensverbeugung vor dem Komponisten

Oft sind Bühnen- und Naturgewalten ja gar nicht so leicht auseinanderzuhalten. „Mio caro Händel“ nennt Kermes ihre neue CD, und sie ist eine Lebensverbeugung der Sängerin vor dem Komponisten. Eine Verbeugung, die sich im Sinne des Dramatischen, des Theatralischen auch vor den nicht ganz so schönen Tönen nicht scheut, aber das war Kermes‘ Problem nie. Sie ist und bleibt eine Sinnsucherin in der Musik, sie will immer wissen, warum etwas so ist oder sein soll und nicht anders, stimmlich, stilistisch, vom Ausdruck her. Im Booklet schreibt Kermes Händel einen Brief, und wie sie das tut, der Ton, den sie anschlägt, das ist typisch Kermes. Wer offenbart sich schon so, mit Worten. „Mein lieber Händel“, damit fängt der Brief an, „Du bist mein Wegbereiter, mein Schutzengel, mein Idol.“ Und er endet, ein paar Seiten später, mit: „Deine Musik atmet Erhabenheit, tiefe Menschlichkeit und Wahrhaftigkeit. Und ihre spirituelle Kraft strahlt bis ins Heute. Eines Tages werden wir uns begegnen … zu himmlischen Klängen. Ich liebe Dich von Herzen und umarme Dich mit meiner ganzen Seele.“

Geschichte einer existenziellen Beziehung

„Piangerò la sorte mia“ – die Arie der Cleopatra aus Händels Oper „Giulio Cesare“ hat Simone Kermes immer Glück gebracht. Sie sang sie vor und durfte Solistin werden, sie gewann mit „Piangerò“ den Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Preis, und sie sang die Arie noch einmal vor und bekam dafür ihre erste Opernrolle. Simone Kermes und Händel, die Geschichte einer existenziellen Beziehung. Jetzt auf CD, „Mio caro Händel“, bei Sony – und spannend.

CD-Tipp aus der Sendung SWR2 Treffpunkt Klassik - Neue CDs