Musikstück der Woche

Richard Strauss: Mädchenblumen-Lieder op. 22

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AUTOR/IN
Marlene Weber-Schäfer
Doris Blaich

Die schwelgerisch-ornamentalen Texte dieser Lieder entsprechen nicht gerade den Idealen der Frauenbewegung und mögen uns heute eher befremden; die Musik von Strauss dagegen ist zeitlos schön. SWR2 New Talent Hanna-Elisabeth Müller sang die Mädchenblumen-Lieder bei ihrem Debütkonzert bei den Schwetzinger SWR Festspielen 2013, am Klavier begleitet von Juliane Ruf.

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Lebenslange Liederleidenschaft

Das Lied begleitete Strauss durch sein Leben: seit frühester Jugend schrieb er Lieder – mit erstaunlicher Leichtigkeit –, viele Lieder entstanden für seine Frau, die er selbst am Klavier begleitete, und mit den "Vier letzten Liedern" für Sopran und Orchester, schrieb Strauss in seinem Todesjahr 1949 sein künstlerisches Testament. Die "Mädchenblumen" komponierte er 1889, mit 23 Jahren. Sie sind sein sechster Liederzyklus.

Feldblumen und Schlingpflanzen

Der kleine Zyklus zieht vorüber wie ein Kaleidoskop von vier Frauencharakteren: auf die romantischen, anspruchslos-friedfertigen "Kornblumen" folgen die koketten "Mohnblumen", die "nur geboren scheinen, die Kornblumen zu necken"; dann das seelenvolle, melancholische "Epheu", geschaffen, "sich zu ranken liebend um ein ander Leben", und zuletzt die geheimnisvolle "Wasserrose", deren Zauber sich wie der einer Elfe nur nachts entfaltet. Erstaunlich ist die spezifische lyrische Tonsprache des jungen Komponisten, die bereits den Schöpfer des Rosenkavaliers und der Ariadne auf Naxos vorausahnen lässt.

Die Texte der Mädchenblumen-Lieder - Autor: Felix Ludwig Julius Dahn

Kornblumen
Kornblumen nenn’ ich die Gestalten,
Die milden mit den blauen Augen,
Die, anspruchslos in stillem Walten,
Den Tau des Friedens, den sie saugen,
Aus ihren eigenen klaren Seelen,
Mitteilen allem, dem sie nahen,
Bewusstlos der Gefühlsjuwelen,
Die sie von Himmelshand empfahn.
Dir wird so wohl in ihrer Nähe,
Als gingst du durch ein Saatgefilde,
Durch das der Hauch des Abends wehe,
Voll frommen Friedens und voll Milde.

Mohnblumen
Mohnblumen sind die runden,
Rotblutigen gesunden,
Die sommersprossgebraunten,
Die immer froh gelaunten,
Kreuzbraven, kreuzfidelen,
Tanznimmermüden Seelen;
Die unter’m Lachen weinen
Und nur geboren scheinen,
Die Kornblumen zu necken,
Und dennoch oft verstecken
Die weichsten, besten Herzen,
Im Schlinggewächs von Scherzen;
Die man, weiß Gott, mit Küssen
Ersticken würde müssen,
Wär’ man nicht immer bange,
Umarmest du die Range,
Sie springt ein voller Brander
Aufflammend auseinander.

Efeu
Aber Efeu nenn’ ich jene Mädchen
Mit den sanften Worten,
Mit dem Haar, dem schlichten, hellen
Um den leis’ gewölbten Brau’n,
Mit den braunen seelenvollen Rehenaugen,
Die in Tränen steh’n so oft,
In ihren Tränen gerade sind unwiderstehlich;
Ohne Kraft und Selbstgefühl,
Schmucklos mit verborg’ner Blüte,
Doch mit unerschöpflich tiefer
Treuer inniger Empfindung
Können sie mit eigner Triebkraft
Nie sich heben aus den Wurzeln,
Sind geboren, sich zu ranken
Liebend um ein ander Leben:
An der ersten Lieb’umrankung
Hängt ihr ganzes Lebensschicksal,
Denn sie zählen zu den seltnen Blumen,
Die nur einmal blühen.

Wasserrose
Kennst du die Blume, die märchenhafte,
Sagengefeierte Wasserrose?
Sie wiegt auf ätherischem, schlankem Schafte
Das durchsicht’ge Haupt, das farbenlose,
Sie blüht auf schilfigem Teich im Haine,
Gehütet vom Schwan, der umkreiset sie einsam,
Sie erschließt sich nur dem Mondenscheine,
Mit dem ihr der silberne Schimmer gemeinsam:
So blüht sie, die zaub’rische Schwester der Sterne,
Umschwärmt von der träumerisch dunklen Phaläne,
Die am Rande des Teichs sich sehnt von Ferne,
Und sie nimmer erreicht, wie sehr sie sich sehne.
Wasserrose, so nenn’ ich die schlanke,
Nachtlock’ge Maid, alabastern von Wangen,
In dem Auge der ahnende tiefe Gedanke,
Als sei sie ein Geist und auf Erden gefangen.
Wenn sie spricht, ist’s wie silbernes Wogenrauschen,
Wenn sie schweigt, ist’s die ahnende Stille der Mondnacht;
Sie scheint mit den Sternen Blicke zu tauschen,
Deren Sprache die gleiche Natur sie gewohnt macht;
Du kannst nie ermüden, in’s Aug’ ihr zu schau’n,
Das die seidne, lange Wimper umsäumt hat,
Und du glaubst, wie bezaubernd von seligem Grau’n,
Was je die Romantik von Elfen geträumt hat.

Hanna-Elisabeth Müller

ist seit 2013 SWR2 New Talent und macht zur Zeit eine erfreuliche Karriere auf den Opernbühnen Europas: Als Ensemblemitglied der Bayerischen Staatsoper, bei den Salzburger Festspielen (2014 als Zdenka in der Oper "Arabella" von Richard Strauss, an der Seite von Renée Fleming, Thomas Hampson und Christian Thielemann), an der Dresdner Semperoper (ebenfalls als Zdenka) und im September 2015 an der Holländischen Nationaloper Amsterdam als Sophie in Strauss‘ "Rosenkavalier".

Geboren ist Hanna-Elisabeth in Mannheim, dort hat sie auch studiert – bei Rudolf Piernay, mit dem sie nach wie vor zusammenarbeitet. Weiteren Feinschliff holte sie sich in Meisterklassen von Dietrich Fischer-Dieskau, Julia Varady, Edith Wiens, Elly Ameling, Thomas Hampson und Wolfram Rieger. 2014 kürte sie die Zeitschrift "Opernwelt" zur Nachwuchssängerin des Jahres.

Die Oper steht zwar im Zentrum ihrer künstlerischen Arbeit, aber mit genauso großer Leidenschaft tritt Hanna-Elisabeth Müller im Konzertsaal auf und widmet sich dem Lied.

Juliane Ruf

studierte zunächst Germanistik an der Universität Heidelberg sowie Schulmusik und Klavierkammermusik an der Musikhochschule Mannheim, bevor sie sich auf Liedgestaltung spezialisierte und ihr Studium bei Irwin Gage in Saarbrücken fortsetzte.

Beim Joseph-Suder-Liedwettbewerb (Nürnberg), dem Paula-Salomon-Lindberg-Wettbewerb für Lied (Berlin), beim Concours International Lili et Nadia Boulanger (Paris) und beim Internationalen Wettbewerb für Liedkunst der Hugo-Wolf-Akademie (Stuttgart) wurde Juliane Ruf jeweils mit Preisen für die beste Liedbegleitung ausgezeichnet.

Seitdem konzertiert sie regelmäßig im In- und Ausland, etwa beim Klavierfestival Ruhr, im Konzertcentrum de Singel Antwerpen, der Wigmore-Hall London, im Gasteig München, in der Tonhalle Zürich und für die Radio- und Fernsehsender NDR und SWR.

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Marlene Weber-Schäfer
Doris Blaich