Frank Schmidt, Trainer des 1. FC Heidenheim (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)

Fußball | 2. Bundesliga

Frank Schmidt in Heidenheim: Wie aus zwei Wochen 15 Jahre wurden

Stand
INTERVIEW
Ann-Kathrin Rose
AUTOR/IN
Johannes Holbein

Seit 15 Jahren ist Frank Schmidt Trainer des 1. FC Heidenheim. Kein anderer Trainer im deutschen Profifußball ist so lange im Amt. Wie ist ihm das gelungen?

Frank Schmidt, 48, ist ein Mensch, der zu dem steht, was er sagt. In einem Fall konnte er das jedoch nicht durchhalten. 2007 war das, Schmidt hatte gerade seine Spielerkarriere in Heidenheim beendet und seiner Familie versprochen, von nun an samstags den Rasen zu mähen.

Dann trennte sich der 1. FC Heidenheim von Trainer Dieter Märkle. Und Schmidt wurde gebeten einzuspringen. "Mach mal zwei Spiele, wir müssen einen neuen Trainer suchen", hieß es erst. Sein erstes Spiel gewann er 2:1 gegen Normannia Gmünd, trainiert von Alexander Zorniger. Sein zweites 9:1. "Mach mal weiter", hieß es dann. Seither sind 15 Jahre vergangen, Schmidt ist noch immer Trainer.

Frank Schmidt hatte einen ganz anderen Plan vom Leben

Der 1. FC Heidenheim entstand im Sommer 2007 durch Abspaltung vom Mutterverein Heidenheimer SB. Zwei Monate später, am 17.09., übernahm Schmidt. Damals hatte das Albstadion nur auf einer Seite eine Tribüne, auf der nicht mehr als ein paar Hundert Zuschauer Platz fanden. Von ihr aus ließen sich zwei Esel beobachten, die auf einer Wiese nebenan standen, erinnert sich Schmidt. Die heutige Arena umfasst 15.000 Plätze, das Spielfeld ist mit Tribünen umsäumt. Geblieben ist der alte Kiosk, der bei den Umbauten ins Stadion integriert wurde. "Damit man nie vergisst, wo man herkommt. Das schadet nicht", sagt Schmidt.

Er ist in Heidenheim geboren und in Giengen an der Brenz in der Südstadt aufgewachsen. "Ich bin einfach erzogen worden. Gerade, offen, ehrlich." Später machte er eine Lehre als Bankkaufmann. Eigentlich wollte er nach seiner Spielerlaufbahn im Versicherungsbüro eines Freundes anfangen und dort Karriere machen.

Volker Finke, von 1991 bis 2007 Trainer beim SC Freiburg (Foto: IMAGO, Heuberger)
5.843 Tage: Volker Finke war von 1991 bis 2007 Trainer beim SC Freiburg. Unter ihm stiegen die Breisgauer 1993 erstmals in die Bundesliga auf. Der 3. Platz in der Bundesliga-Saison 1993/1994 ist bis heute die beste Platzierung des SC. Außerdem ist Finke der einzige Trainer im deutschen Profifußball, der mit einem Verein dreimal auf- und abgestiegen ist. Im Dezember 2006 verkündete Finke, dass er den Verein am Saisonende verlassen werde. Bild in Detailansicht öffnen
Frank Schmidt, seit 2007 Trainer beim 1. FC Heidenheim (Foto: IMAGO, Eibner)
5.484 Tage*: Frank Schmidt ist schon seit 2007 Trainer beim 1. FC Heidenheim. Er führte die Mannschaft von der Oberliga bis in die 2. Bundesliga. In der Saison 2019/2020 qualifizierten sich Schmidt und der FCH für die Relegation zum Aufstieg in die Bundesliga. Der FCH scheiterte dort jedoch knapp an Werder Bremen. - *fortlaufend, Stichtag der Angabe ist der 22. September 2022 Bild in Detailansicht öffnen
Winfried Schäfer, von 1986 bis 1998 Trainer des Karlsruher SC (Foto: IMAGO, Kicker/Liedel)
4.285 Tage: Winfried Schäfer war von 1986 bis 1998 Trainer des Karlsruher SC. Während seiner Amtszeit feierte der KSC seine größten Erfolge nach den 1950er-Jahren. Dreimal wurde Karlsruhe unter Schäfer Sechster in der Bundesliga, 1993/1994 erreichten die Badener das UEFA-Cup-Halbfinale, 1996 das DFB-Pokalfinale. Da die Saison 1997/1998 für den KSC enttäuschend verlief, wurde Schäfer im März 1998 entlassen. Die Karlsruher stiegen am Ende der Spielzeit aus der Bundesliga ab. Bild in Detailansicht öffnen
Christian Streich, seit Dezember 2011 Trainer beim SC Freiburg (Foto: IMAGO, Michael Weber)
3.920 Tage*: Christian Streich ist seit Dezember 2012 Trainer beim SC Freiburg. Damit ist er zurzeit der mit Abstand dienstälteste Trainer der Bundesliga. 2012/2013 wurde der SC mit ihm Fünfter, vergangene Saison erreichte der Klub das DFB-Pokalfinale. - *fortlaufend, Stichtag der Angabe ist der 22. September 2022 Bild in Detailansicht öffnen
Jürgen Klopp, von 2002 bis 2008 Trainer beim 1. FSV Mainz 05 (Foto: IMAGO, Sämmer)
2.679 Tage: Jürgen Klopp war von 2002 bis 2008 Trainer beim 1. FSV Mainz 05. Unter ihm gelang den Mainzern 2004 erstmals der Aufstieg in die Bundesliga. Der ehemalige 05-Spieler war Publikumsliebling und gilt als Klubikone bei den Rheinhessen. Während der Zweitliga-Saison 2007/2008 kündigte Jürgen Klopp an, dass er seinen auslaufenden Vertrag im Falle eines Nichtaufstiegs nicht verlängern werde. Die 05er verpassten den Aufstieg am letzten Spieltag der Saison, Klopp wurde danach BVB-Trainer. Bild in Detailansicht öffnen
Klaus Schlappner, von 1980 bis 1987 Trainer des SV Waldhof Mannheim (Foto: IMAGO, Sven Simon)
2.555 Tage: Klaus Schlappner war von 1980 bis 1987 Trainer des SV Waldhof Mannheim. Unter Schlappner erlebte der SVW seine erfolgreichste Zeit. 1983 gelang erstmals der Aufstieg in die Bundesliga, 1984/1985 belegte Mannheim dort Platz fünf - die bis heute beste Platzierung des Vereins. Bild in Detailansicht öffnen
Thomas Tuchel, von 2009 bis 2014 Trainer beim 1. FSV Mainz 05 (Foto: IMAGO, DeFodi)
1.741 Tage: Thomas Tuchel war von 2009 bis 2014 Trainer beim 1. FSV Mainz 05. Unter ihm spielten die Rheinhessen ihre bis heute beste Saison in der Bundesliga. Die Saison 2010/2011 startete der FSV mit sieben Siegen, holte am Ende der Spielzeit 58 Punkte und belegte den fünften Platz. Nach der Saison 2013/2014 wurde bekannt, dass Tuchel den Verein ein Jahr vor Vertragsende verlässt. Zur Saison 2015/2016 wurde er Trainer von Borussia Dortmund und folgte dort auf Jürgen Klopp. Bild in Detailansicht öffnen
Ralf Rangnick, von 2006 bis 2010 Trainer der TSG Hoffenheim (Foto: IMAGO, Fishing 4)
1.645 Tage: Ralf Rangnick war von 2006 bis 2010 Trainer der TSG Hoffenheim. Während seiner Amtszeit schaffte die TSG den Durchmarsch von der 3. Liga bis in die Bundesliga. In ihrer ersten Bundesliga-Saison wurde die TSG Herbsmeister. Am Ende der Spielzeit 2008/2009 reichte es für Platz sieben. Nach Platz acht in der Hinrunde 2010/2011 trat Rangnick während der Winterpause als Trainer zurück. Laut Medienberichten gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Dietmar Hopp. Bild in Detailansicht öffnen
Otto Rehhagel, von 1996 bis 2000 Trainer beim 1. FC Kaiserslautern (Foto: IMAGO, Pressefoto Baumann)
1.534 Tage: Otto Rehhagel war von 1996 bis 2000 Trainer beim 1. FC Kaiserslautern. Rehhagel stieg zunächst mit den Pfälzern in die Bundesliga auf und schaffte dann etwas, das bis heute unerreicht ist: Der FCK wurde 1998 als Aufsteiger Deutscher Meister. Nachdem der Start in die Saison 2000/2001 nicht gut verlaufen war und sich auch die Fans vom ehemaligen Meistertrainer abgewandt hatten, trat Rehhagel am 01.10.2000 als FCK-Trainer zurück. Bild in Detailansicht öffnen

"Spieler wollen ehrliche Kommunikation und nicht über Scherben laufen"

In seiner ersten Saison als Trainer qualifizierte sich Heidenheim für die viertklassige Regionalliga, im nächsten Jahr gelang der Aufstieg in die 3. Liga. Seine Lizenzen machte er nebenher. 2014 stieg Heidenheim in die 2. Bundesliga auf. 2020 stand der Klub kurz vor dem Aufstieg in die Bundesliga.

Das Heidenheimer Modell besteht darin, Spieler zu holen, die auf dem Weg nach oben sind, für die es etwas Besonderes ist, für Heidenheim in der 2. Bundesliga spielen zu dürfen. Und die dann, wenn sie zu groß geworden sind für die Schwäbische Alb, weiterverkauft werden. Schmidts Aufgabe ist es, diese Spieler weiterzuentwickeln und ein Team zu formen. "Das ist die größte Herausforderung für mich als Trainer, dafür zu sorgen, dass eine Mannschaft eine Mannschaft ist."

Schmidt ist so, wie er ist. Er verstellt sich nicht, beansprucht Erfolg nicht für sich, sucht nicht das Rampenlicht, macht sich aber auch nicht klein. Er hat ein Gespür dafür, welcher Spieler eine Umarmung braucht – und welcher einen Rüffel. Psychologe sein sei sein Steckenpferd, sagt er. "Die Spieler wollen eine ehrliche Kommunikation und nicht über Scherben laufen oder heiße Kohlen."

Trainer Frank Schmidt vom 1. FC Heidenheim (rechts) legt den Arm um seinen Spieler Florian Pick (links).  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)
Frank Schmidt hat ein Gespür dafür, wie er mit seinen Spielern (hier Florian Pick) umzugehen hat.

Schmidt: "Ich habe mich immer aus voller Überzeugung für Dinge entschieden"

Abgeschaut hat er sich das von Trainer Werner Fuchs, unter dem er bei Alemannia Aachen gespielt hat. 1999 stieg Schmidt, ein torgefährlicher Verteidiger, mit Aachen in die 2. Bundesliga auf. Fünf Tage vor dem Meisterschaftsspiel, indem Aachen den Aufstieg perfekt machte, brach Fuchs im Training bei einem Waldlauf zusammen und starb. Im selben Jahr heiratete Schmidt und bekam seine erste Tochter. Aufstieg, der Tod seines Vorbilds, Hochzeit und das erste Kind, alles binnen kurzer Zeit. Schmidt war 25. "In dem Jahr habe ich alles erlebt, was das Leben ausmacht. Das prägt einen, definitiv."

"Das schlimmste im Leben ist, wenn man später sagen muss: Warum habe ich nicht oder hätte ich mal besser. Das ist mir nie passiert. Ich habe mich immer aus voller Überzeugung für die Dinge entschieden."

Werner Fuchs, Trainer von Alemannia Aachen, schreiend auf der Trainerbank.  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)
Hart und dennoch warmherzig: Von Werner Fuchs hat sich Frank Schmidt viel abgeschaut.

Heidenheim lehrt ihn Fleiß; er lehrt Heidenheim Begeisterung

Nach Heidenheim kam er 2003 als Spieler für den Heidenheimer SB. In der Industriestadt, in der es viel Mittelstand gibt, habe er gesehen, wie hart die Menschen arbeiten. "Heidenheim hat mich gelehrt, fleißig zu sein. Wenn du es gut haben willst, musst du hart dafür arbeiten."

Und als Trainer hat er Heidenheim gelehrt, dass Fußball begeistern kann. "Es hat eine Zeit gedauert, die Menschen Stück für Stück aus sich raus kommen zu lassen. Mittlerweile kommen die anderen Mannschaften nicht mehr gerne hierher, weil in diesem engen, kleinen Stadion eine besondere Atmosphäre herrscht. Dieser Zusammenhalt, dass sich die Menschen total mit dem Verein identifizieren, das ist was besonders, von dem ich am Anfang nicht gedacht habe, dass das hier so möglich ist."

Geraune von den Tribünen hat Schmidt in seinen 15 Jahren selten erlebt. Und wenn doch, behielt er die Ruhe. 2017 etwa, als die Mannschaft wochenlang auf Rang 16 stand. Der dauerhafte Erfolg hat eben auch Erwartungen geweckt. Am Ende gelang als 13. der Klassenerhalt.

Frank Schmidt will noch in die Bundesliga

Als Schmidt als Trainer anfing, hat er etwas lapidar dahergesagt, dass er der Volker Finke von Heidenheim werden wolle. "Ohne zu wissen, was das bedeutet und was in dieser Zeit alles passiert und wie einen das altern lässt", sagt er heute. Jetzt fehlt ihm nur noch ein Jahr, um Finke, der den SC Freiburg 16 Jahre lang trainierte, einzuholen. 

Schmidt will als Trainer noch in die Bundesliga. Mehrfach hat er Angebote von anderen Klubs bekommen. Er hat sie abgelehnt. Die Konstellation müsse passen, hat er mal gesagt. Sein Vertrag in Heidenheim geht bis 2027. Zeit genug, um es hier in die erste Liga zu schaffen.

Wie es um seinen Rasen steht, ist nicht überliefert.

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