Licht im August

Interview mit Regisseur Walter Adler

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Walter Adler, geboren 1947 in Dümpelfeld bei Adenau, ist freier Autor und Regisseur für Hörspiel und Theater. Seit 1971 sind rund 300 Hörspiele entstanden, für die er als Regisseur, Bearbeiter oder als Autor verantwortlich zeichnet. Adler arbeitete u. a. am Schauspiel Frankfurt, Schauspiel Köln und dem Düsseldorfer Schauspielhaus.

Sein größtes Hörspielprojekt "Otherland" nach Tad Williams’ gleichnamiger Tetralogie ist 24 Stunden lang und wurde 2005 mit über 250 Schauspielern realisiert. Zwischen 2006 und 2007 entstand unter Adlers Regie ein weiteres Großprojekt: Karl Mays "Der Orientzyklus" als 12-Stunden-Hörspiel. 2010 produzierte er "Das Geisterhaus" von Isabel Allende.

Adler erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise (u. a. "Hörspielpreis der Kriegsblinden", "Hörspiel des Jahres", "Deutscher Hörbuchpreis").

Walter Adler und Ulrich Matthes (Foto: SWR, Sibylle Anneck)
Walter Adler und Ulrich Matthes

Sie haben einmal gesagt, ein Text, der Sie zum Inszenieren und Dramatisieren herausfordere, sollte Ihnen „schlaflose Nächte und Ängste bereiten.“

Schlaflose Nächte und Ängste bereitet mir jede Hörspielproduktion, und je älter ich werde, und je mehr ich inszeniere, umso schlimmer. Ich meinte damit, dass ich Stoffe suche, die meine Kreativität herausfordern, bei denen ich mich nicht auf Bewährtem, Erfolgreichem ausruhen kann, sondern neue, nicht erprobte, vielleicht auch riskante Wege ausprobieren, beschreiten muß.

Was waren die Herausforderungen bei „Licht im August“?

Vor allem die Struktur. Die kunstvoll ineinander verwobenen Rückblenden. Dann die elaborierte Faulknersche Sprache. Auch die Vielzahl der Personen.

Was hat der Text dem Bearbeiter/Regisseur Walter Adler geschenkt?

Weltliteratur. Tiefe Einsicht in das Problem des Rassismus, der heute, wie 1932 [als Faulkner den Roman schrieb] das Leben der Menschen vergiftet, und das nicht nur in den USA. Jede der Faulknerschen Figuren hat eine sie determinierende Geschichte, Biografie. Sie alle sind schuldig und unschuldig. Sind Kinder ihrer Zeit und der sie umgebenden, sie prägenden gesellschaftlichen Verhältnisse.

Was war bei der Besetzung der Figuren Joe Christmas, Lena Grove, Gail Hightower und Byron Bunch zu bedenken?

Dass sie von Deutschlands besten Schauspielern gespielt werden, die in der Lage sind, die widersprüchliche Komplexität der Figuren verstehbar zu gestalten. So dass der Hörer in die Lage versetzt wird, ein Urteil zu fällen.

Wie viele Rollen waren zu besetzen?

Viele. Sehr viele. Viele sogenannte "große Rollen" und noch viel mehr kleine, die immer die meiste Mühe machen, weil Charakter und Ausdruck einer Figur in nur zwei, drei Sätzen "sitzen" muss.

Faulkners Roman verhandelt existentielles Unglück, zugleich ist ihm wegen des wachsenden Rassismus in den USA Aktualität zugewachsen. Hat dies Einfluss auf Ihre Inszenierung?

Je genauer wir 1932 abbilden, je präziser wir diese Zeit hörbar machen können, je genauer wir am Text bleiben, umso größer ist meines Erachtens der Erkenntnisgewinn des Hörers durch die zeitliche Differenz.

Wie machen Sie die Südstaatenprovinz Anfang der 1930er-Jahre hörbar?

Durch die Spielweise der Schauspieler. Durch Geräusche und Musik, durch Rhythmus und Ästhetik. Wie immer bei übersetzten Romanen, die zu anderen Zeiten und in anderen Ländern spielen, ist es eine Frage der Behauptung und Akzeptanz dieser Behauptung. Der Hörer hört einen deutsch gesprochenen, deutsch gespielten Text. Dass es sich dabei um einen Südstaatensheriff aus den 1930er-Jahren handelt, muss der Hörer sozusagen “hinzuhören“. Wir liefern die Person, den Inhalt und akustische Reize, die das ermöglichen.

Ist die Komposition von Pierre Oser in dieser Zeit verortet?

Ja und nein. Strukturen, Motive, Instrumentierung sind zum Teil an diese Zeit angelehnt, aber nicht ab-kopiert, sondern zitiert. Es bleibt immer eine zeitliche Differenz, sozusagen eine Entfernung von 1932 zu 2017 hörbar.

Faulkners Sätze sind sehr lang und enthalten wichtigste Informationen in ihren kleinsten Verästelungen. Wie geht Ihre Bearbeitung damit um?

Um soviel Faulkner wie möglich im Hörspiel zu halten, wird es einen »Erzähler« geben, Ulrich Matthes. Wie kaum ein anderer ist er in der Lage, einen Text in all seinem sprachlichen und ästhetischen Reichtum bis in feinste Nuncen hinein zu verlebendigen, einfach zu machen, verstehbar, nachvollziehbar, in Schönheit und Eleganz; manchmal mit feiner Ironie, aber immer empathisch ohne sentimental zu werden. Wir haben insgesamt rund 450 Minuten zur Verfügung, können uns Zeit lassen und dem Faulknerschen Tempo, der Architektur der Sätze bis in allerfeinste Details folgen.

Die Fragen stellte Andrea Oetzmann

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