Musikstück der Woche (2010)

Energie und Freude für vier Stimmen

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AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Klavierquartette sind eine rare Spezies. Dafür ist jedes einzelne Werk eine besondere (Klang-)Mischung für sich, so auch das späte, zweite Klavierquartett von Max Reger a-Moll op. 133.

Das Fauré Quartett spielte dieses 1914 ganz in der Tradition von Johannes Brahms entstandene Werk bei einem Bruchsaler Schlosskonzert am 31. Oktober 2009. Musikstück der Woche vom 8.11. bis 14.11.2010.

1914 - Nach dem Krieg und nach der Krankheit

Bei Max Reger markieren die Klavierquartette den Schluss seiner Komponistenlaufbahn. Denn das zweite Klavierquartett Regers entstand zwei Jahre vor seinem frühen Tod mit 43 Jahren. Wie für Reger typisch, schrieb er es in relativ kurzer Zeit und hochmotiviert im August 1914, als er, von seinen Pflichten als Leiter der Meininger Hofkapelle befreit, sich stärker dem Komponieren widmete.

Dabei hatte das Jahr 1914 für Reger nicht gut begonnen: Bei seinem Engagement für die Hofkapelle verausgabte Reger sich völlig und hielt - völlig überreizt und erschöpft - das Arbeitspensum nur mit Hilfe von viel Alkohol durch. Im Februar brach er zusammen und musste sämtliche Konzerte absagen. Ein Schreibverbot auf dem Krankenbett hielt ihn aber nicht davon ab, sofort wieder mit dem Komponieren zu beginnen.

Während eines Kuraufenthaltes in Meran und Berchtesgaden entstand sein wohl populärstes Werk, die Mozart-Variationen op. 132. Sentimental und sehnsüchtig auf Mozart zurückblickend, definierte Reger hier seinen eigenen ’Standort’ als Komponist. Unmittelbar danach entstand in den ersten Kriegsmonaten und in einer Zeit heftigster Komponierarbeit das Klavierquartett a-moll op. 133. Reger schrieb es mit großer Energie und Freude. Im Gegensatz zum ersten Klavierquartett, das ein ernstes, sehr persönliches Stück Bekenntnismusik und zum Teil von dämonischer Düsterkeit ist, prägt das zweite eine unbeschwerte Musizierfreude. In versöhnlicherer Haltung formte Reger hier seinen Spätstil aus, der auch das ”Zurückblicken” auf musikalische Traditionen einschloss - nach dem Blick auf Mozart war das in op. 133 vor allem Johannes Brahms.

Das zweite Klavierquartett gleicht in seinem Verlauf einem Gewitterhimmel, der sich Stück für Stück aufhellt: Das Allegro con passione zu Beginn trägt noch vergleichsweise kräftige Konflikte aus. Transparent – in leicht erkennbarer 3-teiliger Form – folgt das Scherzo, dann ein expressives Largo, in dem Reger harmonische Dur-Moll-Möglichkeiten ausschöpft, und schließlich – lieto fiene – das Finale mit einem motorisch wirkenden Thema.

Interpretenporträt: Fauré Quartett

Die Mitglieder des Fauré Quartetts: Erika Geldsetzer (Violine), Sascha Frömbling (Viola), Konstantin Heidrich (Violoncello) und Dirk Mommertz (Klavier) (Foto: www.faurequartett.de - KASSKARA)
Fauré Quartett

Es ist ein Lob, das adelt: "Wer das Fauré Quartett hört, möchte es wieder hören", sagte die argentinische Pianistenlegende Martha Argerich nach einem Konzert des Fauré Quartetts in Karlsruhe. An der dortigen Musikhochschule trafen sich die vier Musiker als Studierende, und 1995, als sich der Geburtstag des Komponisten Gabriel Fauré zum 150. Mal jährte, wählten sie aus Liebe zu den beiden Klavierquartetten Faurés dessen Namen auch für ihr Ensemble. Der Karlsruher Musikhochschule ist das Fauré Quartett nach wie vor verbunden, heute als "Quartet in Residence", - einer Auszeichnung, die in Karlsruhe seit 30 Jahren nicht vergeben wurde und für ein Klavierquartett ein Novum darstellt. Heute konzertiert das Ensemble, das mittlerweile als eines der renommiertesten deutschen Kammermusikensembles gilt, auf den wichtigsten internationalen Podien und Festivals.

Nach dem 2005 unterzeichneten Plattenvertrag des Fauré Quartetts mit der Deutschen Grammophon wurden zum Mozartjahr die beiden Klavierquartette des Komponisten veröffentlicht. Im Februar 2008 erschien zudem die neueste CD mit den Klavierquartetten op. 25 und op. 60 von Johannes Brahms, für die das Fauré Quartett mit einem „Klassik-Echo“ ausgezeichnet wurde. Überhaupt wird das Fauré Quartett längst von Publikum und Kritik als das weltweit führende feste  Klavierquartett betrachtet und ihm im Bereich der Gattung eine Pionierrolle zuerkannt. Die Preise und Auszeichnungen, die es erhielt, wurden vorher keinem anderen Klavierquartett zuteil. Darunter zählen neben dem Echo Klassik 2008 auch der Preis der Deutschen Schallplattenkritik, sowie u.a. der Parkhouse Award London, der Preis des Deutschen Musikwettbewerbes, der 1. Preis des Deutschen Hochschulwettbewerbs und der Kunstpreis des Landes Rheinland Pfalz.

Von Beginn an und damit seit fast 15 Jahren spielt das Faurè Quartett in der Besetzung mit Erika Geldsetzer aus Betzdorf (Violine), dem Bratscher Sascha Frömbling (geboren 1974 in Mexico City), dem Cellisten Konstantin Heidrich (1975 in Hamburg geboren) und dem Pianist Dirk Mommertz aus Mainz. Die vier Musiker bringen mit Kinderkonzerten und ihrer Initiative ”Rhapsody in school” klassische Musik regelmäßig auch Kindern und Jugendlichen nahe. Außerdem unterrichten sie im Rahmen von Professuren und Lehraufträgen an der Royal Academy of Music in London, der Universität der Künste in Berlin, der Essener Folkwang Hochschule und der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden.

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Kerstin Unseld