Zeitwort

2.11.1970: Johann Wolfgang von Goethe wird exhumiert

Stand
AUTOR/IN
Martin Herzog

Der – ursprünglich luftdichte — Eichensarg in der Weimarer Fürstengruft war undicht. Um die Verwesung zu stoppen, wurden Goethes Gebeine ausgebettet und restauriert.

Audio herunterladen (4,2 MB | MP3)

Dem Dichterfürsten ganz nah

Die Exhumierung war dringend notwendig geworden, heißt es in dem „Bericht über die Besichtigung des Leichnams Johann Wolfgang von Goethes“ am 2. November 1970, „weil ein Schlossbeschlag sich gelöst hatte, der Deckel aufklaffte, und im Sarg ein beschleunigter Verfall des Leichnams zu befürchten war“.

Nur wenige Menschen haben die damals aufgenommenen Fotos je zu Gesicht bekommen. Einer von ihnen ist Christoph Schmälzle, Kulturhistoriker der Klassik-Stiftung Weimar: „Wir haben ja keine Fotos von Goethe, also wir kennen ihn von den berühmten Gemälden. Aber wenn wir ihm noch mehr auf die Pelle rücken wollen, dann haben wir eben diese Fotos. Näher ran kommen wir nicht.“

Schäden Folge einer gewaltsamen Öffnung

Zwei dunkelbraune Särge mit eisernen Ringen und Beschlägen in einem weiß-getünchten Kellergewölbe. Auf dem vorderen steht GOETHE, auf dem hinteren SCHILLER. (Foto: IMAGO, IMAGO / epd)
Die Särge der deutschen „Dichterfürsten“ Goethe und Schiller liegen in der Weimarer Fürstengruft. Seit 2005 eine DNA-Analyse feststellte, dass es sich nicht um Schillers Gebeine handelt, ist der zweite Sarg leer.

Goethes Sarg war im Zweiten Weltkrieg nach Jena ausgelagert worden, bald schon stand er wieder an seinem angestammten Platz. Irgendetwas musste in der Zwischenzeit passiert sein: Der ursprünglich luftdicht veschlossene Eichensarg zeigte — so auf den später aufgenommenen Fotos zu sehen — an den Schlössern Spuren einer gewaltsamen Öffnung. „Man kann, vermuten, dass da eine Zersetzung in Gang kam“, konstatiert Schmälzle: „Und das hat man einfach dann später gemerkt: Da treten Gerüche und Flüssigkeiten aus, man muss da handeln.“

Erst mal tat sich nichts – kein Geld für Goethe. Bis eben 1970: Goethes Gebeine werden ausgebettet und in die Restaurierungswerkstatt des Museums für Ur- und Frühgeschichte geschafft. Dort geht die Knochenarbeit weiter: Goethe wird „mazeriert“: In Wasserdampf und aufgeschäumten Feinwaschmittel wurden die Knochen von Knochenfett so weit als möglich befreit. Im Bleichbad wurden die Knochen einzeln gebleicht.

Aktion muss diskret stattfinden

Und schließlich noch gegen Schimmel behandelt. Während die Knochen trocknen, kümmern sich die Restauratoren um des Dichters Lorbeerkranz. Kulturhistoriker Schmälzle: „Wenn man Goethe als auch als Nationalsymbol versteht, dann ist sozusagen so eine Mazeration seiner Gebeine ne Operation am offenen Herzen der Kulturnation. Es gibt viele Menschen, die natürlich von so was auch stark emotional berührt werden. Ein Sakrileg, Hand an Goethe zu legen.“

Auch deshalb wird die Mazeration Goethes erst Jahrzehnte später bekannt. Zwei Wochen nach der Ausbettung werden des deutschen Dichterfürsten frisch gebleichte Knochen in seine Gruft zurückgebracht.

Zeitwort 6.9.1780: Goethe kritzelt in einer Berghütte „Wanderers Nachtlied

Auf dem 800 m hohen Kickelhahn im Thüringer Wald steht heute ein Sendemast der Telekom. Früher war dort eine Hütte mit einem Graffiti: „Über allen Gipfeln ist Ruh…“

SWR2 Zeitwort SWR2

Stand
AUTOR/IN
Martin Herzog