Musikstück der Woche vom 13.7.-19.7.2009

Mittagsmusik in vier Gängen

Stand
Autor/in
Doris Blaich

Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 7 C-Dur

Mit dieser Sinfonie führte sich Joseph Haydn als Vizekapellmeister am Fürstenhaus Esterházy ein. Die Anregung, die Tageszeiten in ein sinfonisches Gewand zu kleiden, kam von seinem neuen Dienstherrn. Unser Livemitschnitt stammt vom Mai 2000 aus dem Konzerthaus Freiburg; das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg spielt unter der Leitung von Sylvain Cambreling.

„Nüchtern, bescheiden, ruhig und ehrlich“ solle sich der Vizekapellmeister Haydn gegenüber den anderen Mitgliedern der Hofkapelle verhalten, so liest man in seinem Anstellungsvertrag am Hof des Fürsten Paul Anton Esterházy aus dem Jahr 1761. Und „wenn vor der Hohen Herrschaft eine Musique gemacht wird, solle der Vizekapellmeister samt den Subordinierten allezeit in Uniform und nicht nur er Joseph Haydn selbst sauber erscheinen, sondern auch alle anderen von ihm Dependierenden [= die Musiker der Hofkapelle, denen Haydn übergeordnet war] dahin anhalten, daß sie … in weißen Strümpfen, weißer Wäsche, eingepudert, und entweder in Zopf oder Haarbeutel, jedoch durchaus gleich, sich sehen lassen.“

Der österreichische Komponist Joseph Haydn
Der österreichische Komponist Joseph Haydn

Dreizehn weitere Punkte enthält dieser Anstellungsvertrag; sie regeln genau die Pflichten, die Haydn in der neuen Stellung zu erfüllen hatte (und am Rande auch seine Rechte). Sein Status entsprach dem eines ‚Hausoffiziers’; und damit stand er hierarchisch weit über seinen Musikerkollegen in der Hofkapelle – was sich unter anderem darin äußerte, dass er sein Mittagessen nicht am selben Tisch aß. Haydn hatte behutsam darauf zu achten, dass zwischen den Musikern keine Streitereien aufkamen und dass alle stets pünktlich und zuverlässig zum Dienst kamen.

Triller statt Drill

Haydns Musik unterscheidet sich merkwürdig von diesem beinahe militärischen Drill. Die drei Tageszeiten-Sinfonien ("Le Matin", "Le Midi" und "Le Soir") – 1761 als Antrittskompositionen im neuen Amt komponiert – scheinen auf musikalische Weise geradezu eine Idee der Gleichberechtigung zu formulieren: Jedes Instrument hat darin die Gelegenheit, solistisch, als Individuum hervorzutreten. Und sicherlich wollte Haydn damit seine Wertschätzung gegenüber den künstlerischen Fähigkeiten seiner Kollegen zum Ausdruck bringen.

Für jeden ein Solo

„Le Matin“ beginnt – wie so viele Haydn-Sinfonien – mit einer langsamen Einleitung: festlich, pompös, ein Auftakt zu einem mittäglichen Festmahl. Die punktierten Rhythmen erinnern an eine französische Opernouvertüre, jenes Sinnbild der absolutistischen Macht. Doch Haydn scheint in die zeremonielle Feierlichkeit ein Augenzwinkern hineinzuschmuggeln: Auf die mächtigen Forte-Schläge des Orchesters, die die Taktschwerpunkte markieren, folgen in schroffem dynamischen Kontrast gleichsam zwergenhafte Achtelnoten der Geigen, staccato und piano – abgehackt und leise. Ein vorwärtsdrängendes Thema eröffnet dann das Allegro, in dessen Verlauf zwei Geigen, ein Cello, Oboen und Fagott solistisch hervortreten und sich dann wieder in die Gruppe einreihen.

Der zweite Satz (Adagio) ist der originellste Satz der Sinfonie. Er ist als kleine Opernszene gestaltet. Am Beginn steht ein Rezitativ, ein Sprechgesang (ohne Worte), bei dem die Solovioline wie eine Operndiva an die Bühnenrampe tritt. Es mündet – wie in der zeitgenössischen Opera seria üblich – in ein Arie bzw. ein Duett. Zur Opernheldin, der Geige, tritt nun das männliche Pendant, ein Cello. Gemeinsam spielen sie einen reich ausgeschmückten Zwiegesang mit dezenter Orchesterbegleitung. Am Schluss komponiert Haydn für die beiden als besondere Überraschung sogar eine solistische Kadenz – eine freies Ornament, in dem die Musiker noch einmal ihre virtuosen Fähigkeiten aufblitzen lassen konnten; was vom Publikum mit großer Spannung erwartet wurde.

Im Menuett hat der Kontrabass Gelegenheit zu einem solistischen Auftritt, und im konzertant gestalteten Finale gibt es einen raschen Wechsel zwischen den Solopassagen zweier Violinen und den Tutti-Einwürfen des Orchesters. Spätestens hier muss der weiße Puder der Hofmusici in großen Wolken davongestoben sein.

SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg

SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg

Das 1946 gegründete SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg identifiziert sich bis heute mit den Idealen seiner "Gründerväter", die der festen Überzeugung waren, dass die engagierte Förderung der neuen Musik ebenso wichtiger Bestandteil des Rundfunk-Kulturauftrags ist wie der pflegliche Umgang mit der großen Tradition.

In diesem Sinne haben die Chefdirigenten von Hans Rosbaud über Ernest Bour bis zu Michael Gielen gearbeitet und einen Klangkörper kultiviert, der für seine schnelle Auffassungsgabe beim Entziffern neuer, "unspielbarer" Partituren ebenso gerühmt wird wie für exemplarische Aufführungen und Einspielungen des traditionellen Repertoires eines großen Sinfonieorchesters. Seit 1999 ist Sylvain Cambreling Chefdirigent. An die 400 Kompositionen hat das Orchester bisher uraufgeführt und damit Musikgeschichte geschrieben; es gastiert regelmäßig in den (Musik)-Hauptstädten zwischen Wien und Amsterdam, Berlin und Rom, Salzburg und Luzern.

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Autor/in
Doris Blaich