Helen Breit - Supporters Crew Freiburg  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth)

Fußball | Fanproteste gegen DFL

Fanvertreterin: "Protest muss nerven, damit er einen Effekt hat"

Stand
INTERVIEW
Jens Wolters

Helen Breit ist Vorsitzende für Fanpolitik bei der Supporters Crew Freiburg. Im Interview mit SWR Sport rechtfertigt Breit die Proteste gegen die Deutsche Fußball Liga.

SWR Sport: Beim Spiel in Dortmund gegen Freiburg am Freitagabend gab es mal wieder Tennisbälle, Schokomünzen und Flummis auf dem Rasen. Die Fanproteste in der Bundesliga halten an. Es ist der Protest gegen einen Einstieg eines Investors in die Liga. Dafür hat sich die Mehrheit der 36 Proficlubs ausgesprochen. Sie waren nicht in Dortmund, unterstützen aber die Protestaktion?

Helen Breit: Genau. Ich und auch die Supporters Crew als Interessensgemeinschaft aktiver Fans unterstützen das. Es wird ja deutlich mehr verhandelt als dieser DFL-Investoreneinstieg. Für uns sind das tatsächlich elementare Werte im Fußball, die da verhandelt werden. Und deswegen unterstützen wir das.

Wir fordern eine Neuabstimmung.

SWR Sport: Was meinen Sie damit, was noch verhandelt wird?

Helen Breit: Da ist einerseits die Abstimmung darüber, ob Investoren in die DFL-Vermarktungsgesellschaft einsteigen sollen. Viel wichtiger für uns ist aber das Zustandekommen dieses Abstimmungsergebnisses. Es war eine Zweidrittel-Mehrheit gefordert. Die wurde erreicht. Es gab aber eine geheime Abstimmung und danach haben Vereine veröffentlicht, wie sie abgestimmt haben.

Dabei wurde deutlich, dass sich mindestens ein Verein nicht an die 50+1-Regel gehalten hat, also dass am Schluss die Vereine und eben nicht die Kapitalgesellschaften der Clubs darüber bestimmen, wie sich der Fußball in Deutschland entwickeln soll. Und damit konnte die Meinung der Mitglieder nicht berücksichtigt werden. Das ist eine Kernkritik an dem Vorgehen für so ein weitreichendes Thema wie einen Investoreneinstieg, die wir nicht akzeptieren können. Deshalb fordern wir eine Neuabstimmung.

SWR Sport: Man hat mittlerweile das Gefühl, dass sich zwei Lager auftun: Die Fans, die sich nicht mitgenommen fühlen bei dieser Entscheidung. Und die, die den Fußball sehen wollen und genervt sind von Schokomünzen, Flummis und Tennisbällen. Wie nehmen Sie das aktuell wahr?

Helen Breit: Ich nehme es nicht so getrennt war. An vielen Standorten ist es gut gelungen, zu informieren und an anderen ist es vielleicht auch weniger gut gelungen. Das Thema ist sehr komplex, deswegen ist es auch immer ein bisschen schwierig, alle mit Informationen zu erreichen. Aber meine Erfahrung ist: Sobald verstanden worden ist, worum es geht und was dort verhandelt wird - nämlich ein gemeinsames Ziel, denn wir alle wollen auch noch in Zukunft zu dem Fußball gehen, wie er jetzt ist - dann gibt es auch wiederum Verständnis.

Und dazu kommt: Protest muss ja auch nerven, damit er einen Effekt hat. Wenn alle einverstanden sind mit dem Protest, ihn einfach erdulden, dann hat er keinen Effekt. Und dann ist auch immer die Frage: Wann ist die Schmerzgrenze überreizt? Da darf man nicht hinkommen. Das sehe ich aber noch nicht. Im Moment sorgt es dafür, dass viele darüber sprechen und Bewegung in die Sache kommt.

DFL meint, die Fans hätten es nicht kapiert

SWR Sport: Wir können uns im Gespräch mal dieser möglichen Schmerzgrenze nähern. Wenn es zu einem Spielabbruch käme und jeder einzelne womöglich belangt werden könnte - wäre das die nächste Eskalationsstufe?

Helen Breit: Bis jetzt ist mir nicht bekannt, dass Tennisballwerfen sanktioniert werden kann. Mir ist wichtig, deutlich zu machen, dass es nicht um irgendeine Form von gewaltförmigem Handeln geht, sondern es geht um Protestformen, die Spielunterbrechungen in der Tat herbeiführen - und das sehr absichtsvoll. Wenn vorher andere Protestformen die gleiche Aufmerksamkeit erzeugt hätten, hätte es keine Steigerung dieser gebraucht. Es ist auch die Frage: Wo geht's noch hin? Ich bin mir sicher, dass Menschen nicht in den Fanszenen sitzen und sagen: 'Ich möchte unbedingt, dass ein Spiel abgebrochen wird'.

Aber deswegen sind wir alle aufgefordert, spätestens jetzt auch auf die Problematik zu reagieren. Und, anstatt wie die DFL es jetzt gemacht hat, zu sagen, 'wir können uns mit euch treffen und wir erklären es euch noch mal, weil offensichtlich habt ihr es einfach nur nicht kapiert'. Das ist ein bisschen wenig Angebot, um ins Gespräch zu kommen. Das Angebot muss sein: 'Wir hören noch mal ernsthaft, was ihr wollt, was euer Problem ist. Und dann versuchen wir, neue Lösungen zu finden.' Das ist der beste Weg, um sozusagen weitere Eskalationsstufen zu unterbrechen und gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Dieses Wochenende wird zeigen, in welche Richtung es geht.

SWR Sport: Es gab ein Angebot der DFL, das von Fan-Seiten abgelehnt wurde. Wie schätzen Sie die Lage ein, was liegt näher, ein weiterer, ernsthafter Schritt der DFL auf die Fans zu, oder dass wir demnächst tatsächlich Spielabbrüche in der Bundesliga erleben?

Helen Breit: Ich bin da unentschieden und berufe mich auf meine eigene Erfahrung im bundesweiten Kontext. Ich bin aber auch gleichzeitig Optimistin, sonst würde ich auch nicht zum Fußball gehen. Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass dieses Wochenende aufzeigen wird, in welche Richtung es weitergeht und ob sich noch mehr Vereinsvertreter äußern und sagen, dass sie das Problem sehen und auch in Richtung Neuabstimmung gehen wollen. Desto wahrscheinlicher wird es, dass es eher zu Gesprächen und Aushandlungen kommt, anstatt zu einer nächsten Stufe einer Protestform.

Die letzten Meldungen von einzelnen Vereinsvertretern gehen in Richtung einer Neuabstimmung. Das stimmt mich tatsächlich hoffnungsvoll, dass die Proteste jetzt sozusagen den Effekt haben, dass tatsächlich Bewegung reinkommt und auch Verhandlungsmasse generiert wird über diese ganze Problematik des Zustandekommens der Abstimmung und natürlich auch über die Investorenthematik selbst. Und dann hoffe ich, dass sich jetzt noch weitere Vereinsvertreter - Verterinnen gibt es so selten - dazu äußern und aufzeigen, dass sie Verantwortung für den Konflikt übernehmen.

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Jens Wolters

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