In der „Bundesnotbremse“ sieht die Staatsrechtlerin Prof. Anna Katharina Mangold von der Universität Flensburg grundsätzliche verfassungsrechtliche Probleme angelegt. Das Gesetz über einen bundeseinheitlichen Infektionsschutz wird heute in erster Lesung im Bundestag behandelt. Insbesondere seien Grundrechtseinschränkungen nur dann wirklich begründbar, wenn sie nachweislich eine Stabilisierung des Infektionsgeschehens bewirkten, so Mangold in SWR2.
Allein der Inzidenzwert von 100 sei aber keineswegs wissenschaftlich begründet, so Mangold, „insbesondere nicht von der Erkenntnis getragen, ab wann man ein stabilisiertes Infektionsgeschehen sicherstellen kann, sondern das sind rein politisch gewählte Zahlen.“
So seien ursprünglich zur Eindämmung der Pandemie sehr viel geringere Inzidenzwerte von 35 bzw. 50 für nötig erachtet worden. Anna Katharina Mangold: „Der Inzidenzwert von 100 ist erstmals in der berühmten und berüchtigten Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Stufenplan erfunden worden, und zwar weil die Wirtschaft gerne wollte, dass geöffnet wird.“
Eine solche „unwissenschaftliche Herangehensweise“ habe „Auswirkungen für die verfassungsrechtliche, insbesondere grundrechtliche Bewertung der Maßnahmen“. Ein „Laschi-Waschi-Konzept“, das zu einer Stabilisierung des Pandemiegeschehen nicht wirklich beitrage, so Mangold, könne argumentativ nicht genutzt werden, um beispielsweise „gleichzeitig eine extrem grundrechtsinvasive Ausgangssperre“ zu verhängen.
Dies vor allem, so die Staatsrechtlerin, solange beispielsweise der Arbeitsbereich weitgehend unreguliert bliebe. Solche Grundrechtseingriffe seien nur möglich, wenn sie im Rahmen einer gesellschaftlichen Gesamtanstrengung stattfänden, insgesamt also zu einer Stabilisierung des Pandemiegeschehens beitragen könnten. Es fehle jedoch der politische Wille, sich auf solche ehrgeizigeren Ziele festzulegen.
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