Musikstück der Woche vom 30.09.2013

Mit Energie, Leidenschaft, Empfindung und Feuer

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AUTOR/IN
Doris Blaich

Robert Schumann: Klaviertrio Nr. 1 d-Moll op. 63

Unter der Oberfläche dieser Musik brodelt es: Schumanns erstes Klaviertrio ist ein Werk voller Pathos und Emotionen, eingekleidet in klassische Formen. Das junge französische Trio Chausson spielte bei den Bruchsaler Schlosskonzerten des SWR eine besonders packende Interpretation. Unser Mitschnitt stammt vom 9. Oktober 2011.

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"Herzkammermusik" – so heißt ein Theaterstück über die Biographie Robert Schumanns. Der Titel passt auch perfekt zu Schumanns d-Moll-Klaviertrio. Es ist sein erstes großes Werk dieser Gattung, geschrieben im Sommer 1847 "in einer Zeit düsterer Stimmungen". Seine Karriere als Musiker stockte, die Hoffnungen auf einen guten Posten in Leipzig hatten sich zerschlagen und resigniert war Schumann mit seiner Familie nach Dresden gezogen. Er empfand es als demütigend, dass seine Frau Clara mit ihren Auftritten als Pianistin die Familie ernähren musste (und wollte).

"Noch vieles zu erwarten", prophezeit Clara Schumann

Das Trio ist ein Geburtstagsgeschenk für Clara. Nach dem ersten Durchspielen schrieb sie in ihr Tagebuch: "Es klingt wie von einem, von dem noch vieles zu erwarten steht, so jugendfrisch und kräftig, dabei doch in der Ausführung so meisterhaft... Der erste Satz ist für mich einer der schönsten, die ich kenne" – und es ist einer der leidenschaftlichsten; eine Operation am offenen Herzen, in der alle Nuancen des Pathos offengelegt sind: Erregung und Schmerz, Ekstase und Verzweiflung, Trotz und Überschwang.

Musik über die Doppelnatur des Feuers

Nach außen hin scheint die Musik den gängigen Regeln zu gehorchen, weil Schumann die traditionellen Formen wählt: In den Ecksätzen die Sonatensatzform mit ihrer Gegenüberstellung zweier Themen, in den beiden Mittelsätzen dreiteilige Formen. Aber unter der Oberfläche brodelt es, und nichts in dieser Musik ist nebensächlich oder gar entspannt.

Alles scheinbar Eindeutige hat einen doppelten Boden: Das Hauptthema des ersten Satzes etwa – von der Geige vorgestellt – wirkt mit seinen breiten Notenwerten und den barocken Seufzerfiguren streng, erdig, fast archaisch. Doch die leidenschaftlich wirbelnden Klangwogen im Klaviersatz sorgen gleichzeitig für einen äußerst wackligen Untergrund.

Ebenso labil ist das zweite Thema angelegt, mit seinen Synkopen und den kanonartigen Verschachtelungen. Die Musik steckt voll überraschender Wendungen: Immer wieder wandelt sich ihr Charakter blitzschnell – besonders eindrucksvoll in der Durchführung des ersten Satzes, wenn sich kraftvolle Wellen plötzlich in einen zarten Sternenregen verwandeln: Die beiden Streicher spielen dabei im dreifachen Piano ganz nahe am Steg (dadurch entsteht ein fahler, fast gläserner Klang), das Klavier begleitet in höchster Lage mit zarten Tupfern aus Triolen.

Im Finale deutet sich zum ersten Mal an, dass die Herzoperation auch gut ausgehen könnte: Zuversichtliche Töne klingen durch, auch triumphale – jedoch immer mit einer Prise Raunen und Dunkelheit kombiniert. "Mit Feuer" lautet Schumanns Spielanweisung – ein Feuer, das mitunter wohlig-wärmend ist, aber auch bedrohlich flackern kann.

Trio Chausson

"Rising stars" – "aufgehende Sterne": Wer bei dieser Konzertreihe auftreten darf, kann sich glücklich schätzen, denn er wird sich spielend die Bühnen der wichtigen Konzerthäuser erobern. Das junge französische Trio Chausson hat im Rahmen dieses Programms in der New Yorker Carnegie Hall und auf Konzertbühnen in ganz Europa gastiert.

Die drei Musiker - Philippe Talec (Violine), Antoine Landowski (Violoncello) und Boris de Larochelambert (Klavier) - haben am Pariser Konservatorium studiert und wurden dort in den Fächern Klaviertrio und Kammermusik (in der Klasse von Pierre-Laurent Aimard) mit ersten Preisen ausgezeichnet. 2005 gewann das Trio den Internationalen Kammermusikwettbewerb Joseph Joachim in Weimar, 2004 wurde es beim Joseph Haydn Wettbewerb Wien mit dem Preis für die beste Interpretation zeitgenössischer Musik ausgezeichnet.

Das Trio Chausson ist ständiger Teilnehmer der European Chamber Music Academy (ECMA) und arbeitet mit bedeutenden Kammermusikern wie Hatto Beyerle, Anner Bylsma, Gérard Wyss, Eckart Heiligers, Shmuel Ashkenazy, Rainer Kussmaul und Johannes Meissl zusammen. In Anerkennung seiner brillanten Leistungen wählte die Association Française d’Action Artistique das Trio Chausson 2005 im Rahmen des Programms "Declic" für eine Aufnahme bei Radio France sowie für Konzerttourneen im Ausland aus. Beim Label Mirare Records sind mittlerweile drei CDs mit Trios von Chausson, Ravel, Schubert, Chopin und Liszt erschienen.  Das Trio Chausson wird durch die Sociéte Generale und Adami gefördert.

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Doris Blaich