Patti Smith bei einem Auftritt (Foto: IMAGO, imago/Leemage)

Rock

„Godmother of Punk“: Patti Smith wird 75

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AUTOR/IN
Samira Straub

Patti Smith war Punk, bevor es Bands wie die Ramones überhaupt gab. Trotzdem sah sie sich selbst nie als Sängerin und sie nur auf ihre Musik zu reduzieren, würde der vielseitigen Künstlerin auch überhaupt nicht gerecht. Am 30.12.2021 feiert die Lyrikerin, Fotografin, Malerin, Ikone der Frauenbewegung und „Godmother of Punk“ ihren 75. Geburtstag.

Patti Smith (Foto: IMAGO, imago images)
Patti Smith ballt die Faust: Eine Geste, die sie sowohl auf ihren Konzerten als auch bei ihren Lyrik-Veranstaltungen häufig benutzt.

Ein großer Traum, der sich in New York bewahrheiten sollte

Die Hoffnung von Patricia Lee Smith sollte sich bewahrheiten, auch wenn ihre ersten Lebensjahre alles andere als einfach waren. Aufgewachsen in Chicago, Philadelphia und New Jersey schließt Patricia Lee Smith mit 16 die Schule ab und arbeitet fortan in einer Fabrik.

Sie ist ein Mädchen aus armen Verhältnissen, zieht als Kind mit ihrer Mutter um die Häuser, um den Wachturm zu verkaufen – ihre Eltern sind Zeugen Jehovas. Doch mit Glaube kann die junge Patti, wie sie sich nennt, nicht viel anfangen. Mit 18 wird Patti schwanger, gibt ihre Tochter jedoch zur Adoption frei. Sie braucht einen Tapetenwechsel, es zieht sie ins elektrisierende New York, das zur Geburtsstätte ihres Erfolgs wird.

Smith etabliert sich langsam als Underground-Autorin in New York

In der Metropole kann sich Patti Smith endlich auf ihre große Leidenschaft, das Schreiben, konzentrieren. Smiths Herz schlägt für Poesie und in New York hat sie endlich die Möglichkeit, sich voll und ganz ihrer Lyrik zu widmen, die stark von der Beat Generation beeinflusst ist. Ihre Werke veröffentlicht sie in Musikzeitschriften wie „Rock“ und „Creem“, doch der große Erfolg bleibt zunächst aus.

Als sie Eric Clapton interviewen darf, ihn aber nur nach seinen „sechs Lieblingsfarben“ befragt, verliert sie ihren Job.

Sie reist viel, besucht beispielsweise die Grabstätte ihres Idols Jim Morrison und etabliert sich immer mehr als Underground-Autorin in New York.

Patti Smith bei einem Auftritt 2015 auf dem Primavera Festival (Foto: IMAGO, IMAGO / GlobalImagens)
Vor allem mit der New Yorker Band „Blue Öyster Cult“ war Smith befreundet: Sie wurde zeitweilig sogar als neue Sängerin der Band gehandelt. Es blieb jedoch bei mehreren Songs, die sie für die Band schrieb. Später war sie mehrere Jahre mit dem „Blue Ösyter Cult“-Keyboarder Allen Lanier liiert.

Smith trifft schließlich auf den Fotografen Robert Mapplethorpe, der zu ihrer ersten großen Liebe avanciert. Zwischenzeitlich bewohnt das junge Paar ein Zimmer im berühmten „Chelsea Hotel“, einem Sammelpunkt für allerhand Künstler*innen und Kreative. Smith beschreibt die Zeit im Künstlertreff später als „Puppenhaus, in dem sich hinter jeder Tür ein Universum verbarg“. Die Kontakte vor allem zu Rockmusikern sollten Patti Smith fortan entscheidend prägen.

Die Musik ist für Patti Smith nur Mittel zum Zweck

Zur Musik kam Patti Smith eher zufällig. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, ihre Poesie vorzutragen, brachte die befreundete Proto-Punk-Band „Television“ sie auf die Idee, ihre Werke zu vertonen. So entsteht 1974 die Single „Hey Joe“, die von der Entführung von Verleger Randolph Hearsts Tochter handelt. Ein Jahr später folgt mit „Horses“ das Debütalbum von Patti Smith, das sie gemeinsam mit der späteren Patti Smith Group veröffentlicht – der wohl größte Meilenstein in ihrer musikalischen Karriere.

Die "Patti Smith Group" (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / Photoshot)
Neben Patti Smith in der Patti Smith Group spielten Lenny Kaye, Ivan Král, Richard Sohl und Jay Dee Daugherty.

Wenngleich „Horses“ auch nicht zu einem kommerziellen Erfolg wird, so macht es Smith und ihre Band zu Vorreitern der Punk und New Wave Bewegung. Das 43minütige „Horses“ füllt die Lücke, die der Tod von Szene-Größen wie Hendrix, Morrison oder Joplin hinterließ und erhob Smith zur Stimme der Rock-Community.

In der machodominierten Männerdomäne Punkrock macht Patti Smith Frontfrauen salonfähig und ebnet so den Weg für Female-Fronted-Punkbands wie Garbage, Hole oder Blondie. Fast nebenbei wird Patti Smith so zu einer Ikone der Frauenbewegung.

Patti Smith ballt die Faust am Mikrofon (Foto: IMAGO, imago/Stefan M Prager)
Ihr Auftreten hat androgyne Züge, sie wirkt oft ungekämmt, der Blick ernst und die Gesten provokant – Smith ist bis heute der lebendige Gegenentwurf zum mainstreamigen Pop-Genre.

Eine Brückenbauerin zwischen Rockmusik und Poesie

Smith schafft es wie keine andere, Brücken zwischen Rockmusik und Poesie zu bauen. Ihre energetischen und aufbegehrenden Auftritte, bei denen sie ihre frei assoziierende Lyrik fast atemlos vorträgt, begeistern die Stadt. Als erste Person überhaupt gelingt es ihr, den New Yorker Punk-Club „CGBG“ mit einer reinen Lyrik-Veranstaltung auszuverkaufen.

Patti Smith bei der Verleihung des Literaturnobelpreises für Bob Dylan (Foto: IMAGO, imago/Kyodo News)
Smith ist seit den 70er Jahren mit dem als eher reserviert geltenden Bob Dylan befreundet. Jahrzehnte später, 2016, nimmt sie für ihn stellvertretend den Literaturnobelpreis entgegen und performt einen seiner Songs.

1976 feiert sie ihren einzigen kommerziellen Erfolg als Sängerin. Die Single „Because the night“, die aus einer Zusammenarbeit mit Bruce Springsteen resultiert, wird zum Hit. Danach zieht sie sich aus der Öffentlichkeit zurück, verlässt New York und arbeitet in Detroit als Buchhändlerin. Erst der Tod ihres Mannes Fred Smith, Gitarrist von „MC5“, bringt sie zurück nach New York und zurück auf die Bühne – um Geld zu verdienen, so Smith.

„Because the Night“ von Patti Smith:

Zum 75. Geburtstag gibt es den goldenen Schlüssel der Stadt New York

Bis heute sieht sich Patti Smith selbst nicht als Sängerin. Kein Wunder, denn ihre Talente reichen deutlich weiter: Steter Begleiter der Künstlerin ist ihre Polaroid Sofortbildkamera, deren Bilder heute in Ausstellungen weltweit gezeigt werden. Gleiches gilt für die Malereien und Zeichnungen Smiths, in denen sich die Künstlerin vor allem in religiösen Motiven verwirklicht. Die rebellische Haltung ihrer Jugendjahre gegen den Glauben, die Smith auch in ihrer Musik ausdrückte, ist längst Vergangenheit.

Patti Smith bei einer ihrer Ausstellungen (Foto: IMAGO, picture-alliance / dpa/dpaweb)
Patti Smith in einer der zahlreichen Ausstellungen ihrer Werke.

Außerdem feierte 2008 der Film „Dream of Life“ auf der Berlinale Premiere, der von Patti Smiths Leben handelt und mit dem sie sich fast ein Jahrzehnt beschäftigt hatte.

Zwei Jahre später wird Smiths erster Roman „Just Kids“ in den USA mit dem National Book Award ausgezeichnet. Das Buch handelt von der Beziehung zu ihrer ersten großen Liebe Robert Mapplethorpe und den Anfängen ihrer Karriere.

Kunst versteht Patti Smith bis heute als politisch – immer wieder bezog sie im Laufe ihrer Karriere auf Konzerten Stellung zu politischen Themen, veranstaltete Kundgebungen, unterstützte grüne Bewegungen. Und Corona? Für eine umtriebige, rastlose Künstlerin wie Patti Smith eine Zumutung.

Kurz vor ihrem 75. Geburtstag bekam Patti Smith nun den Schlüssel der Stadt überreicht, in der sie den Großteil ihres Lebens verbrachte und die sie als ihre Wahlheimat bezeichnet: New Yorks Bürgermeister Bill De Blasio lobte die Künstlerin für „eine Authentizität, die man an so vielen anderen Orten einfach nicht findet“. Also gleich doppelt Grund zu feiern für die Kunstikone, die ihren Geburtstag stilecht mit einem Konzert feiert. Wo? Natürlich im Big Apple.

Rock „Godfather of Punk“: Iggy Pop wird 75

„Sex, Drugs and Rock'n'Roll“: Müsste man für diesen alten Grundsatz ein Bild im Lexikon abdrucken, es wäre wohl das von einem oberkörperfreien Iggy Pop. Am 21.4.22. feiert der Godfather of Punk und Frontmann der „Stooges“ seinen 75. Geburtstag.

Forum Poet, Prophet, Protestsänger – Der Mythos Bob Dylan

Michael Risel diskutiert mit
Maik Brüggemeyer, Musikjournalist beim „Rolling Stone“
Prof. Dr. Susan Neiman, Leiterin des Einstein Forum Berlin
Willi Winkler, Journalist und Dylan-Biograf

SWR2 Forum SWR2

Leben No Future - jetzt erst recht! Wie man mit Punk alt wird

Terry und Joost sind Punks der ersten Stunde. Auch mit Anfang 60 und diversen Gesundheitsbeschwerden lieben sie laute Musik und Nietenketten. Und schlagen sich so durch.
(Produktion 2019)

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Samira Straub