Musikstück der Woche vom 30.03.2015

Er liebt sie, er liebt sie nicht…

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AUTOR/IN
Katharina Höhne

Johannes Brahms: Sonate für Violoncello und Klavier Nr. 1 e-Moll, op. 38

Er, der junge Komponist Johannes Brahms, liebte sie, die 14 Jahre ältere Pianistin Clara Schumann – heimlich, denn bis heute ist nicht klar, ob die beiden mehr als "nur" eine tiefe Freundschaft miteinander verband. Mit der Sonate für Violoncello und Klavier schuf Brahms eine hörbare Liebeserklärung an Clara Schumann, ließ allerdings kurz vor der Uraufführung den entscheidenden Satz daraus verschwinden... Julian Steckel und Paul Rivinius haben die Sonate im März 2012 im Schloss Waldthausen auf die Bühne gebracht.

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Brahms verliebt in Clara

Johannes Brahms war zwanzig Jahre alt als er nach Düsseldorf reiste, um das berühmte Musikerehepaar Clara und Robert Schumann kennenzulernen. Vom ersten Moment an war er Teil der Familie, denn während die Schumanns von den frischen Ideen des jungen Hamburger zehrten, bewunderte er ihre grenzenlose Liebe für die Musik. Vier Wochen blieb Brahms in der Stadt am Rhein, bevor sich mit Roberts missglücktem Selbstmordversuch mit einem Mal alles änderte. Robert kam in eine nahgelegene Nervenheilanstalt, Clara litt schmerzlich unter der Abwesenheit ihres Mannes und Brahms, der Clara von Anfang an ins Herz geschlossen hatte, warf seine Pläne über Bord und unterstützte sie so gut er konnte.

Brahms wurde für die Schumanns unersetzlich. Er half im Haushalt, spielte mit den Kindern, und sorgte sich auch dann um sie, wenn Clara als Pianistin durch Europa reiste. Außerdem unterhielt er sich oft stundenlang mit ihr über Musik und befeuerte die gemeinsamen Gespräche mit eigenen, neuen Ideen, die er ihr am Klavier vorspielte. Clara liebte das, weil sie der rege Austausch an ihre gemeinsamen Stunden mit Robert erinnerte. Doch je öfter sie einander im Alltag begegneten und je näher sie sich durch die Musik kamen, desto mehr verliebte sich Brahms in Clara. Ob sie ebenso fühlte bleibt ungewiss, auch wenn sie sich ihm tief verbunden fühlte. 

Brahms Sonate für Klavier und Violoncello Nr. 1 ist eng mit Clara verknüpft. Er begann die Komposition 1862 in Bad Münster, wo Clara zu Kur weilte, und vollendete sie 1865 in Baden-Baden, wo Clara mit den Kindern den Sommer verbrachte. Doch er weigerte sich ihr die Sonate ganz vorzuspielen, egal wie sehr sie ihn darum bat, denn er wollte nicht, dass sie hört, wie er ihr im ehemals zweiten Satz seine Liebe gesteht. Später ließ Brahms diesen Part ganz verschwinden und widmete das Werk seinem guten Freund Josef Gänsebacher, der ein großer Beethoven-Verehrer war. Denn die musikalische Nähe zum berühmten Wiener Klassiker ist in diesem Werk unüberhörbar. 

Brahms vernarrt in Beethoven

Zeitlebens orientiere sich Brahms an Ludwig van Beethovens Tonsprache. Intensiv studierte er dessen Stücke, insbesondere die Gattung der Cellosonate, die sein großes Vorbild einst begründet hatte. Brahms liebte das Cello wegen des "ernsten Charakters" und spielte es seit seiner Jugend leidenschaftlich selbst. Mit seinem op. 38 tat er es Beethoven gleich und schuf ein beeindruckendes Kammermusikwerk, in dem Cello und Klavier gleichberechtigt agieren, und deren Stimmen, sowohl einzeln als auch im Zusammenklang, von romantischer Melancholie durchzogen werden. 

Julian Steckel (Violoncello)

Erster Preis, Publikumspreis, Oehms-Classics-Sonderpreis und Sonderpreis des Münchner Kammerorchesters – beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD 2010 trug der Cellist Julian Steckel ein ganzes Bündel von Medaillen davon. Das war der Schrittmacher für seine internationale Karriere – die sich allerdings schon in diversen anderen Wettbewerbs-Erfolgen angebahnt hat: Etwa dem Grand Prix Rostropowitsch in Paris, dem Grand Prix Feuermann in Berlin und dem Pablo Casals Wettbewerb in Kronberg.

Sein Mendelssohn-Album (mit Paul Rivinius) gilt als Referenzaufnahme, für seine CD mit Cellokonzerten von Korngold, Goldschmidt und Bloch wurde er mit dem Echo-Klassik-Preis ausgezeichnet. Julian Steckel konzertiert regelmäßig mit einigen der besten Kammer- und Sinfonieorchester Europas und ist gern gesehener Gast bei diversen Kammermusik-Festivals. Seit dem Sommersemester 2011 unterrichtet er als Professor für Violoncello an der Hochschule für Musik und Theater Rostock. 

Paul Rivinius (Klavier)

Paul Rivinius ist Pianist seit er fünf war. Er studierte Klavier und Horn in München, Saarbrücken und Frankfurt am Main. 1994 wurde er in die Meisterklasse von Gerhard Oppitz an der Musikhochschule München aufgenommen. Viele Jahre lang war er Mitglied im Bundesjugendorchester und im Gustav Mahler Jugendorchester. Als Kammermusiker profilierte er sich mit dem 1986 gegründeten Clemente Trio, das nach mehreren Auszeichnungen 1998 den ARD-Musikwettbewerb in München gewann, anschließend als "Rising Star"-Ensemble auf Tournee ging. Dazu spielte er in der New Yorker Carnegie Hall und in der Londoner Wigmore Hall. 

Mit seinen Brüdern Benjamin, Gustav und Siegfried musiziert Paul Rivinius im Rivinius Klavier-Quartett, bildet mit Musikern des Deutschen Symphonie Orchesters Berlin das Akanthus Ensemble und gehört seit 2004 dem Mozart Piano Quartet an. Zahlreiche Rundfunk- und CD-Produktionen dokumentieren seine künstlerische Arbeit, unter anderem mit den Cellisten Julian Steckel und Johannes Moser. Rivinius lehrte viele Jahre als Professor für Kammermusik an der Musikhochschule "Hanns Eisler" in Berlin und lebt heute in München.

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Katharina Höhne