Kultur

#StandWithUkraine – Solidarität und Entsetzen der Kultur-Szene

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Russlands Krieg gegen die Ukraine erschüttert die westliche Welt. Auch die internationale Kulturszene reagiert. Viele Künstler*innen und Institutionen bekunden ihre Solidarität mit der Ukraine, fordern aber auch, den Kontakt zur russischen Kulturszene aufrecht zu erhalten.

Ballett-Star Smirnowa flüchtet vom Bolschoi-Theater in die Niederlande

Die Primaballerina des Bolschoi-Balletts, Olga Smirnowa, 2021 (Foto: IMAGO, Mikhail Tereshchenko/TASS)
Russlands prominente Tänzerin Olga Smirnowa erklärte bei Telegram, sie sei mit allen Fasern ihrer Seele gegen den Krieg.

Die russische Star-Ballerina Olga Smirnowa (30) kehrt Russland den Rücken. Sie hat das Bolschoi-Theater in Moskau wegen des Ukraine-Kriegs verlassen und will zum Niederländischen Nationalballett wechseln. Sie habe es nie für möglich gehalten, dass sie sich für Russland schämen müsse.

Das Nationalballett teilte am Mittwoch, 16.3., mit, Smirnowa habe sich "klar" zu der russischen Invasion in der Ukraine geäußert, die es für sie unmöglich mache, weiter in ihrem Heimatland zu arbeiten. Dessen Direktor Ted Brandsen sagte, es sei für das Nationalballett ein "Privileg", dass Smirnowa dabei sei.

Autorin Sasha Marianna Salzmann: Krieg macht atemlos

„Atemlos“ nennt die Schriftstellerin Sasha Marianna Salzmann ihren Zustand angesichts des Ukraine-Kriegs in SWR2. Nachdem sie den „Preis der Literaturhäuser“ bei der Leipziger Buchmesse erhalten hat, sagt die in Russland geborene Autorin: „Ich habe seit dem 24. Februar nicht mehr geschlafen.“ Sie sei angesichts der Situation in der Ukraine vor allem aber sehr dankbar für die Möglichkeit, etwas tun zu können, weil sie sonst vermutlich den Verstand verlöre.

Solidaritätskonzerte für die Ukraine - auch in Rheinland-Pfalz

Viele Konzerte werden derzeit geplant, um Spenden für die von den Kriegsfolgen betroffenen Menschen zu sammeln oder Solidarität zu zeigen. Der Deutsche Musikrat dokumentiert diese zahlreichen Unterstützungsaktionen aus dem Musikleben auf einer eigenen Webseite. Allein In Rheinland-Pfalz sollen in den kommenden Tagen gleich drei Solidaritätskonzerte stattfinden.

Bereits heute, 16. März, lädt das Philharmonische Staatsorchester Mainz zu ihrem „Konzert für die Ukraine“. Dabei wird auch das mit „Peace shall defeat war“ bezeichnete Stück des ukrainischen Komponisten Boris Lyatoshinsky zu hören sein. Die Ticket-Einnahmen werden für Hilfsprojekte in der Ukraine verwendet.

LandesjugendChor Rheinland-Pfalz 2021 (Foto: Pressestelle, LandesJugendChor Rheinland-Pfalz / Fotograf: Xiren Wang)
Der LandesjugendChor Rheinland-Pfalz: Das Höchstalter seiner Mitglieder liegt bei 26 Jahren.

Der LandesJugendChor Rheinland-Pfalz veranstaltet im Rahmen einer Probenphase ein Benefiz-Werkstattkonzert am Sonntag, 20, März, in Engers. Für den Manager des junges Chores, Björn Rodday, geht es dabei auch darum, dass Kultur nicht schweigen dürfe. „In der Ukraine sind junge Männer ab 18 Jahre dazu verpflichtet, Ihr Land zu verteidigen und dürfen nicht ausreisen (...). Wir reden also von jungen Menschen gleichen Alters, in völlig konträren Lebensrealitäten.“

Die Deutsche Radio Philharmonie widmet ebenfalls am kommenden Sonntag, 20. März, ihre Matinee in Kaiserslautern den Opfern des Krieges in der Ukraine. Dabei wird das Völkerverbindende der Musik in den Vordergrund gestellt und ein Werk des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov neben Musik des russischen Komponisten Nikolaj Rimskij-Korsakow gestellt.

Wie gehen Museen und Ausstellungen im Südwesten mit russischer Kunst um?

Angesichts zahlreicher Stellungnahmen von Künstler*innen zum Ukraine-Krieg fragen sich auch Museen und Kunsthallen, wie es mit russischen Leihgaben oder Kooperationen weitergehen soll. Wen trifft ein Boykott russischer Ausstellungsstücke? Möchte man diese noch zeigen – und wäre ein Transport überhaupt möglich? Auch Museen im Südwesten wie die Staatsgalerie Stuttgart und das Rheinische Landesmuseum stehen hier vor vielen Problemen.

Navid Kermani: Boykott russischer Kultur idiotisch

Navid Kermani, Sasha Marianna Salzmann, Deniz Yücel und Sasha Filipenko bei der Solidaritätsveranstaltung für die Ukraine zur Eröffnung der Lit.Cologne 2022. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Fotograf: Oliver Berg)
Navid Kermani, Sasha Marianna Salzmann, Deniz Yücel und Sasha Filipenko (v.l.) bei der Solidaritätsveranstaltung zur Ukraine an der Eröffnung der Lit.Cologne

Der Schriftsteller Navid Kermani hat sich gegen einen Boykott russischer Kultur ausgesprochen. „Das kann nicht die Antwort sein“, sagte der Friedenspreisträger der Deutschen Presse-Agentur am Rande einer Solidaritätsveranstaltung für die Ukraine, mit der das Literaturfestival Lit.Cologne in Köln eröffnet wurde.

„Wir brauchen weiterhin einen Austausch mit der russischen Zivilgesellschaft. Jetzt auch noch die russische Kultur zu boykottieren, Tschaikowski nicht aufzuführen, ist das Idiotischste, was man machen kann.“

Kermani äußerte sich bei der Lit.Cologne auch nachdenklich und selbstkritisch. Er erinnerte an die mangelnde Solidarität von Intellektuellen und Schriftsteller*innen bei der Zerstörung Grosnys und Aleppos sowie der Besetzung der Krim und des Donbass. Kermani sprach sich für weitgehende Solidarität mit der Ukraine, jedoch gegen die Einrichtung einer Flugverbotszone aus. „Ich bin nicht der Meinung, dass man auf Teufel komm raus jetzt die maximale Eskalation suchen sollte.“

Karl-Markus Gauß setzt auf kulturelle Verbindungen nach Russland

Die staatlich unabhängige Kultur in Russland muss nach Ansicht von Schriftsteller Karl-Markus Gauß weiterhin die „Verbindungsbrücke“ in das Land bleiben. Forderungen von ukrainischer Seite, „dass man jedwede russische Literatur (...) in Europa für die nächste Zeit bannen soll“, hält er für falsch.

Der Österreicher, der am 15. März mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet wurde, muss aber feststellen: „Selbstverständlich waren die Ukraine und Russland Nationen, die sich sehr nahe standen. Aber das ist jetzt vorbei.“ “

Karl-Markus Gauß im SWR2 Interview: ratlos und enttäuscht

„Eine schwierige Zeit, so einen Preis zu bekommen“, so Karl-Markus Gauß im Gespräch mit SWR2 nach seiner Auszeichnung mit dem „Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2022“.

Ukraine fordert Suspendierung Russlands aus UNESCO-Gremien

Der Vertreter der Ukraine forderte in einer Sondersitzung des UNESCO-Exekutivrats die Suspendierung Russlands aus allen Gremien der UNESCO. Als Reaktion gab es stehende Ovationen, „das ist in der UNESCO extrem unüblich“, so Nikolas Bernau, der die Sitzung für SWR2 verfolgte.

Die UNESCO überwache per Satellit zwanzig Kulturerbestätten in der Ukraine, um mögliche Beschädigungen festzustellen, berichtet Bernau.

Thomas Sanderling kündigt als Chefdirigent des Sinfonieorchesters Nowosibirsk

Europäische Radiosender spielen „Ode an die Freude und Brüderlichkeit“

Als Zeichen gegen den Krieg in der Ukraine und für ein freies und friedliches Europa werden mehrere europäische Radiosender am Donnerstag, 10. März, ab 20 Uhr gleichzeitig Beethovens Neunte übertragen.

Auf Initiative des rumänischen Rundfunks haben sich mehrere Sender aus der European Broadcasting Union (EBU), darunter die ARD Kulturwellen zusammengeschlossen, um dies möglich zu machen.

In SWR2 wird eine Aufnahme des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR übertragen, geleitet von seinem ehemaligen Chefdirigenten Roger Norrington. Das Konzert fand am 8. September 2002 im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle statt.

Kultursommer Rheinland-Pfalz hält am Motto „Ostwind“ fest

Die rheinland-pfälzische Kulturministerin Katharina Binz (Grüne) hat sich dagegen ausgesprochen, das Motto „Ostwind“ für den Kultursommer Rheinland-Pfalz 2022 zu ändern. Sie verteidigt die Überschrift mit dem Argument, diese sei Teil eines vierjährigen Zyklus, der in alle Himmelsrichtungen blickt. „Trotz des Krieges in der Ukraine werden wir an diesem Thema festhalten“, so die Politikerin. Ihrem Ministerium sei es weiterhin sehr wichtig, sich mit der Kultur der osteuropäischen Länder auseinanderzusetzen.

Mit Blick auf die Fluchtwelle aus der Ukraine und den Zensurmaßnahmen in Russland sagt Binz, man werde programmlich auf den Krieg reagieren müssen.

Allerdings mahnt Binz, die seit 2021 im Amt ist, beim Umgang mit russischen Künstler*innen auch zu einem „differenzierten Vorgehen“: „Was wir nicht machen, sind Kooperationen mit staatlichen Kultureinrichtungen Russlands. Auch diese müssen von den Sanktionen betroffen sein“. Anders sei das aber bei Angehörigen der so genannten „freien Szene“, die beim Kultursommer Rheinland-Pfalz stark vertreten sei.

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SWR