Das Ensemble Les Talens Lyriques unter der Leitung von Christophe Rousset

Antonio Salieris Oper »Les Horaces« wiederentdeckt

Stand
AUTOR/IN
Eleonore Büning
KÜNSTLER/IN
Judith van Wanroij, Cyrille Dubois, Julien Dran, Jean-Sebastien Bou, Philippe-Nicolas Martin, Andrew Foster-Williams, Les Chantres Du Centre De Musique Baroque de Versailles, Les Talens Lyriques, Christophe Rousset

CD-Tipp vom 23.9.2017

Wiederentdeckung des Jahres

Im Jahre 1786 lieferte Antonio Salieri, dessen Musik heute nicht mehr halb so viel Wert ist, wie zu Lebzeiten, ein Auftragswerk für Königin Marie-Antoinette ab. Es ist seine dritte französische Oper und die mit Sicherheit unbekannteste, die dieser immer noch weithin verkannte Komponist jemals geschrieben hat. „Les Horaces“ wurde nach nur drei in Häme und Gelächter untergegangenen Aufführungen am Hoftheater in Versailles wieder abgesetzt und verschwand in der Schublade. Der Dirigent Christoph Rousset und sein Ensemble Les Talens Lyriques haben das Stück jetzt endlich wieder auferstehen lassen. Es ist dies, ohne Übertreibung, die Wiederentdeckung des Jahres: Da geht es um Liebe und Macht, um Leben und Tod. Süss, wild, hochdramatisch, reformoperninfiziert, mit starken Chören. Und aus etlichen Ensembles weht schon den Atem der Revolution.                                                                                                                         

Ein Hauch von romantischem Romeo-und-Julia-Konflikt

Sprunghaft, stürmisch und auch ein bisschen mozärtlich klingt sie, die wiederentdeckte Oper „Les Horaces“ – die Horatier – von Antonio Salieri. Es war sicherlich etwas blauäugig, dem französischen Hof so kurz vor der Revolution noch einmal eine waschechte Tragédie lyrique zu servieren, aufgepimpt mit ein paar herzzerreißenden Reformopern-Highlights, Duetten und Ensembles. Inhaltlich geht es in dem Stück um die mit Pathos und Blut bezahlte Geburt einer Republik, nämlich der römischen, frei nach Corneille. Anfangs geht das noch ganz unblutig ab. Das erste Aktfinale ist das pure Happyend. Das Chorvolk jubelt, denn ein Krieg wird gerade beendet, bevor er begonnen hat, und zwar durch die Hoffnung auf eine Fürstenhochzeit. Die schöne Camille, Sopran, Sproß der Horazierfamilie in Rom, darf sich verloben mit dem schönen jungen Tenor Curatius aus der Kuratierfamilie in Alba Longa. Diese Familien hassen sich, sie töten einander schon seit Generationen. Ein Hauch von romantischem Romeo-und-Julia-Konflikt ist der Geschichte also schon mal vorab implantiert. Judith van Wanroij singt die Camille, Cyrille Dubois den Curatius. Zwei herrliche, junge, starke, biegsame Stimmen, idiomatisch perfekt geführt! Außerdem singt der Chor „Les Chantres du Centre de musique baroque de Versailles“ und es spielt das Ensemble „Les Talens Lyriques“ unter Christophe Rousset. Ende gut, alles gut.        

Ende gut, alles tot     

Aber das war nur der erste Akt. Alsdann spricht das Orakel. Der Hohepriester, ein Baßbariton, der Textur der Partie nach dem Sarastro nicht unähnlich, kocht sein eigenes Süppchen. Ein Zweikampf soll entscheiden, die Anführer schicken ihre Söhne vor. So kommt es am Ende des dritten Aktes zur Katastrophe: Curatius wird von seinem Schwager in spe und Freund Horatius erschlagen. Als seine Verlobte dessen gewahr wird, fällt sie erst in Ohnmacht, dann verflucht sie den Sieger und die Stadt Rom. Und da erschlägt ihr Bruder auch sie. Ende gut, alles tot.

Erstaunlich, wie ungeheuer vielfältig und unrund die Stilmittel geworden sind in dieser Übergangszeit! Der Sieg wird zunächst mit höfischen Tänzen gefeiert, was zurückverweist ins 17.Jahrhundert. Folgt ein feuriges Accompagnato, welches die zornige, aus der Ohnmacht erwachte Heldin singt, schon fast Iphigenien-gleich, könnte von Gluck sein. Und die Chor-Ensembles weisen voraus auf den Eclat Triomphale des künftigen Umbruchs.

Bühnenreife Politoper

„Rome est libre“, jubelt der wankelmütige Volkschor. Die Kuratier sind aufs Haupt geschlagen. Die Horatier, freie Bürger Roms, dürfen jetzt loslegen. Wie wir Nachgeborenen wissen, markiert dieses historische Ereignis, wiedergespiegelt im Finale der Oper „Les Horaces“ von Antonio Salieri, den Anfang einer brutalen Eroberungsgeschichte. Christophe Rousset ist nicht nur Dirigent dieser preiswürdigen Opern-Wiederentdeckung und Ersteinspielung, er hat schon viele andere verschollene Barockopern zurück ins Leben geholt, auch ins Bühnenleben. Ich würde mir wünschen, dass sich für diese Salierische Politoper aus dem alten Rom alsbald ein Regisseur fände. Herausgekommen ist der Mitschnitt der konzertanten Aufführung von „Les Horaces“ beim Label Aparté, im Vertrieb von Pias/Harmonia Mundi.

CD-Tipp vom 23.9.2018 aus der Sendung SWR2-Treffpunkt-Klassik - Neue CDs

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AUTOR/IN
Eleonore Büning
KÜNSTLER/IN
Judith van Wanroij, Cyrille Dubois, Julien Dran, Jean-Sebastien Bou, Philippe-Nicolas Martin, Andrew Foster-Williams, Les Chantres Du Centre De Musique Baroque de Versailles, Les Talens Lyriques, Christophe Rousset